Aaron Roth: Pionier der fairen Algorithmen

Der höchstdotierte Preis der Universität Bern geht im Dezember 2023 an den US-amerikanischen Informatiker Aaron Roth. Seine Forschung zielt darauf ab, soziale Normen in Algorithmen einzubinden und die Privatsphäre besser zu schützen.

Text: Ivo Schmucki 23. November 2023

Aaron Roth, Informatikprofessor an der University of Pennsylvania, erhält am Dies academicus 2023 der Universität Bern den mit 100'000 Franken dotierten Hans-Sigrist-Preis. © Penn Engineering / Kevin Monko

«Es gibt Forschende, die sich lang bestehende Probleme vornehmen und sie einfach lösen. Aber dafür bin ich nicht schlau genug», sagt Aaron Roth. «Deshalb muss ich ein anderer Typ von Forscher sein. Ich versuche ein neues Problem zu definieren, an dem noch niemand gearbeitet hat, das aber interessant sein könnte.»

Aaron Roths Bescheidenheit mag dabei im Wege stehen, die Bedeutung seiner Leistungen zu verstehen. Aber ein Kern Wahrheit steckt dennoch darin. Denn als Aaron Roth sich vor rund 15 Jahren in seiner Doktorarbeit mit der sogenannten Differential Privacy (differenzieller Datenschutz) und einige Jahre später mit der Fairness von Algorithmen beschäftigte, waren Begriffe wie Künstliche Intelligenz und Machine Learning noch lange nicht so in unserem Alltag verankert, wie das heute der Fall ist. Aaron Roth war damit ein Pionier und legte den Grundstein für einen neuen Forschungszweig.

Vorurteile vermeiden und sensible Daten schützen

«Mich interessieren die realen Probleme. Themen wie Datenschutz werden immer wichtiger, weil immer mehr Daten über uns alle generiert und gesammelt werden», sagt Aaron Roth über seine Forschung beim traditionellen Preisträger-Interview mit der Hans-Sigrist-Stiftung. Seine Schwerpunkte sind algorithmische Fairness, differenzieller Datenschutz sowie deren Anwendungen im maschinellen Lernen und in der Datenanalyse.

Zur Person

Aaron Roth ist Professor für Informatik und Kognitionswissenschaften an der Universität von Pennsylvania. Seine Hauptinteressen liegen in den Bereichen Algorithmen und maschinelles Lernen, insbesondere in den Bereichen private Datenanalyse, Fairness beim maschinellen Lernen, Spieltheorie und Entwurf von Mechanismen sowie Lerntheorie.

Bei der algorithmischen Fairness geht es darum sicherzustellen, dass Algorithmen keine Voreingenommenheiten gegenüber bestimmten Personengruppen verstärken. Ein Beispiel: Ohne sorgfältiges Design könnte ein Algorithmus, der Bewerbungsdossiers für eine Stellenausschreibung bewertet, unbeabsichtigt Bewerberinnen und Bewerber aus bestimmten demografischen Gruppen bevorzugen, basierend auf historischen Daten, die frühere Vorurteile widerspiegeln.

«Seine herausragende Arbeit […] hilft damit sowohl Gesellschaften als auch Individuen, den Nutzen aus dem Einsatz von Data Science zu maximieren und gleichzeitig negative Begleiteffekte zu kontrollieren.»

Aus der Laudatio für Aaron Roth anlässlich der Verleihung des Hans-Sigrist-Preises am Dies academicus 2023

Der differenzielle Datenschutz ist eine mathematische Methode, die sicherstellt, dass bei der Analyse grosser Datensätze der Datenschutz gewahrt bleibt und dennoch nützliche allgemeine Informationen extrahiert werden können. Angenommen, man nimmt einen grossen Datensatz und führt eine bestimmte Analyse an diesem Datensatz zweimal durch: einmal mit den Daten einer Person X und einmal ohne diese Daten, dann «darf es keine statistische Methode geben, die zwischen diesen beiden Analysen unterscheiden kann», erklärt Aaron Roth. Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel Daten aus klinischen Studien so aggregieren, dass die Statistiken keine sensiblen Informationen über die Studienteilnehmenden preisgeben.

