Mit Verzögerung auf dem Weg zum Glück
In zwei Seminaren haben Studierende und Dozentinnen des Instituts für Kunstgeschichte an der Universität Bern die Ausstellung «Der Weg zum Glück» erarbeitet, die nun im Kunstmuseum Bern zu sehen ist. Eine grosse Herausforderung, auf welche die Beteiligten stolz sein dürfen.
Vor gut zwei Jahren entstand die Idee einer Zusammenarbeit zwischen dem Kunstmuseum Bern und der Abteilung Neuzeit des Instituts für Kunstgeschichte. Die Direktorin des Kunstmuseums, Nina Zimmer, lud Prof. Urte Krass und Dr. Annette Kranen, mit den Beständen alter Kunst zu arbeiten. Gemeinsam entwickelten sie das ambitionierte Vorhaben, in einem Seminar mit Studierenden eine Ausstellung zu kuratieren. Mit Erfolg: Das Seminar konnte im Herbstsemester 2019 durchgeführt werden und nebst den Studierenden, die ihren Bachelor in Kunstgeschichte an der Universität Bern machen, konnten auch Studierende der Kunstvermittlung der Hochschule der Künste Bern das Seminar im Rahmen ihrer kunsthistorischen und kunstwissenschaftlichen Ausbildung besuchen.
Eine dieser Studierenden war Seraina Grupp. Sie hat sich schon immer für Kunst interessiert, daher war ein Studium für Kunstvermittlung naheliegend. Neben ihrem Studium arbeitet die Studentin zudem im Kunsthaus Grenchen. «Zuerst war ich als Aufsicht tätig, seit einem Jahr bin ich Kunstvermittlerin und leite Workshops», sagt sie. Im Rahmen ihres Studiums hatte sie bereits Vorlesungen und Seminare der Dozentinnen besucht sowie eine Exkursion nach Lissabon mitgemacht. «Als ich vom Seminar «Der Weg des Menschen zum Glück oder Erforschen – Präsentieren – Vermitteln. Die Berner Kebes-Tafel. Ein Ausstellungsprojekt in Kollaboration mit dem Kunstmuseum Bern» erfahren habe, musste ich mich gleich anmelden», erzählt Seraina Grupp. «Ich hatte schon immer ein Interesse für die Institution Museum, und da mir Kunstvermittlung ein Anliegen war, hat sich das Seminar geradezu angeboten.»
Viel Wissen, viele Ideen, wenig Vorgaben
Im Seminar haben Annette Kranen und Urte Krass die Studierenden Kenntnisse zur Entstehungszeit der Kebes-Tafel erarbeiten lassen. Dadurch konnten die Studierenden die Tafel einordnen und den Kontext für die Ausstellung erschliessen. Aufbau und Motiv der Berner Kebes-Tafel von Joseph Plepp (1633) gehen übrigens auf einen Text der Antike zurück; das Bild zeigt den Weg des Menschen zu einem glücklichen Leben.
Die Studierenden waren in diesem Seminar doppelt gefordert: Sie mussten sich Wissen rund um die Berner Kebes-Tafel aneignen und lernen, wie dieses Wissen durch eine Ausstellung vermittelt werden kann. Nebst der Berner Kebes-Tafel sollte die Ausstellung auch weitere Bilder des Kunstmuseums Bern enthalten, dabei wurde jeder und jede Studierende quasi zum Experten für ein weiteres Werk. In diesem Zusammenhang besuchten die Studierenden das Depot des Kunstmuseums. «Nur ein sehr kleiner Anteil der Sammlung des Kunstmuseums Bern wird wirklich ausgestellt, der Rest der Sammlung befindet sich im Depot, das gut berndeutsch «vollgestopft» ist. Das war sehr eindrücklich», beschreibt Seraina Grupp den Besuch.
Nebst der inhaltlichen Struktur der Räume und der Hängung der Werke erarbeiteten die Studierenden weitere Aspekte zur Ausstellung wie Öffentlichkeitsarbeit, Organisation, Infrastruktur und Vermittlung. Dabei entstanden Konzepte für Workshops und Führungen, thematische Dialoge oder ein Audio-Rundgang. Seraina Grupp hat an einem Vermittlungskonzept mitgearbeitet: «Wir haben vorgesehen, das Atelier des Kunstmuseums zu verwenden, beispielsweise mit einem Kochangebot oder Hüte basteln.» Von den Dozentinnen erhielten die Studierenden Unterstützung und Lob: «Den kreativen Teil – das Entwickeln von Ideen und Konzepten für die Ausstellung und für die Vermittlung – haben die Studierenden gut gemeistert. Nicht so leicht fiel es den Studierenden, mit den Freiheiten umzugehen, die wir ihnen im Seminar gelassen haben, damit sie selbstständig und eigenverantwortlich Inhalte erarbeiten und Konzepte entwerfen konnten», sagt Urte Krass.
