Von Nische zu Weltspitze: 100 Jahre Zahnmedizin Bern

Gegründet 1921 gegen Widerstände, zählen die Zahnmedizinischen Kliniken der Universität Bern (zmk) heute zu den renommiertesten Zentren weltweit. Hendrik Meyer-Lückel, Geschäftsführender Direktor der zmk, erzählt, was die Berner Zahnmedizin so einzigartig macht.

Interview: Katharina Wecker 08. September 2022

Behandlungssaal der Berner Zahnmedizin 1955. © zmk Bern
Behandlungssaal der Berner Zahnmedizin 1955. © zmk Bern
Die Zahnmedizin musste anfangs um ihre Anerkennung kämpfen. Warum?

Das war nicht nur in Bern ein Problem, sondern generell. Die Zahnmedizin galt lange als Handwerk. Operationen wurden durch die Chirurgie abgedeckt. Man hatte damals schlichtweg nicht die Notwendigkeit gesehen, ein eigenes Institut für Zahnmedizin zu gründen.

Heute sind die zmk prägend für den Medizinstandort Bern und gehören zu den weltweit führenden Institutionen der Zahnmedizin. Wie kam es dazu?

Die Professoren an der zmk haben sich schon in frühen Jahren international orientiert. Sie haben die Möglichkeit gesehen, sich über die Forschung zu qualifizieren und haben deswegen ihren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Raum gegeben, sich frei zu entfalten. Heute zählen wir zu den zehn besten zahnmedizinischen Zentren der Welt.

Prof. Dr. med. dent. Hendrik Meyer-Lückel, Geschäftsführender Direktor der Zahnmedizinischen Kliniken der Universität Bern. © zvg
Prof. Dr. med. dent. Hendrik Meyer-Lückel, Geschäftsführender Direktor der Zahnmedizinischen Kliniken der Universität Bern. © zvg
Eine Stärke der zmk ist die translationale Forschung. Was bedeutet das?

In einem praxisorientierten Fach wie der Zahnmedizin ist es wichtig, dass Forschungsergebnisse den Patientinnen und Patienten dienlich sind. Und das nicht erst in 100 Jahren, sondern vielleicht in zehn Jahren. Reine Forschung um der Forschung willen ist nicht das, was wir wollen. Trotzdem beginnt vieles im Labor und wird dann klinisch evaluiert, um schlussendlich auch mit Hilfe von Industriepartnern in ein Produkt zu münden, welches dem Wohle der Patienten und Patientinnen zugutekommt.

Galt bei seiner Eröffnung bereits als «state of the art»: das neue Gebäude der Zahnmedizin 1954. © zmk Bern
Können Sie Beispiele nennen, was in den zmk erforscht und an den Patientinnen und Patienten angewendet wird?

Die zmk sind vor allem bekannt für Innovationen in der Zahnerhaltung und der Implantattechnik. Aber auch alle anderen Bereiche der zmk haben für das Fach grosse Fortschritte erzielt. Das ist das Besondere der zmk, alle fünf Kliniken sind stark.

Aktuelles Behandlungszimmer der zmk Bern mit Mikroskop und Röntgen an der Dentaleinheit. © zmk
Aktuelles Behandlungszimmer der zmk Bern mit Mikroskop und Röntgen an der Dentaleinheit. © zmk
Was hat sich in den letzten 100 Jahren bei den zmk verändert, was ist gleich geblieben?

Im Prinzip haben sich die Aufgaben in Aus-, Weiter- und Fortbildung sowie Patientenbehandlung und Forschung während der gesamten letzten 100 Jahren nicht grundsätzlich geändert, wenn auch der Forschungsaspekt zusehends stärker geworden ist.

Eines der fünf zmk-Forschungslabore im Gebäude von sitem-insel, dem Schweizerischen Institut für Translationale Medizin und Unternehmertum. © zmk Bern
Eines der fünf zmk-Forschungslabore im Gebäude von sitem-insel, dem Schweizerischen Institut für Translationale Medizin und Unternehmertum. © zmk Bern
Wohin entwickelt sich die Zahnmedizin in Zukunft?

Die Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner von heute sind zwar weiterhin auch ein handwerklich versierte Praktikerinnen und Praktiker – die allgemeinmedizinischen und auch psychologischen Aspekte spielen aber eine zunehmende Rolle. Es gibt sicherlich viele Anknüpfungspunkte, die an den zmk bern bereits aktiv gelebt werden und die wir gerne weiter ausbauen möchten. Allerdings ist – aufgrund der einzigartigen Eigenschaften der Zähne – die Mehrheit der rein zahnbezogenen Befunde nach wie vor ein spezielles zahnärztliches Problem.

Unterricht in digitalen Techniken der Zahnmedizin. © zmk Bern
Unterricht in digitalen Techniken der Zahnmedizin. © zmk Bern
Wie bereiten sich die zmk auf die Zukunft vor?

Es ist wichtig, dass im Hause ein gutes Miteinander herrscht, damit man die Anforderungen der Zeit bewältigen kann. Doch auch die Finanzierung und eine maximale Entscheidungsfreiheit müssen gegeben sein. Es darf nicht die Hauptaufgabe sein, bürokratische Anforderungen zu erfüllen, und dies in einem Umfeld der stetigen finanziellen Schlechterstellung, wie dies leider andernorts vielfach zu beobachten ist.

Was können Sie aus der Geschichte der zmk lernen?

Bei allen sachbezogenen Diskussionen sollte man nicht vergessen, dass es eine gewisse Geisteshaltung braucht, um ein optimales Lern- und Arbeitsergebnis zu erzielen. Diese scheint hier anhaltend zu wirken, so dass wir auf weitere sehr gute Jahre für die zmk bern hoffen dürfen.

ÜBER HENDRIK MEYER-LÜCKEL

Prof. Dr. med. dent. Hendrik Meyer-Lückel ist Geschäftsführender Direktor der Zahnmedizinischen Kliniken der Universität Bern. 

Kontakt:

Prof. Dr. Hendrik Meyer-Lückel
Telefon: 031 632 25 70
E-Mail: hendrik.meyer-lueckel@unibe.ch

ÜBER DIE ZAHNMEDIZINISCHEN KLINIKEN BERN (ZMK)

Markenzeichen und oberstes Ziel der zmk bern sind Kompetenz und Qualität: Die Zufriedenheit und das Vertrauen der Patientinnen und Patienten sowie die hervorragende Ausbildung der Zahnärztinnen und Zahnärzte stehen dabei im Zentrum ihres Handelns. Eine grosse Bedeutung kommt auch der klinisch orientierten Forschung, der Weiterbildung von jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten und der Fortbildung der Kolleginnen und Kollegen in der Privatpraxis zu.

Die zmk bern wurden 1921 gegründet. Wegen der allseits bekannten Umstände findet die 100-Jahr-Feier erst dieses Jahr statt.

Über die Autorin

Katharina Wecker ist freie Journalistin und Texterin mit Sitz in Bern.

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