Im Einsatz für die Gebirgsbiodiversität

Mit dem «Tag der Berge» macht die UNO jedes Jahr am 11. Dezember auf die Bedeutung einer nachhaltigen Entwicklung in Bergregionen aufmerksam – diesmal mit einem Fokus auf die Biodiversität. An der Universität Bern ist mit dem Global Mountain Biodiversity Assessment (GMBA) ein globales Forschungsnetzwerk angesiedelt, das sich dieser Probleme annimmt.

Von Ivo Schmucki 04. Dezember 2020

In diesem Jahr machen die Vereinten Nationen am «International Mountain Day» vom 11. Dezember auf die Wichtigkeit der Gebirgsbiodiversität und ihrer Erhaltung aufmerksam. Die Universität Bern ist in verschiedenen Bereichen und Disziplinen zum Thema Bergregionen aktiv. Bild: Christophe Randin

Landwirtschaft, Klimawandel, Massentourismus: Die Biodiversität in Bergregionen wird von vielen Faktoren aus dem Gleichgewicht gebracht. Im Gebirge gibt es sehr viel Artenvielfalt, die sonst nirgendwo vorkommt, und der Nutzen dieser Ökosysteme ist für die Menschen unerlässlich. Umweltänderungen in diesem Gebieten können deshalb weitreichende Folgen haben. Um auf die Probleme hinzuweisen, die mit einem Verlust der Biodiversität in Berggebieten einhergehen, widmen die Vereinten Nationen in diesem Jahr den «International Mountain Day» am 11. Dezember dem Thema Bergbiodiversität. Denn trotz des hohen Stellenwerts dieser Probleme, werden sie in der Politik zu wenig angegangen. Hier will das Global Mountain Biodiversity Assessment (GMBA) an der Universität Bern ansetzen.

Das GMBA ist eine Plattform von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die weltweit an über 800 verschiedenen Institutionen zu Biodiversität im Hochgebirge forschen. Angesiedelt am Institut für Pflanzenwissenschaft, versucht die Plattform, Forschende besser zu vernetzen. Zu den Hauptzielen des GMBA gehören aber auch ein erleichterter Zugang zu wissenschaftlichen Ergebnissen für Politikerinnen und Politiker sowie die Förderung und Synthese der Forschung zur Biodiversität im Gebirge.

Biodiversität: Ein unerlässliches Gut

Für uns Menschen erfüllt die Bergbiodiversität überlebenswichtige Aufgaben: Zum Beispiel sorgt die Vegetation an Steilhängen für Stabilität. Fehlt die geeignete Vegetation, drohen die Hänge abzurutschen. Das stellt die Menschen, die darunter leben, vor Probleme. Zudem hängt mehr als die Hälfte der Menschheit vom Wasser ab, das aus den Bergen kommt.  

Wird weniger beweidet, kommt an Steilhängen die Grün-Erle auf und die Biodiversität sinkt: Hier im Urserental UR. Bild: Erika Hiltbrunner
Wird weniger beweidet, kommt an Steilhängen die Grün-Erle auf und die Biodiversität sinkt: Hier im Urserental UR. Bild: Erika Hiltbrunner

Doch ist die Bergbiodiversität zunehmenden Bedrohungen ausgesetzt. Gerade der Klimawandel bedroht Bergarten ganz besonders. «Da verschiedene Arten unterschiedlich auf den Klimawandel reagieren, besteht ein zunehmendes Risiko der Desynchronisation innerhalb von Ökosystemen: in Jahren mit relativ warmen Wintern zum Beispiel stimmt der Höhepunkt der Vegetationsproduktion nicht mit der Geburt der Steinbock-Kitze überein, was kurzfristig zu erhöhten Mortalität führt und langfristig Populationen gefährden kann», sagt Davnah Payne, Leiterin des GMBA-Projektbüros. Ein weiteres Problem stellt der Landnutzungswandel dar. Bei uns im Gebirge etwa zieht sich die Landwirtschaft zurück. Im Urserental im Kanton Uri wie auch in den Wadländischen Alpen zum Beispiel kam durch die Aufgabe der Beweidung die Grün-Erle auf. Dieser Busch fixiert Stickstoff im Boden und die Wasserqualität wird dadurch schlechter. Gleichzeitig verhindert die Grün-Erle das Aufkommen von verschiedenen Pflanzenarten und die Rückkehr des Bergwaldes, der viel besser vor Erosion und Lawinen schützt.

Alle Gebirgsregionen der Welt an einem Ort

Die Erhaltung der Ökosystemfunktionen von Gebirgen bedeutet für uns also auch Selbstschutz. Um das Wissen über die Biodiversität im Gebirge besser zugänglich zu machen, und so zur Erhaltung der Biodiversität beizutragen, schafft das GMBA Grundlagen für Forschung, Gesellschaft und Politik.

Übersicht zur Verbreitung der Grün-Erle im Alpenraum aus dem «Mountain Portal», www.mountainbiodiversity.com.
Übersicht zur Verbreitung der Grün-Erle im Alpenraum aus dem «Mountain Portal», www.mountainbiodiversity.com.

