«Die Leitung eines Unichores stellt eine spezielle Herausforderung dar»

Seit 1999 leitet Matthias Heep den Universitätschor Bern. Anlässlich seines 20-jährigen Jubiläums sprach «uniaktuell» mit dem Komponisten über seine Erfahrungen, Herausforderungen und zukünftigen Projekte.

Von Sylvia Löwe 29. April 2020

«uniaktuell»: Sie feiern dieses Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum als Dirigent des Unichors. Was begeistert Sie so an dieser Aufgabe?
Matthias Heep: Das hat viele Gründe: Zunächst einmal liebe ich es, mit der menschlichen Stimme zu arbeiten. Als Pianist habe ich leidenschaftlich gerne Sänger begleitet. Aber auch das Musizieren in der Gemeinschaft war immer sehr wichtig für mich. Die Schnittmenge von alldem ist die Arbeit mit Vokalensembles, vom kleinen Kammerchor bis zum grossen, gleichsam sinfonischen Chor wie dem der Universität Bern.Die Leitung eines Universitätschores stellt in mehrerer Hinsicht eine spezielle Herausforderung dar. Einerseits soll er für möglichst viele Interessierte offen stehen. Es geht – um ein Bild zu benutzen – um Breitensport, nicht um Hochleistungssport. Das beinhaltet leider auch eine vergleichsweise hohe Fluktuation.

Andererseits erwartet man von einem Universitätschor auch ein hohes Niveau. Wir arbeiten deswegen mit einem vierköpfigen Team: Valentina Russo als Stimmbildnerin, Marko Skorin als Assistent bei den Registerproben, Armin Waschke als Hauspianist – nun auch schon 18 Jahre lang –, und ich natürlich. Es geht darum, unseren Sängerinnen und Sängern, gerade auch den neuen und weniger erfahrenen, bei der Erarbeitung der doch recht an­spruchs­vollen Chorwerke nach Kräften zu helfen. Es geht um einen homogenen Klang, um die einheitliche Interpretation der Musik... Bei so vielen Herausforderungen ist es, glaube ich, leicht verständlich, dass mir die Zeit dabei so schnell nicht lang wird.

Matthias Heep dirigiert den Unichor schon seit 20 Jahren. Bild: Unichor Bern.
Matthias Heep dirigiert den Unichor schon seit 20 Jahren. Bild: Unichor Bern.

Der Unichor hat schon viele verschiedene Projekte realisiert: Von der Uraufführung des «Berner Totentanz» bis hin zu Beethovens «Messe in C- Dur» zusammen mit dem Medizinerorchester der Universität Semmelweis in Budapest. Wer sucht die Stücke und Themen aus, die bei den Auftritten präsentiert werden?
Zunächst einmal besprechen wir im Vorstand die äusseren Bedingungen für ein Projekt: Zur Verfügung stehende Probezeit, finanzielle Mittel und so weiter. Dann konstituiert sich eine «Werkwahl-Kommission» aus interessierten Chorsängerinnen und -sängern, die zusammen mit mir verschiedene Ideen verfolgt, Musik anhört, mögliche Programme ausarbeitet und diese dem Vorstand vorlegt. Der entscheidet dann über die Realisierbarkeit.

Natürlich gibt es auch ganz andere Wege, wie ein Programm zustande kommt. Zum Beispiel werden wir öfter von einem anderen Ensemble angefragt, ob wir mit ihm zusammen ein bestimmtes Werk aufführen möchten. Oder wir vergeben einen Kompositionsauftrag und der Komponist entscheidet dann über alle weiteren inhaltlichen Fragen. In jedem Fall versuchen wir, die stilistische Bandbreite möglichst weit zu fassen und dabei auch die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts nicht zu kurz kommen zu lassen.

Welches ist Ihr persönliches Highlight aus dem Unichor-Leben?
Das kann ich jetzt gar nicht so eindeutig beantworten. Natürlich hat man so seine Lieblingsstücke, bei mir etwa das Requiem von Brahms. Und man freut sich dann wie ein kleines Kind unterm Weihnachtsbaum, wenn man diese Stücke aufführen kann. Andererseits finde ich auch gut konzipierte Programme faszinierend, die eine ganze Reihe kleinerer Kompositionen unter einem bestimmten Thema zusammenfasst. Ich denke da zum Beispiel an unseren Abend «El romancero gitano» mit Musik für Chor, Gitarre und Klavier von Schumann und Brahms bis zu modernen Werken von Castelnuovo-Tedesco und Rautavaara. Auch als etwas ganz Besonderes empfand ich das Programm, das wir anlässlich des internationalen Kirchenmusik-Kongresses 2015 zusammen mit den Chören des Neufeld-Gymnasiums im Berner Münster aufführen konnten, ein Programm mit drei grossen Uraufführungen Schweizer Komponisten.

