Ein unerwartet positives Experiment
Felix Baier ist einer von vier Venture Fellows des Innovation Office der Universität Bern. Der überraschende Ausgang eines Experimentes macht ihn zum angehenden Start-up-Unternehmer. Sein Ziel ist die Entwicklung eines neuartigen Medikamentes für gewisse Lebererkrankungen.
Worum geht es bei dem Projekt, für das Sie den Venture Fellowship bekommen haben?Felix Baier: Seit einigen Jahren forsche ich auf dem Gebiet von Leberkrankheiten, im Besonderen im Bereich der Lebercholestase hier an der Universität Bern. Cholestase bedeutet, dass der Abfluss der Galle aus der Leber gestört ist. Die Leber produziert etwa 800 Milliliter Galle am Tag. Die Galle wird in den Darm abgeführt und hilft bei der Verdauung.
Es gibt verschiedene Ursachen für eine gestörte Gallenzirkulation. Das können virale oder genetische Krankheiten sein, aber auch mechanische Ursachen, wie Tumore oder Gallensteine. Bei meinen Untersuchungen habe ich eine Entdeckung gemacht, die wir nun kommerzialisieren wollen. Damit liesse sich eine Lücke auf dem Behandlungsmarkt schliessen. Dies wäre insbesondere von Wert, um das transplantationsfreie Überleben der Patientinnen und Patienten zu verlängern und ihre Lebensqualität zu verbessern.
Was ist das für eine Entdeckung?Durch Ausschalten eines bestimmten in der Leber vorkommenden Proteins konnten wir im Cholestase-Mausmodel den Gewebeschaden deutlich reduzieren. Das war ein überraschendes Ergebnis, wir rechneten mit dem Gegenteil. Es zeigte sich jedoch, dass die Galle weniger toxische Gallensalze enthielt und dass der Gallenfluss erhöht wurde. Wir haben den Wert einer translationalen Weiterentwicklung gesehen und uns darum dazu entschieden, die Resultate nicht zu veröffentlichen, was mir als Akademiker schwergefallen ist. Mittlerweile haben wir ein Patent beim europäischen Patenthof eingereicht.
Wie läuft eine solche Patentierung ab?In einem ersten Schritt wird eine Patentrecherche gemacht. Es wird also geschaut, ob die Idee neu ist oder ob irgendwo auf der Welt jemand die gleiche Entdeckung bereits publik gemacht hat. Das wird zusammen mit der Unitectra und dem Institut für Geistiges Eigentum gemacht. Wir wissen nun, dass unsere Idee neu ist, was uns Sicherheit gibt. Wenn das getan wurde, reicht man seine Idee zusammen mit seinen unterstützenden Forschungsdaten beim Patentbüro ein. Diese machen ebenfalls nochmals eine Recherche und geben dann ihre Kommentare ab. Zusätzlich entscheiden sie, ob alle Technologien und Ideen, die wir eingereicht haben, auch geschützt werden können. Unitectra trägt alle Kosten, welche im Zusammenhang mit dem Patent anfallen, für die ersten dreissig Monate. Das ist eine grosse Hilfe insbesondere in der frühen Phase des Projekts. Da die Erfindung während der Forschung an der Universität Bern entstanden ist, hält die Universität den Grossteil der Patentrechte. Ein kleinerer Teil wird unter den Forschenden aufgeteilt.
Und wie kommt hier nun der Venture Fellowship ins Spiel?Der Venture Fellowship kam genau im richtigen Moment, um den Proof of Concept abzuschliessen, will heissen, um die Machbarkeit dieses Prinzips in Bezug auf die Entwicklung eines Medikaments zu zeigen. Damit sind wir nun fast fertig. Der Fellowship bedeutet dabei nicht nur eine finanzielle Unterstützung. Der Kontakt mit dem Innovation Office hat noch andere Vorteile: Zugang zu einem grossen Netzwerk und zu Coaching, und der Kontakt zu Expertinnen und Experten, welche den Entwicklungsprozess der Medikamentenentwicklung und Spin-off Gründung kennen. Zudem habe ich die Unterstützung des Labors der Forschungsgruppe von Professor Deborah Stroka an der Universität Bern, bei welcher ich als Wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeite.
