Theorien zu hinterfragen kann sich lohnen

Wo es kaum jemand für möglich hielt, sucht das vom Nationalen Forschungsschwerpunkt PlanetS mitfinanzierte «SAINT-EX» Teleskop nach neuen Welten. Nach einem Jahr Betrieb liegen erste spannende Resultate vor.

Von Arian Bastani 27. März 2020

In einer Gebirgsregion, fast drei Kilometer über Meer, mit Aussicht auf Föhrenwälder und imposante Gesteinsformationen liegt es: Das Nationale Astronomische Observatorium Mexikos in San Pedro Mártir.

Von dort aus beobachtet das robotergesteuerte und vollautomatische 1-Meter-Teleskop «SAINT-EX» den Nachthimmel. Das vom Nationalen Forschungsschwerpunkt PlanetS kofinanzierte Projekt zielt darauf ab, Planeten jenseits der Grenzen unseres Sonnensystems zu lokalisieren und zu beschreiben. Im Fokus stehen potenziell bewohnbare erdähnliche Gesteinsplaneten, die um so genannte «ultrakühle» Sterne kreisen.

Die Kuppel des SAINT-EX Teleskops in Mexiko
Die Kuppel des SAINT-EX Teleskops in Mexiko. Bild: zvg

Eine clevere Alternative

«Ultrakühl» ist in diesem Fall nicht wörtlich zu verstehen – die Oberflächentemperaturen solcher Sterne liegen immer noch bei bis zu rund 2’500 Grad Celsius. Verglichen mit anderen Sternen, ist das dennoch recht kühl. Die Sonne, etwa, ist circa doppelt so heiss.

Sich auf ultrakühle Sternsysteme zu fokussieren hat gute Gründe, wie der Forschungsleiter des Projekts, Brice Demory, erklärt: «Bis heute haben wir nicht die Instrumente um erdähnliche Planeten zu entdecken, die sonnenähnliche Sterne in der bewohnbaren Zone umkreisen», sagt er. Der Grund dafür ist, dass die bewohnbare Zone – jenes Band um den Stern, in dem flüssiges Wasser möglich ist – bei sonnenähnlichen Sternen relativ weit vom Stern entfernt ist.

Ist die Distanz gross, ist die Wahrscheinlichkeit eines Transits – des Vorbeiziehens des Planeten zwischen dem Stern und dem Teleskop – sehr gering. Sie beträgt nur etwa 0,5 Prozent. Diese Wahrscheinlichkeit steigt, je kühler der Stern ist. Denn die bewohnbare Zone rückt dann näher an den Stern heran. «Bei ultrakühlen Sternen liegt sie bei etwa 5 Prozent. Sie ist also um einen Faktor 10 höher», so der Professor am Center for Space and Habitabilty der Universität Bern.

Und ein weiterer Faktor erleichtert die Erkennung von Planeten, die um ultrakühlere Sterne kreisen: Sie sind viel kleiner als die Sonne. Wenn ein erdähnlicher Planet vorbeizieht, wird also ein größerer Teil des vom Stern ausgestrahlten Lichtes blockiert. Dadurch wird der Transit deutlicher messbar. Der Unterschied beträgt in diesem Fall etwa Faktor 100.

Überzeugende Zahlen, die die Frage aufwerfen: Wenn es so viel einfacher ist, erdähnliche Planeten vor ultra-kühlen Sternen zu finden, warum haben wir dann erst vor kurzem damit begonnen dort zu suchen?

Falsche Theorien und neue Instrumente

«Früher dachte man, dass es keine Planeten geben könnte, die solche Sterne umkreisen», antwortet Demory. Und da es somit wenig Grund gab, diesen Systemen Aufmerksamkeit zu schenken, standen nur wenige geeignete Teleskope zur Verfügung.

Brice-Olivier Demory ist SNSF Professor an der Universität Bern
Brice-Olivier Demory ist SNSF Professor an der Universität Bern. Bild: zvg

Das SAINT-EX Teleskop, das benannt ist nach dem Autor des Kleinen Prinzen, Antoine de Saint-Exupéry, sollte dies ändern. Es wurde mit Instrumenten ausgestattet, die sich speziell für die Beobachtung ultrakühler Sterne eignen. Diese sind sowohl relativ dunkel als auch ziemlich rötlich gefärbt.

Mit seinen präzisen Instrumenten hat das Teleskop bereits zwei neue Planeten bestätigt, die möglicherweise flüssiges Wasser enthalten könnten. Entsprechende wissenschaftliche Veröffentlichungen sind in Vorbereitung, wie Prof. Demory gegenüber PlanetS erklärt.

Unterstützung für CHEOPS

Darüber hinaus bietet SAINT-EX auch wichtige Bodenunterstützung für das Weltraumteleskop CHEOPS. Etwa indem SAINT-EX ebenfalls Objekte präzise beobachtet, die mit CHEOPS untersucht werden. Damit liefert das Bodenteleskop Kontrolldaten, mit denen verifiziert werden kann, dass die Messungen des Weltraumteleskops keine selbstverursachten Störsignale sind.

Letztendlich hofft Brice Demory, dass SAINT-EX helfen wird Antworten auf tiefgreifende Forschungsfragen zu finden. Etwa was denn die notwendigen Bedingungen sind, damit Leben entstehen kann. Bislang haben wir nur einen Datenpunkt: die Erde. Aber auch andere Bedingungen könnten biologische Aktivität ermöglichen. Nur durch die Erforschung der Vielfalt von Exoplaneten in bewohnbaren Zonen können wir unser Verständnis verbessern, sagt uns der Wissenschaftler.

So viel ist sicher: Wir müssen mit Überraschungen rechnen. Forschungsresultate, die den Anstoss für SAINT-EX gaben, haben gezeigt: “Wir sollten nicht immer der Theorie vertrauen!”, betont Demory. Weitere Ergebnisse des Teleskops in den mexikanischen Bergen könnten seinen Standpunkt unterstreichen.

BERNER WELTRAUMFORSCHUNG: SEIT DER ERSTEN MONDLANDUNG AN DER WELTSPITZE

Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solarwind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung.

Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei. In Zahlen ergibt dies eine stattliche Bilanz: 25mal flogen Instrumente mit Raketen in die obere Atmosphäre und Ionosphäre (1967-1993), 9mal auf Ballonflügen in die Stratosphäre (1991-2008), über 30 Instrumente flogen auf Raumsonden mit, und mit CHEOPS teilt die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission.

Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.

Zum Autor

Arian Bastani ist Wissenschaftsjournalist und arbeitet als Kommunikationsverantwortlicher beim Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS, der an der Universität Bern angesiedelt ist.

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