Für mich sind es nicht immer die grossen Konzerte mit Orchester, die den intensivsten «Thrill» auslösen. Wenn auch – das muss ich gestehen – die Kombination eines grossen Chores mit einem über viele Klangfarben verfügenden Sinfonieorchester etwas absolut Berauschendes an sich hat. Allerdings spüre ich von diesem Rausch wenig, wenn ich selber eine Aufführung zu leiten habe. Zu viel hängt davon ab, dass man als Dirigent einen klaren Kopf behält.

Sie sind neben dem Berner Unichor in verschiedenen anderen Projekten engagiert. Wie managen Sie die verschiedenen Aufgaben?
Nun ja, das ist eine Herausforderung, für die man immer wieder neue Strategien entwickeln muss. Ich versuche zum Beispiel am Morgen eher die Aufgaben zu erledigen, die Kreativität erfordern, wie an meiner eigenen Musik zu arbeiten. Der Nachmittag ist eher dem Organisieren und Verwalten gewidmet. Natürlich vergeht fast kein Tag, an dem dieses schöne Schema nicht gehörig ins Wanken gerät. Eigentlich sollte man erst nach dem Mittagessen seine Mails checken.

Mit den immer grösseren Möglichkeiten der Technik haben sich natürlich auch die Aufgaben des Chorleiters erweitert. Ich denke zum Beispiel an das Aufnehmen und möglichst perfekte Schneiden von Lernfiles, mit denen alle Chormitglieder ihre eigenen Stimmen zu Hause lernen können. Das ist im Unichor bislang nur in Ausnahmefällen notwendig, andere Chöre sind auf dieses Hilfsmittel allerdings angewiesen. Auch das Bearbeiten von Partituren mit Notensatz-Programmen ist hier und da unabdinglich und erfordert einen grossen Zeitaufwand.

Was ist noch für die Zukunft geplant?
Gegenwärtig mussten wir ja unsere Proben einstellen; aber wir freuen uns sehr darauf, unser Programm mit orthodoxer Kirchenmusik von der Klassik bis zur beginnenden Moderne im kommenden Herbst zu präsentieren. Im Frühling 2021 planen wir dann eine Multimedia-Produktion zum Thema «Die vier Elemente», vorzugsweise mit neuerer Musik; die Proben hierzu beginnen voraussichtlich Ende November, Anfang Dezember 2020.

Im drauffolgenden Studienjahr 2021/22 steht ein grosses Projekt mit dem Uniorchester Bern an. Hoffentlich gelingt es dann, uns endlich einen lange gehegten Traum zu erfüllen: Die Aufführung des Requiems von Giuseppe Verdi.

Über Matthias Heep

Matthias Heep studierte nach dem Magisterexamen in Musikwissenschaft und Germanistik an der Universität Heidelberg die Fächer Theorie/Komposition (D. Müller-Siemens und Rudolf Kelterborn) und Chorleitung (H.-M. Linde) an der Musikhochschule Basel.

1996-2010 Dozent für klassischen Tonsatz an der Jazzschule Basel bzw. an der Musikhochschule Basel.

Leiter mehrerer grosser Chöre, freie Tätigkeit als Komponist.

 

Unichor Bern

Der Chor der Universität Bern wurde 1985 gegründet und steht den Studierenden aller Fakultä-ten, sowie allen weiteren Interessierten offen. Etwa achtzig junge, engagierte Sängerinnen und Sänger treffen sich wöchentlich zum gemeinsamen Musizieren an der Universität Bern. Vor allem Studierende und Mitarbeitende der Universität Bern, sowie auch ehemalige Studierende der Universität Bern singen im Chor mit. Neue SängerInnen sind herzlich zum Mitsingen eingeladen. Der Unichor probt normalerweise jeden Dienstag während dem Semester von 18:30-21:00 in der Aula Muesmatt, Gertrud-Woker-Strasse 5, 3012 Bern.

Zur Autorin

Sylvia Löwe ist Social Media Manager beim Online Marketing in der Abteilung Kommunikation & Marketing und ist Themenverantwortliche «Campus».

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