Die Pandemie als Chance für die Ausstellung
Ursprünglich hätte die Ausstellung im Herbst 2020 stattfinden sollen. Die pandemiebedingte Verschiebung eröffnete den Dozentinnen aber die Möglichkeit, in einem weiteren Seminar mit anderen Studierenden die Ausstellung zu ergänzen. Im Frühlingssemester 2021 konnten die Teilnehmenden des Seminars «Berner Barock im Museum» sich auf das bestehende Ausstellungskonzept und die Auswahl an Bildern stützen. Der Schwerpunkt lag im zweiten Seminar auf dem Schreiben von Texten für einen Ausstellungskatalog. Die Studierenden konnten sich so intensiv auf die Arbeit an einzelnen Werken konzentrieren.
Am 2. September 2021 war es dann so weit: Die Ausstellung «Der Weg zum Glück. Die Berner Kebes-Tafel und die Bilderwelten des Barock» wurde im Kunstmuseum Bern unter Berücksichtigung der geltenden Vorschriften eröffnet. Zeitgleich wurde auch der Ausstellungskatalog auf BOP Books, der Open-Access-Plattform der Universitätsbibliothek, veröffentlicht. Dort ist er gratis verfügbar.
Annette Kranen äussert sich erfreut über die Eröffnung: «Es ist toll, die fertige Ausstellung im Kunstmuseum Bern nun zu betrachten. Einer der aufregendsten Momente war, als wir in die Räume traten und alle Werke bereits vorhanden, aber noch nicht gehängt waren.»
Auch Seraina Grupp ist von der Ausstellung angetan. Nach ihrem Besuch meint sie: «Die Verzögerung hat der Ausstellung in Punkto Finesse wirklich gutgetan. Der Katalog zur Ausstellung ist eine wunderbare Ergänzung. Es war für mich ein Highlight mitzuerleben, wie eine solche Ausstellung entwickelt wird.» Seraina Grupp ist froh, dass sie die Ausstellung vor ihrem Auslandsemester noch sehen konnte. Für sie startet das Masterstudium in Kopenhagen. Doch zuvor schöpft sie noch aus dem Wissen, dass sie sich auch im Seminar von Annette Kranen und Urte Krass angeeignet hat: «Ich bin gerade dabei eine andere Ausstellung mitzugestalten», verrät sie.
AUSSTELLUNG IM KUNSTMUSEUM BERN
Das Institut für Kunstgeschichte hat in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Bern eine Ausstellung zur Berner-Kebes-Tafel kuratiert. «Der Weg zum Glück. Die Berner Kebes-Tafel und die Bilderwelten des Barock» ist vom 3. September 2021 bis 28. November 2021 zu sehen. Im Zentrum der Ausstellung steht die Berner Kebes-Tafel von Joseph Plepp (1633), ein monumentales Gemälde aus den Beständen des Kunstmuseums Bern. Aufbau und Motiv des vielfigurigen Werkes gehen auf einen Text der Antike zurück, der ein rätselhaftes Weihebild in einem Kronos-Heiligtum beschreibt: Dargestellt ist der Weg des Menschen zu einem glücklichen Leben. In Szene gesetzt werden die Tafel und eine Auswahl von weiteren Werken durch Studierende des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Bern, die sich im Rahmen eines Seminars mit der Erforschung, Kontextualisierung, Präsentation und Vermittlung der Kebes-Tafel auseinandersetzten.
KATALOG ZUR AUSSTELLUNG IM OPEN ACCESS
Begleitend zur Ausstellung haben die Studierenden des Instituts für Kunstgeschichte im Frühlingssemester 2021 einen Katalog erarbeitet, der nun auf BOP Books, der Open-Access-Plattform der Universitätsbibliothek, online kostenlos verfügbar ist. Der Ausstellungskatalog versammelt neben zwanzig Katalognummern und einer Einführung zur Berner Kebes-Tafel vier Essays, welche die Themenfelder der frühen Kebes-Rezeption, der Metapher des Lebensweges, der Rolle der Fortuna und der Selbstinszenierung zweier Berner Künstler im 17. Jahrhundert vertiefen.
ZUR AUTORIN
Barbara Gnägi ist Social Media Managerin und Verantwortliche für das Themengebiet «Unileben » in der Abteilung Kommunikation & Marketing an der Universität Bern.