Ein Signal für die Universität Bern

«Es ist wichtig, dass diesen Themen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird», sagt die Mathematikprofessorin Christiane Tretter, Vorsitzende des diesjährigen Hans-Sigrist-Preis-Komitees. Viele Menschen würden Fairness und Algorithmen als zwei völlig verschiedene Pole wahrnehmen, die in unterschiedlichen Disziplinen angesiedelt sind und nicht miteinander vereinbar seien. «Es ist faszinierend, dass Aaron Roth mit seiner Arbeit zeigt, dass genau das Gegenteil der Fall ist.»

Christiane Tretter, Professorin am Mathematischen Institut der Universität Bern, ist in diesem Jahr Vorsitzende des Hans-Sigrist-Preis-Komitees. Bild: zvg.

Die Forschung von Aaron Roth im diesjährigen Preisgebiet «Data Science: the Power of the Human Mind for the Sake of Humankind» passe sehr gut zu den aktuellen Bestrebungen an der Universität Bern, die Digitalisierung interdisziplinär und als Teil der gesellschaftlichen Transformation anzugehen. Dazu gehörten etwa die Teilstrategie «Mensch in digitaler Transformation» der Strategie 2030 der Universität Bern oder die universitätsweite Bern Data Science Initiative BeDSI. «Wir wollen Projekte über Fakultätsgrenzen hinweg realisieren. Aaron Roth als Preisträger zu haben, sendet ein sehr gutes Signal in die Universität und darüber hinaus», so Christiane Tretter.

Vom Bewusstsein zur Handlung

Der erste Schritt, um die Analyse grosser Datensätze zu verbessern, sei das Problembewusstsein: «Wir müssen uns bewusst machen, dass Datenanalyse problematisch sein kann. Wenn wir uns darüber einig sind, können wir überlegen, wie wir die Probleme lösen können», sagt Aaron Roth.

Auf die Frage, wofür er das Preisgeld verwenden möchte, antwortet Aaron Roth: «Es ist wichtig, in diesem Bereich eine Forschungsgemeinschaft aufzubauen. Gelder von Stiftungen wie der Hans-Sigrist-Stiftung sind für mich besonders wertvoll, um dieses Ziel zu erreichen.»

MEDIENEINLADUNG HANS-SIGRIST-SYMPOSIUM 2023

Am Freitag, 1. Dezember 2023 findet an der Universität Bern das Hans-Sigrist-Symposium statt. Es vereint in diesem Jahr Fachleute der Datenwissenschaft aber auch aus der Psychologie und der Philosophie. Im Rahmen des Symposiums wird auch der diesjährige Hans-Sigrist-Preisträger geehrt: Der Informatik-Professor Aaron Roth von der University of Pennsylvania erhält den Preis im Bereich des Algorithmendesigns mit Berücksichtigung sozialer Aspekte.

HANS-SIGRIST-PREIS UND HANS-SIGRIST-SYMPOSIUM

Zu Beginn jedes akademischen Jahres wählt der Stiftungsrat ein Preisgebiet aus den eingereichten Vorschlägen der Fakultäten an der Universität Bern. Die Auszeichnung erfolgt in Anerkennung geleisteter Forschungsarbeiten und zur Unterstützung zukünftiger Forschungsvorhaben. Der Hans-Sigrist-Preis ist dotiert mit 100'000 Franken, um weitere Forschung im Preisgebiet anzuregen. Zwei der bisher mit dem Preis gewürdigten Forschenden haben in der Zwischenzeit einen Nobelpreis erhalten.

DIES ACADEMICUS 2023

Prof. Dr. Aaron Roth erhält den Hans-Sigrist-Preis am Dies academicus der Universität Bern, der dieses Jahr am Samstag, 2. Dezember 2023, im Casino Bern am Casinoplatz 1 in Bern stattfindet.

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