Hitzestress in der Aarestadt

Forschende der Universität Bern untersuchen die Folgen von Hitzewellen auf Schweizer Städte. Denn die zunehmende Hitze belastet nicht nur die Gesundheit, sie fordert auch die urbane Infrastruktur stark heraus. Eine soeben angelaufene Messkampagne soll den Wärmeinseleffekt für die Stadt Bern aufschlüsseln.

Von Kaspar Meuli 07. Juni 2021

Welche Folgen Hitzewellen auf Schweizer Städte haben, untersucht das Forschungsprojekt «Urban Climate Bern» des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern. © Universität Bern
Welche Folgen Hitzewellen auf Schweizer Städte haben, untersucht das Forschungsprojekt «Urban Climate Bern» des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern. © Universität Bern

Die Klimaerwärmung macht den Städten besonders zu schaffen. Denn in urbanen Gebieten spielt der sogenannte Wärmeinseleffekt eine folgenreiche Rolle: Die Temperaturen liegen oft deutlich höher als im Umland – besonders nachts. Hauptgrund dafür ist die Veränderung der Oberflächen: Je grösser der Anteil versiegelter Flächen in einem Gebiet ist, desto mehr Sonnenstrahlung wird absorbiert. Die Gebäude und Strassen werden somit tagsüber aufgeheizt und wirken wie eine Speicherheizung, die in der Nacht langsam Wärme abgibt. Steigen durch den Klimawandel die Temperaturen, erhält diese Speicherheizung noch mehr Energie – und die Menschen leiden immer stärker unter der Stadthitze.

Doch wie gross ist der Wärmeinseleffekt in Bern tatsächlich? Und wie stark macht er sich wo bemerkbar? Auf diese und weitere Fragen sucht das Forschungsprojekt «Urban Climate Bern» des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern Antworten. «Hochaufgelöste Temperaturmessungen verhelfen uns zu einem detaillierten Bild der städtischen Hitzebelastung», erklärt der Klimawissenschaftler Moritz Burger, der im Rahmen des Projekts seine Doktorarbeit schreibt. «Diese Daten ermöglichen die Modellierung von künftigen Entwicklungen –und sie dienen als Entscheidungsgrundlage für Klimaanpassungsmassnahmen.»

Soeben ist die vierte Saison der Messkampagne von «Urban Climate Bern» angelaufen. Das Projektteam hat verteilt über die ganze Stadt und ihre nahe Umgebung 65 Temperatursensoren montiert. Das Messnetz erstreckt sich über verschiedene urbane Strukturen, Vegetationstypen und topographische Gegebenheiten – von der Altstadt über den Breitenrain bis in den Bremgartenfriedhof. Die Sensoren sind unter anderem an Pfosten von Verkehrsschildern und Strassenlampen befestigt und messen zwischen Mitte Mai und Mitte September im Zehn-Minuten-Takt die Lufttemperatur. Alle fünf Wochen werden diese Datenlogger vom Team ausgelesen (Datenlogger sind elektronische Geräte, die Umweltparameter automatisch überwachen und aufzeichnen).

Den Wärmeinseleffekt im Detail verstehen

Die lokalklimatischen Verhältnisse sind in Bern höchst heterogen und die Topographie ist komplex. Wie unterschiedlich sich der Wärmeinseleffekt vor diesem Hintergrund bemerkbar macht, haben bereits die Resultate der Messkampagnen 2018 und 2019 gezeigt: In den am stärksten belasteten Quartieren – in der Innenstadt – liegen die nächtlichen Temperaturen während Hitzewellen durchschnittlich um drei bis vier Grad Celsius höher als ausserhalb der Stadt. Einer der Hitzehotspots ist ausgerechnet das Inselspital, besonders warm sind aber auch die Altstadt, der Breitenrain und der Mattenhof.

