Aktiv für mehr Bewegung an Schulen

Ob Liegestütz-Challenge oder Superman-Partnerakrobatik: in ihrem Podcast «BougerBouger» mit dazugehörigem Instagram-Auftritt setzt sich eine Gruppe Sportstudierender für mehr Bewegung an der Schule ein.

Interview: Sylvia Löwe 19. Oktober 2023

Flurin Mühlemann und Luca Zubler sind die Mitgründer des Podcastprojekts «BougerBouger». Bild: zvg
Flurin Mühlemann und Luca Zubler sind die Mitgründer des Podcastprojekts «BougerBouger». Bild: zvg.
Ich treffe euch, Luca Zubler und Flurin Mühlemann, zwischen zwei Lehrveranstaltungen. Gemeinsam mit euren Kommilitonen Kevin Blunier und Matthias Friedli und den Kommilitoninnen Julia Hernandez und Claudine Kämpfen produziert ihr seit einem Jahr den Podcast «BougerBouger», was man als «BewegenBewegen» übersetzen kann. Wie kamt ihr auf die Idee?

Luca Zubler: Flurin und ich spielten vor dem Start bereits seit einiger Zeit mit dem Gedanken, einen Podcast im Bereich der Bewegungsförderung zu lancieren. Die konkrete Idee für «BougerBouger» entstand schliesslich im Februar 2022 im Rahmen eines Masterseminars an der Universität Bern. Obwohl wir nicht so viel Know-how im Bereich der Podcast-Produktion hatten, starteten wir – damals noch zu fünft – das Projekt. Mittlerweile sind wir ein Verein, bestehend aus sechs Sportstudierenden beziehungsweise Alumni, der vom Innovationslabor lab7x1 des Bundesamts für Sport (BASPO) unterstützt wird.

Was wollt ihr mit eurem Projekt erreichen?

Flurin Mühlemann: Unser Ziel ist es, die schulische Bewegungsförderung flächendeckend zu etablieren – auch ausserhalb des Turnunterrichts. Wir wollen Lehrpersonen eine niedrigschwellige, unterhaltsame und dennoch wissenschaftlich fundierte Möglichkeit bieten, sich in dem Themenbereich zu informieren und weiterzubilden, damit sie Kindern in ihrer Schulzeit so viel Bewegungszeit wie möglich bieten können.

«Unser Ziel ist es, die schulische Bewegungsförderung flächendeckend zu etablieren.»

Flurin Mühlemann

Bewegung an der Schule, auch ausserhalb des Turnunterrichts: Wie muss ich mir das konkret vorstellen?

Luca Zubler: Bewegen kann man sich überall an der Schule: Auf dem Schulweg, dem Pausenplatz, im Schulhaus – und im Schulzimmer mit «bewegtem Unterricht». Ein Beispiel für Lernen mit Bewegung ist «1, 2 oder 3». Manche kennen dieses Format noch aus dem deutschen Fernsehen. Eine exemplarische Frage könnte sein: Was ist die Bundesstadt der Schweiz? 1 – Basel, 2 – Bern oder 3 – Zürich? Die Schülerinnen und Schüler bewegen sich jetzt zur Zahl, hinter der sie die richtige Antwort vermuten. Für diese Art des Unterrichtens muss man im Schulzimmer nichts ändern. Bei uns auf Instagram @bougerbouger_podcast erscheint wöchentlich eine Challenge, diese können Lehrpersonen als Bewegungspause oder auch Bewegungshausaufgaben in die Klasse geben.

Ihr hattet am Anfang nur wenig Ahnung von Podcasts. Warum habt ihr euch dennoch gerade für dieses Format entschieden?

Flurin Mühlemann: Gerade Lehrpersonen finden in ihrem herausfordernden Umfeld nicht immer die Zeit, Fachartikel zu lesen. Mit dem Podcast können wir ihnen wissenschaftlich fundierte, aber dennoch praxisorientierte Informationen leicht zugänglich bereitstellen.

Offizielle Illustration für den Versuch «BougerBouger» im Innovationslabor lab7x1 beim BASPO. Es wird eine Lehrerin gezeigt, die auf dem Weg zur Schule unseren Podcast anhört. Bild: zvg.
Offizielle Illustration für den Versuch «BougerBouger» im Innovationslabor lab7x1 beim BASPO. Es wird eine Lehrerin gezeigt, die auf dem Weg zur Schule unseren Podcast anhört. Bild: zvg.
Den Praxisbezug zeigt ihr auch sehr deutlich in den vielen Videos, die ihr auf Instagram zeigt. Wie ergänzen diese Videos euren Podcast?

Flurin Mühlemann: Die Bewegungschallenges sind nur ein Beispiel von vielen Möglichkeiten. Wir erarbeiten diese «ready to-use» Materialien und stellen sie auf unserer Homepage kostenlos zur Verfügung. So können wir im Podcast auch stets auf das Bewegungsmaterial verweisen.

Video Preview Picture

«Flip the book»: Video-Beispiel für eine Challenge.

Ihr sagtet, das Projekt sei aus einem Seminar im Masterstudium entstanden. Bekamt ihr dort Unterstützung? Und findet diese Unterstützung immer noch statt?

Luca Zubler: Ja. Während des gesamten Prozesses unterstützten uns Mario Kamer und Valentin Benzing, die beiden Dozierenden des Masterseminars am Institut für Sportwissenschaft der Uni Bern. Mario ist sehr praxisnah, während Valentin über ein sehr fundiertes theoretisches Fachwissen verfügt. Gemeinsam forderten sie uns heraus, die beiden Aspekte stets miteinander zu verknüpfen.

