Das Lächeln des Sohnes und der Anruf der NASA

Der Weltraumforscher Andreas Riedo möchte auf den Eismonden des Saturns Spuren von Leben nachweisen. Die Wahrscheinlichkeit besteht, dass er das ambitionierte Ziel innerhalb seiner beruflichen Laufbahn nicht selbst erreichen wird. Deswegen gehört zu seiner Forschungsarbeit immer auch die Nachwuchsförderung.

Text: Bettina Hägeli 28. Oktober 2022

Andreas Riedo möchte auf den Eismonden des Saturns Leben nachweisen.
Andreas Riedo möchte auf den Eismonden des Saturns Leben nachweisen. © Universität Bern, Bild: Dres Hubacher

Bei Andreas Riedo tickt die Zeit anders. An keiner Wand in seinem Büro ist eine Uhr angebracht. Der Weltraumforscher nutzt zwar die Gunst der Stunde, plant jedoch auf Jahre hinaus. Er kennt die beschränkten Zeitfenster genauestens, in denen er die von ihm und seinem Team entwickelten Instrumente auf eine Mission schicken kann. Während die Geräte dann oft jahrelang bis zu ihrem Forschungsziel reisen, heckt er bereits das nächste Projekt aus und muss Förderer und Politikerinnen von den kommenden Forschungsschritten überzeugen. Und dennoch plant Riedo viel Zeit für unser Gespräch ein. Er schätze den Kontakt zu seinen Mitmenschen, sei es zu einem Bachelorstudenten, einer Wissenschaftlerin, seiner jungen Familie oder zu seinen Freunden. Während er bei seiner Arbeit weit in die Zukunft denken muss, holen ihn solche zwischenmenschlichen Begegnungen zurück in den Moment.

Auf die Frage, wie er seinem Kind seine Arbeit beschreiben würde, meint Riedo, dass er am Abend zum Himmel zeigen würde. «Ich würde zum Kind sagen: Schau zum Mond! Wenn ich arbeite, mache ich Geräte, die auf der Mondoberfläche messen, woraus die Steine oder Staubkörner zusammengesetzt sind.» Und er fügt an, dass Kinder eine grosse Vorstellungskraft hätten und Komplexes manchmal leicht verstünden. So wie er, der als Kind ein selbst angefertigtes Sonnensystemmodell aus Holz an der Zimmerdecke hängen hatte.

Grenzen sind da, um sie zu überwinden

Riedo ist seit 2009 im Bereich Weltraumforschung und Planetenerkundung tätig. Seine Arbeit beinhaltet die Konzeption, Entwicklung und Qualifizierung von Weltrauminstrumenten.

Sein interdisziplinäres Forschungsteam besteht aus spezialisierten Fachkräften aus der Biologie, Chemie, Physik, Mechanik und Elektronik. Mit ihnen entwickelt er im bestens ausgerüsteten Labor am Physikalischen Institut der Universität Bern Messgeräte, die auf den Eismonden des Saturns oder Jupiters Spuren von Leben nachweisen sollen. Bis jetzt gibt es bloss Vermutungen über Leben ausserhalb der Erde, Nachweise gibt es noch keine. Wasserfontänen aus Eisspalten auf den Eismonden zeigen jedoch, dass sich unter deren kilometerdicken Eisschalen Wasser befindet. Nun gilt es, in diesem Wasser nach primitiven Lebensformen wie Mikroben zu suchen. Damit hat sich der 38-Jährige ein ambitioniertes Ziel gesteckt.

«Unsere Weltanschauung würde sich fundamental ändern, wenn wir wüssten, dass es ausserhalb der Erde noch anderes Leben gibt. Wir wüssten dann, dass das Leben hier auf Erden nicht einzigartig ist.» Die Naturwissenschaft habe es an sich, dass sie immer weiterforschen müsse: Wir hätten entdeckt, dass die Erde rund sei und dass mehrere Planeten unsere Sonne umkreisten, und seien auf dem Mond und mit unseren Geräten sogar schon auf dem Mars gelandet. Die heutige Technologie erlaube dies alles. «Ich sehe meine Aufgabe als Wissenschaftler darin, noch weitere Grenzen zu überwinden. Ich setze dort an, wo wir meinen, nicht mehr weiterzukommen.» Riedo erklärt, dass er auf den Saturn- und Jupitermonden nach Spuren von Leben suche, das wir bereits kennen. Er sucht spezifisch nach organischen Molekülen, wie zum Beispiel Lipiden oder Aminosäuren, die indirekt auf Leben hindeuten. «Aber wer weiss, vielleicht messen wir bereits Spuren von anderen Lebensformen, die wir noch nicht kennen.» Eine verblüffende Aussage, die auf spannende Erkenntnisse hoffen lässt.