Moritz Burger beim Installieren eines Temperatursensors am Waffenweg im Breitenrainquartier. © Kern Singh
Moritz Burger beim Installieren eines Temperatursensors am Waffenweg im Breitenrainquartier. © Kern Singh

Hitzewellen belasten die Gesundheit

Die steigende Anzahl der Nächte, während denen das Thermometer nicht unter 20 Grad sinkt – die sogenannten Tropennächte –, macht deutlich, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der besonders betroffenen Quartiere mit einer massiv höheren Hitzebelastung konfrontiert sind: Im Sommer 2019 kam es hier zu acht bis dreizehn Tropennächten, in anderen Teilen Berns zu bis zu fünf und in Zollikofen zu 3 Tropennächten. «Der Wärmeinsel-Effekt zeigt sich nicht überall gleich stark», erklärt Moritz Burger, «denn in Stadtquartieren, die von lokalen Kaltluftströmen oder ausgeprägten Grünflächen profitieren, liegt die Zahl der Tropennächte zum Teil gar tiefer als ausserhalb der Stadt.»

Zusätzliche Messkampagnen sind wichtig, weil die Temperaturen von Sommer zu Sommer stark schwanken können. Der Sommer 2019 etwa war von zwei rekordverdächtigen Hitzewellen geprägt. Der Sommer 2020 fiel kühler aus.

Hitzewellen stellen eine ernsthafte Bedrohung für die menschliche Gesundheit dar. Insbesondere ältere Menschen, Säuglinge und chronisch Kranke leiden unter den körperlichen Auswirkungen von Hitzestress, die von Herz-Kreislauf-Problemen über Dehydrierung bis zum Tod reichen. Besonders belastend für die Gesundheit ist die Kombination aus Hitzetagen (an denen es tagsüber heisser als 30 Grad wird) und Tropennächten, da die wichtige Erholungsphase des Körpers während der Nacht beeinträchtigt wird. Diese Kombination tritt in urbanen Gebieten aufgrund des städtischen Wärmeinseleffekts deutlich häufiger auf als im ländlichen Umland, womit auch die gesundheitlichen Risiken in der Stadt grösser sind.

Anzahl Tropennächte (Tmin ≥ 20 °C) an den Messstandorten inner- und ausserhalb der Stadt Bern während des Sommers 2018. Quelle: Gubler, 2019
Anzahl Tropennächte (Tmin ≥ 20 °C) an den Messstandorten inner- und ausserhalb der Stadt Bern während des Sommers 2018. Quelle: Gubler, 2019

Klimaszenarien unterschätzen Hitze in den Städten

Die neuen Berner Temperaturdaten sind nicht zuletzt mit Blick auf das künftige Klima der Schweiz von Bedeutung. Da es bisher an hochaufgelösten Messreihen zum urbanen Klima fehlte – die Messstation von MeteoSchweiz für die Stadt Bern etwa befindet sich ausserhalb, nämlich in Zollikofen – zeigen die Klimaszenarien möglicherweise ein beschönigendes Bild des künftigen Klimas in Städten. Werden keine Klimaschutzmassnahmen ergriffen, sind in Zollikofen gegen Ende des Jahrhunderts im Schnitt «nur» acht bis zehn Tropennächte zu erwarten. Ganz anders könnte sich die Lage allerdings in der Berner Innenstadt präsentieren: Zieht man die bereits heute messbaren Unterschiede zwischen den diversen Standorten ein, zeigen die Modellierungen für die am stärksten von der Hitze betroffenen Quartiere Ende des Jahrhunderts rund 30 bis 45 Tropennächte. «Das sind Verhältnisse», gibt Moritz Burger zu bedenken, «wie wir sie heute in Südeuropa kennen.»

 

uniaktuell-Serie zum Projekt «Urban Climate Bern»

Uniaktuell begleitet in den kommenden Monaten in einer Serie von Beiträgen das Projekt «Urban Climate Bern». In der nächsten Folge geht es um den Einsatz der im Forschungsprojekt gewonnen Daten und Erkenntnisse in der Praxis.

Oeschger-Zentrum für Klimaforschung

Das Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR) ist eines der strategischen Zentren der Universität Bern. Es bringt Forscherinnen und Forscher aus 14 Instituten und vier Fakultäten zusammen. Das OCCR forscht interdisziplinär an vorderster Front der Klimawissenschaften. Das Oeschger-Zentrum wurde 2007 gegründet und trägt den Namen von Hans Oeschger (1927-1998), einem Pionier der modernen Klimaforschung, der in Bern tätig war.

Über den Autor

Kaspar Meuli ist Journalist und PR-Berater. Er ist verantwortlich für die Kommunikation des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung.

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