Beispielsweise hat das GMBA in Zusammenarbeit mit der Yale University (Projekt «Map of Life») das «Mountain Portal» geschaffen. Dort werden biodiversitätsrelevante Daten in einem interaktiven Online-Kartentool zur Verfügung gestellt – und das für alle Gebirgsregionen der Welt, die das GMBA in mühsamer Kleinarbeit in einem online verfügbaren Inventar der Berge erfasst hat. «Biodiversitätsforschende finden hier nützliche Daten zur Steilheit oder zu Lebensräumen in sämtlichen Gebirgen an einem Ort», erklärt Davnah Payne.

Das Portal enthält darüber hinaus Informationen zu Tier- und Pflanzenspezies, die auch für die Öffentlichkeit spannend sind. Mit einem Klick auf eine Gebirgsregion erhält man eine Liste der hier lebenden Arten. In der «Map of Life» Mobile-App kann man seine eigenen Beobachtungen zudem direkt eingeben und so einen Beitrag zur Katalogisierung leisten.

Von Bern aus die Politik aufklären

Nicht nur die Wissenschaft will das GMBA fördern – auch die Politik will man erreichen und das Problembewusstsein für die Gebirgsbiodiversität erhöhen. Dazu entwickelt das Projektbüro Broschüren, Poster und Berichte, die das Wissen zur Biodiversität im Hochgebirge verständlich zusammenfassen.

Um politische Akteure sinnvoll zu erreichen, ist Erfahrung und vor allem ein Netzwerk von Vorteil. Hierfür findet das GMBA an der Universität Bern ideale Bedingungen vor. Mit Markus Fischer vom Institut für Pflanzenwissenschaft als Projektleiter und Vorsitzender des GMBA und Eva Spehn von der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz im Wissenschaftlichem Beirat ist auch eine geballte Ladung Kompetenz an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik im Projekt vertreten: beide sind unter anderem im Forum Biodiversität der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften und in der Intergovernmental Science-Policy Platform for Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) stark involviert. Darüber hinaus sind an der Universität Bern zwei weitere Projekte der Forschungsplattform «Future Earth», zudem auch das GMBA gehört, beheimatet: Das Global Land Programme (GLP) und PAGES (Past Global Changes). «Auch die Mountain Research Initiative, unser Schwesternetzwerk, ist hier in Bern – es gibt viele Synergien und gemeinsame Aktivitäten», erklärt Davnah Payne.

Was motiviert Davnah Payne im Einsatz für das Hochgebirge? «Gebirgsbiodiversität ist faszinierend, wichtig und gefährdet; ein Engagement für ihre Erhaltung ist dringend.»

 

Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Ausgabe 172 «Chancen und Risiken» von UniPress, dem Wissenschaftsmagazin der Universität Bern, veröffentlicht und für diese aktuelle Publikation angepasst und gekürzt.

Das Global Mountain Biodiversity Assessment (GMBA)

Das Global Mountain Biodiversity Assessment (GMBA) ist eine Plattform für internationale und transdisziplinäre Zusammenarbeit zur Beurteilung, Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Biodiversität im Hochgebirge. Es wurde im Jahr 2000 von der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) ins Leben gerufen und dient der Erfüllung der Agenda 21, einem Aktionsplan zur Nachhaltigen Entwicklung der Vereinten Nationen. Das GMBA ist Teil der internationalen Forschungsplattform «Future Earth» (ehemals DIVERSITAS) und wurde seit Beginn von Schweizer Institutionen finanziert (bis 2016 vor allem durch den SNF, seit 2017 von der SCNAT).

Infografik des GMBA zum International Mountain Day 2020 (Englisch) (PDF, 1.3 MB)

Über Davnah Payne:

Dr. Davnah Payne ist Leiterin des Project Office des Global Mountain Biodiversity Assessment (GMBA) am Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität Bern.

Kontakt:

Dr. Davnah Payne
GMBA International Project Office, Universität Bern
E-Mail: gmba@ips.unibe.ch
Telefon: +41 31 631 49 37

UNESCO-Chair «Natur- und Kulturerbe für eine nachhaltige Berggebietsentwicklung»

Ein weiteres Projekt an der Universität Bern zum Thema Bergregionen ist der UNESCO-Chair «Natur- und Kulturerbe für eine nachhaltige Berggebietsentwicklung», der 2016 ins Leben gerufen wurde. Er wird gemeinsam vom Centre for Development and Environment (CDE) und vom Geographischen Institut der Universität Bern sowie vom Forschungszentrums CETRAD in Kenia geleitet. Der dortige Fokus liegt im UNESCO-Welterbe Nationalpark Mount Kenya. Der Chair finanziert sich massgeblich über Projekte.

Am 11. Dezember erscheint hier in «uniaktuell» ein Interview mit Theresa Tribaldos, Mitarbeiterin am UNESCO-Chair in Bern.

ZUM AUTOR

Ivo Schmucki arbeitet als Redaktor bei Media Relations und Corporate Publishing in der Abteilung Kommunikation & Marketing an der Universität Bern. Er ist Themenverantwortlicher «Natur und Materie».

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