Erfolg ist Wertschätzung

Im Gymnasium erzielte der im Kanton Freiburg Aufgewachsene in den Fächern Physik und Mathematik Bestnoten. Was er an der Universität Bern studieren wollte, war somit klar: Physik. Die Weltraumforschung in Bern ist ein international hochanerkanntes und wichtiges europäisches Zentrum, für Riedo lag die Entscheidung, an der Universität Bern zu bleiben, also nahe. Schritt für Schritt wuchs er in die universitären Strukturen hinein, aufgrund seiner Leistungen oftmals auf Einladung. Diesen Herbst wird er seine Habilitation verteidigen. «Im Rückblick habe ich manchmal das Gefühl, dass ich meine jungen Jahre verpasst habe.» Während seine Freunde ausgingen, war er oft im Labor. Doch er hatte Glück, seine Familie und seine Freunde förderten ihn immer und akzeptierten seine Interessen. «Erfolgserlebnisse sind für mich jene Momente, wenn ich von meinen Mitmenschen eine Form von Wertschätzung bekomme.» So bedeutet ihm ein Lächeln seines kleinen Sohnes am Abend, wenn er nach Hause kommt, ebenso viel wie ein Anruf der NASA, die sich für sein Messinstrument interessiert.

Weltraumforscher Andreas Riedo ist überzeugt, dass es auch in der Wissenschaft mehr Mut zum Fehlermachen braucht.
Weltraumforscher Andreas Riedo ist überzeugt, dass es auch in der Wissenschaft mehr Mut zum Fehlermachen braucht. © Universität Bern, Bild: Dres Hubacher

Riedo hat gleichzeitig den Anspruch an sich selbst, dass diese Anerkennung umgekehrt erfolgt: Seine Forschung wäre ohne sein Team nicht möglich. Er arbeitet mit Spezialisten aus unterschiedlichen Fachgebieten zusammen und beobachtet ihre Arbeit mit Bewunderung: «Es ist sagenhaft, mitanzusehen, wie die Mechaniker komplizierte Instrumententeile akribisch genau und mit Stolz herstellen.» Erst mit den Jahren hat er festgestellt, dass er Handgearbeitetes schätzt. Könnte er nochmals in die jugendliche Berufsfindung zurückreisen, würde er sich viel- leicht für eine Ausbildung zum Polymechaniker oder Schreiner entscheiden. Doch heute ist er Weltraumforscher mit Haut und Haaren. «Ich bin hier am richtigen Ort», sagt Riedo, der erfüllt ist von seiner Arbeit, die gleichzeitig auch sein Hobby ist.

Viel Geld, das optimal zu nutzen ist

Die Nachwuchsförderung ist in der Weltraumforschung unabdingbar. «Manchmal kommt es vor, dass eine Bachelorstudentin in ihrer Abschlussarbeit ein wichtiges Element für meine Forschung beisteuert», so Riedo. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auf seinem Gebiet verstünden sich immer in der Generationenabfolge. «Wenn wir ein Instrument für eine Weltraummission entwickeln, kann es bis zehn Jahre dauern, bis es hergestellt ist. Wenn es dann auf die Mission geht, zum Beispiel zu den Jupiter- oder Saturnmonden, reist es acht bis zehn Jahre bis zu seinem Ziel im Weltall. Jetzt bin ich an einem Projekt, bei dem, wenn alles glatt läuft, ich schon über 50 Jahre alt sein werde, bis die ersten Messdaten auf der Erde ankommen.» Bei weiteren Projekten müsse er schon fast bis zu seiner Pension denken. Es stellt sich somit früh die Frage, wer seine Forschung weiterführen wird. Dafür braucht es ein Team, das nachwächst. Nur so funktioniert die Wissenschaft auf seinem Gebiet.

Grössere Weltraummissionen könnten schnell über eine Milliarde Franken kosten, deswegen sei ein weitsichtiger und verantwortungsvoller Umgang mit den finanziellen Mitteln zwingend, so Riedo, und er fügt an: «Ich finde, in den naturwissenschaftlichen Disziplinen müsste die Haltung zu Negativergebnissen verbessert werden.» Auch Sackgassen müssten publiziert werden. Andere sollen nicht die gleichen Fehler machen und dafür unnötig Fördergelder beanspruchen. «In unseren Gebieten zählen leider nur Erfolge. Gefragt sind oft geradlinige Laufbahnen. Das ist aber so nicht korrekt.» Ein negativer Bericht auf ein Gesuch motiviere schliesslich dazu, den Forschungsansatz zu verbessern. Genau so ist es Riedo ergangen, als er beim zweiten Anlauf das hoch kompetitive Marie-Skłodowska-Curie- Stipendium erhielt, das ihm den Forschungsaufenthalt im niederländischen Leiden ermöglichte. Ausserdem, findet Riedo, widerspiegle dieses Erfolgsdenken nicht unser Dasein. Denn in den Naturwissenschaften werde durchaus auch die Ansicht vertreten, dass das Leben durch einen Zufall entstanden sein könnte. Und mit einem interessanten Satz schliesst Riedo das Zeitfenster für unser Gespräch: «Dieser Gedanke, dass wir vielleicht durch Zufall entstanden sind, stärkt doch den Mut zum Fehlermachen ungemein.»

Über Andreas Riedo

Dr. Andreas Riedo forscht am Physikalischen Institut der Universität Bern im Bereich Weltraumforschung und Planetologie. Er konzipiert und entwickelt Weltrauminstrumente, um sie auf NASA- oder ESA-Missionen zu schicken.

Kontakt: andreas.riedo@unibe.ch

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