«So erreichen wir mehr Menschen im Globalen Süden»

Seit 2018 beheimatet die Universität Bern am Zentrum für universitäre Weiterbildung ZUW das international führende Weiterbildungsprogramm für Evaluation IPDET. Dank einer Finanzierungsvergabe (Grant) der Weltbank kann IPDET nun ausgebaut werden, wie Programmleiterin Stefanie Krapp im Interview ausführt.

Interview: Barbara Spycher 23. Dezember 2021

Dr. Stefanie Krapp ist Leiterin des Bereichs Evaluation am ZUW und Head of the International Program for Development Evaluation Training (IPDET). © Alexander Egger
Welche Bedeutung hat der Weltbank-Grant für das IPDET-Programm?

Eine enorm grosse! Er gibt uns die finanziellen Möglichkeiten, im Globalen Süden gemeinsam mit lokalen Partnern Aktivitäten zu realisieren, die wir sonst nicht umsetzen könnten. Seit 2018 organisieren wir ja jeden Sommer in Bern eine dreiwöchige Sommeruni, das Herzstück unseres Programms, an dem Evaluatoren, Auftraggeberinnen oder Entscheidungsträger aus der ganzen Welt teilnehmen. Das müssen und können wir über Teilnehmerbeiträge finanzieren. Doch wir wollen dezentraler und virtueller werden, um mehr Menschen in Ländern des Globalen Südens zu erreichen. Das lässt sich nicht über Teilnehmerbeiträge finanzieren. Dieser Grant in der Höhe von 1,5 Millionen US-Dollar für die Jahre 2021 bis 2023 – mit der Aussicht auf 0,6 Millionen für ein weiteres Jahr – gibt uns nun die finanzielle Sicherheit, unsere Pläne umsetzen zu können.

Wie können Sie Ihre Angebote denn nun ausbauen?

Einerseits mit einem Online-Standardprogramm zu den drängendsten Fragen von Praktikerinnen und Praktikern. So können Interessierte aus der ganzen Welt beispielsweise an einem einwöchigen Zoom-Kurs zu Wirkungsevaluation teilnehmen. Zudem ermöglichen wir der internationalen IPDET-Evaluierungs-Community, die aus rund 4’000 Alumni besteht, sich auch virtuell auszutauschen und zu vernetzen. Wir möchten auch Lösungen für aktuelle Herausforderungen anbieten, etwa mit einem erweiterten Mentoringprogramm, das jungen Evaluatorinnen und Evaluatoren den Einstieg in die Praxis ermöglicht. Und vor allem wollen wir Trainings in allen Regionen der Welt durchführen: bedarfsspezifisch, online, vor Ort oder kombiniert als Blended Learning.

Zum Beispiel?

Kürzlich haben wir dank Grant-Geldern mit Parlamentarierinnen und deren wissenschaftlichen Mitarbeitern aus Ländern des Südpazifik die Weiterbildung «Better Policymaking through evaluations» durchgeführt. Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind auf Evaluationen angewiesen, um gute Entscheidungen zu fällen und ihre Kontrollfunktion auszuüben. Und sie können Evaluationen in Auftrag geben. Weil ihnen selber oft die Zeit dazu fehlt und sie ihre Funktion nur eine begrenzte Zeit ausüben, haben wir auch ihre wissenschaftlichen Mitarbeitenden einbezogen. Rund 80 Personen haben im Herbst an sechs interaktiven Online-Kursen teilgenommen, 2022 ist eine Veranstaltung vor Ort, in Sri Lanka, geplant. All das haben wir in Partnerschaft mit der Asian Pacific Evaluation Association und dem Global Parliamentarian Forum for Evaluation organisiert. Wir suchen immer lokale Partner.

Kann dank grösserer finanzieller Sicherheit u.a. Trainings in allen Regionen der Welt durchführen: das international führende Weiterbildungsprogramm für Evaluation in der Entwicklungszusammenarbeit IPDET mit Sitz an der Universität Bern. © IPDET
Kann dank grösserer finanzieller Sicherheit u.a. Trainings in allen Regionen der Welt durchführen: das international führende Weiterbildungsprogramm für Evaluation in der Entwicklungszusammenarbeit IPDET mit Sitz an der Universität Bern. © IPDET
Was ist das übergeordnete Ziel der Weltbank hinter IPDET?