Was sind die nächsten Schritte?Im kommenden Jahr wollen wir ein Innosuisse-Projekt einreichen. Damit können wir die Phase bis zur Gründung des Spin-offs überbrücken. Das sollte Anfang 2024 stattfinden. Nach der Gründung würden wir gerne ein zweites Innosuisse-Projekt mit unserem Biotech Spin-off als Umsetzungspartner starten. Zeitgleich gilt es dann Investoren zu finden, um die kostenintensiven Schritte bei der Medikamentenentwicklung finanzieren zu können.
Auf einer wissenschaftlichen Ebene ist der nächste Schritt, das, was im Mausmodell funktioniert hat, auf den Menschen zu übertragen und ein für den Menschen wirksames und sicheres Produkt zu entwickeln. Wenn alle regulatorischen und sicherheitsrelevanten Schritte getan sind, kann eine klinische Studie folgen. Das wird aber voraussichtlich erst in ein paar Jahren der Fall sein.
Warum haben Sie sich für diesen Weg und nicht für einen akademischen Weg entschieden?In der Grundlagenforschung wendet man sich häufig nach einer Publikation der Ergebnisse – zum Beispiel im Rahmen einer Dissertation – neuen und anderen Fragen zu. Ich finde es spannend, den Weg weiterzugehen und hoffentlich irgendwann den Erfolg meiner Grundlagenforschung bei den Patientinnen und Patienten sehen zu können. Die Horizonterweiterung mit all den verschiedenen Aufgaben, die ich auf diesem Weg bekomme, finde ich sehr spannend und herausfordernd.
Ich finde es schade, dass an vielen Unis sehr stark auf diesen rein akademischen Weg fokussiert wird. Der alternative Weg, seine Forschungsresultate in Zusammenarbeit mit der Universität wirtschaftlich umzusetzen, wurde zumindest während meiner Studienzeit nicht thematisiert. Mit dem neuen Innovation Office der Uni Bern und dem Schweizer Institut für translationale- und unternehmerische Medizin sitem-insel gibt es allerdings zwei hervorragende Institutionen, die genau das fördern.
Während meiner Forschungsarbeit lag die Option einer Unternehmensgründung allerdings nicht von Anfang an auf dem Tisch – sie entstand eher aus Zufall.
Zufall?Eigentlich habe ich bei dem Experiment wie gesagt ein genau gegenteiliges Resultat erwartet. Zuerst dachte ich, dass ein Fehler vorliegt. Erst, nachdem wir das Experiment mehrfach wiederholt und immer dasselbe positive Resultat erhalten haben, habe ich gespürt, dass ich da auf etwas Besonderes gestossen bin. Ich glaube, das erlebt man als Wissenschaftler nicht oft.
Wir hätten das Ganze dann auch zusammen mit einem Industriepartner umsetzen können, haben uns aber entschieden in die Vollen zu gehen und ein Spin-off zu gründen.
Haben Sie manchmal auch Angst vor dem Scheitern?Eigentlich nicht. Denn selbst wenn wir scheitern – und wir wissen: nur ein kleiner Prozentteil der Start-ups ist erfolgreich –, habe ich auf dem Weg bis dahin viel gelernt, was ich für andere Aktivitäten nutzen kann. Dieser Weg hat auch andere grosse Vorteile. Man bekommt ein breites Netzwerk und erarbeitet sich neue Fähigkeiten.
Felix Baier
Felix Baier wurde in Berlin geboren und studierte Biologie an der Universität Fribourg und promovierte anschliessend an der Universität Bern in Biomedizin. Sein Innovationsprojekt entstand während seiner Doktorarbeit und wird am Departement für Viszerale Chirurgie und Medizin weitergeführt.
ÜBER DAS UNIBE VENTURE FELLOWSHIP PROGRAMM
Das Innovation Office der Universität Bern bietet mit den UniBE Venture Fellowships ein eigenes Förderprogramm an. Dieses Programm unterstützt jedes Jahr zwei bis vier Jungforschende, die erste Schritte in Richtung Unternehmertum machen wollen und an der Universität Bern ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse in innovative Produkte und Dienstleistungen umsetzen möchten. Ziel der je mit bis zu 100'000 CHF dotierten Fellowships ist, die der Innovation zugrundliegende angewandte Forschung weiterzuführen, um die technische Machbarkeit (Proof-of-Concept) einer innovativen Lösung zu validieren und die Kommerzialisierung entsprechend vorzubereiten.
ÜBER DIE AUTORIN
Nicola von Greyerz arbeitet als Verantwortliche für gesamtuniversitäre Anlässe in der Abteilung Kommunikation & Marketing an der Universität Bern.
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