Mit der Gründung von IPDET wollte die Weltbank insbesondere in Ländern des Globalen Südens Evaluierungskapazitäten aufbauen, damit diese selbst ihre Sozialprogramme bewerten und auf dieser Basis bessere Programme zum Wohle der Menschen entwickeln. Heute verfolgt die Weltbank mit Programmen wie IPDET das Ziel, dass die einzelnen Staaten nationale Monitoring- und Evaluationssysteme aufbauen. Evaluationen sollen häufiger durchgeführt und genutzt werden und einen höheren Stellenwert bekommen. Wenn beispielsweise in einem afrikanischen Staat viele Ressourcen in ein Gesundheitsprojekt gegen Säuglingssterblichkeit fliessen, muss dessen Wirksamkeit überprüft und bewertet werden. Ich bin überzeugt, dass wir mit unseren neuen, bedarfsspezifischen Angeboten ganz anders in die einzelnen Länder ausstrahlen und viel mehr Personen ansprechen können. Mit diesem Anspruch, die Angebote laufend den Anforderungen und Bedürfnissen entsprechend weiterzuentwickeln, konnten wir IPDET 2018 auch nach Bern holen.

Was war nötig, um jetzt diesen Grant zu bekommen?

Hintergrund ist, dass die Weltbank die Finanzierung ihrer Evaluierungsprogramme neu aufgestellt hat. Geberorganisationen speisen Geld in einen Trust Fund, aus dem Massnahmen, die sich nicht über Teilnehmerbeiträge finanzieren, via Grants unterstützt werden können. IPDET steht somit in Konkurrenz zu anderen Weltbank-Programmen. Wir mussten ein sehr aufwändiges Ausschreibungsverfahren bewältigen, bei dem uns der Rechtsdienst, die Finanzabteilung und das Grant Office der Universität Bern tatkräftig unter die Arme gegriffen haben. Inhaltlich mussten wir Rechenschaft darüber ablegen, dass wir seit 2018 wirksame Arbeit leisten. Dabei kam uns unter anderem zugute, dass wir pandemiebedingt schneller als geplant ein innovatives, virtuelles Programm auf die Beine gestellt hatten.

Welchen Stellenwert hat der Weltbank-Grant für die Universität Bern?

Eines der strategischen Ziele der Universität Bern ist eine stärkere Internationalisierung, und von daher hat dieser Weltbank-Grant einen hohen Stellenwert. Auch die Tatsache, dass das Zentrum für universitäre Weiterbildung ZUW der Standort ist für ein international renommiertes Programm, für das jedes Jahr viele Expertinnen und Entscheidungsträger zu uns kommen, strahlt in die Welt hinaus.

Was macht IPDET weltweit so einzigartig?

Seit der Gründung vor zwanzig Jahren hat sich das Programm im Bereich Evaluation einen sehr guten Ruf erarbeitet. Wer etwas auf sich hält, versucht teilzunehmen. Das hängt ganz fest mit dem weltweit einmaligen Sommeranlass zusammen, an dem die unterschiedlichsten Perspektiven aufeinandertreffen: Menschen aus aller Welt, aus Ministerien, Entwicklungsbanken, NGO, Universitäten oder Beratungsunternehmen des Privatsektors, in ganz unterschiedlichen Positionen. Sie alle diskutieren zusammen und lernen voneinander. Es kommt vor, dass in unserem Sommertraining ein Praktiker zum ersten Mal die Perspektive der Auftraggeberin hört.

Über IPDET - INTERNATIONAL PROGRAM FOR DEVELOPMENT EVALUATION TRAINING)

IPDET ist das weltweit führende Weiterbildungsprogramm für die Evaluation in der Entwicklungszusammenarbeit. Es wurde von der Weltbank initiiert und war von 2001 bis 2016 an der Carleton University in Ottawa, Kanada, angesiedelt. 2017 suchte die Weltbank einen neuen Durchführungspartner. In einem internationalen Auswahlverfahren hat sich die Universität Bern (Bereich Evaluation des ZUW) in Kooperation mit dem Centrum für Evaluation CEval der Universität Saarland gegenüber 40 Mitbewerbenden durchgesetzt. IPDET stellt Managerinnen und Managern, Praktikerinnen und Praktikern die Werkzeuge zur Verfügung, um Entwicklungsstrategien, -programme und -projekte auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene zu evaluieren. Das Weiterbildungsangebot richtet sich an Entwicklungsprofis, die Evaluationen durchführen, in Auftrag geben, managen oder nutzen. Die Teilnehmenden kommen aus Ministerien oder Behörden in Entwicklungsländern, Entwicklungsbanken, dem Non-Profit- und Stiftungssektor, dem System der Vereinten Nationen sowie aus bilateralen Entwicklungsagenturen, Universitäten, Think Tanks und auf Entwicklungsevaluierung spezialisierten Beratungsunternehmen des Privatsektors.

ZUR PERSON

Dr. Stefanie Krapp ist Leiterin des Bereichs Evaluation am ZUW und Head of the International Program for Development Evaluation Training (IPDET).

Zur Autorin

Barbara Spycher ist freie Journalistin BR.

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