Ist die «bewegte Schule» euer Fachgebiet?

Flurin Mühlemann: Am Anfang waren wir wohl eher Laien-Experten – obwohl wir schon einige Veranstaltungen zum Thema besucht hatten. Das Wissen kam aber letztlich dadurch, dass wir regelmässig Expertinnen und Experten in unseren Podcast einladen und uns intensiv auf die Folgen vorbereiten. Als Spezialisten wagen wir uns – zumindest noch – nicht zu bezeichnen. Dies zu behaupten, würde – glaube ich – auch nicht unserem Naturell entsprechen.

Zusammen für mehr Bewegung: Matthias Friedli, Luca Zubler, Claudine Kämpfen, Kevin Blunier und Flurin Mühlemann. Bild: zvg.
Zusammen für mehr Bewegung: Matthias Friedli, Luca Zubler, Claudine Kämpfen, Kevin Blunier und Flurin Mühlemann. Bild: zvg.
Welche Erkenntnis ist euch besonders in Erinnerung geblieben?

Luca Zubler:Beinahe aus jedem Gespräch blieben mir einige Sätze in Erinnerung. Etwa daran, dass wir uns ein konzentriertes Kind eher sitzend als stehend vorstellen. Das bringt das Problem des langandauernden Sitzens in der Schule auf den Punkt: Langes Sitzen gilt ab der der ersten Klasse als völlig normal.

Einer unserer Gäste, Christian Andrä, der an der Uni Leipzig als Professor für Bewegungs- und Sportpädagogik tätig ist, erzählte uns, dass nur für knapp die Hälfte der Kinder das «Sitzen» die Lieblingsposition fürs Lernen ist. Das bestätigte mir nochmals: wir sollten nicht einfach alle Kinder bedingungslos auf Stühle setzen.

«Wir sollten nicht einfach alle Kinder bedingungslos auf Stühle setzen.»

Luca Zubler

Wie recherchiert ihr für die Podcast-Folgen?

Flurin Mühlemann:Unsere Recherchen erfolgen hauptsächlich online, da wir Zugang zu ziemlich allen wissenschaftlichen Studien haben. Zudem lesen wir Bücher, die sich mit dem Themenschwerpunkt beschäftigen. Die Expertinnen und Experten geben uns auch oft Literaturempfehlungen. Wir können uns aber jederzeit auch bei Dozierenden melden, wenn es ihr Themengebiet betrifft. Am Zugang zu Wissen mangelt es eigentlich nie.

Wie vereint ihr Studium und Podcasting?

Luca Zubler: Am Anfang von BougerBouger haben wir alle die gleichen Seminare besucht, was die Koordination enorm erleichtert hat. Mittlerweile gestaltet es sich etwas schwieriger, da wir uns oft online oder telefonisch austauschen müssen. Das mag ich persönlich nicht so gerne. Wie ich immer alles unter einen Hut bringe, ist mir oft selbst ein Rätsel. Manchmal bleibt das eine oder andere auch auf der Strecke, denn neben der Uni und dem Podcast studiere ich nun auch noch an der PH-Bern, muss Praktika absolvieren, unterrichte an der Alten Kantonsschule in Aarau einige Sportlektionen und bin selbst in mehreren Sportvereinen aktiv. Da ich aber bei all meinen Tätigkeiten einen Sinn sehe und das Ende des Studiums naht, bleibe ich positiv.

Über BougerBouger

BougerBouger wurde 2022 von fünf Studierenden der Sportwissenschaft gegründet. Ihre Vision ist es, dass sich die Bewegung an der Schule nicht nur auf den Sportunterricht begrenzt. Mit ihrem Podcast möchten sie Lehrpersonen inspirieren, Bewegung in den Schulalltag zu integrieren und so das Lernen sowie die Gesundheit der Lernenden zu fördern.

Der Podcast erscheint jeweils am ersten und dritten Montag des Monats und kann über die Website von BougerBouger sowie über sämtliche Podcatcher wie etwa Spotify oder Apple Podcasts abgespielt werden. Jeden Mittwoch wird auch eine Bewegungschallenge zur Verfügung gestellt, die einfach in den Schulalltag eingebaut werden kann.

Inzwischen ist BougerBouger ein offizieller Versuch des Innovationslabors 7x1 des Bundesamts für Sport (BASPO). Gemeinsam mit dem Projekt «Herzensideen» hat BougerBouger darüber hinaus ein Bewegungshausaufgaben-Set für die Primarschule entwickelt, um Kinder über Hausaufgaben zu mehr Bewegung zu ermutigen. Ein Set für die Sekundarstufe erscheint demnächst. Auf dem Instagram Account @bougerbouger_podcast erscheint wöchentlich eine Bewegungschallenge.

Über das Innovationslabor 7x1 des BASPO

«Täglich eine Stunde, sieben Tage die Woche» – oder kurz: 7x1. Nach dieser Formel soll sich die Schweizer Bevölkerung bewegen und Sport treiben, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und Kultur. Um dies für alle zu ermöglichen und im Alltag zu etablieren, hat das Bundesamt für Sport BASPO ein eigenes Labor aufgebaut. Das «lab7x1» sammelt innovative und durchaus auch unkonventionelle Ideen, testet sie in unterschiedlichsten Praxisversuchen und entwickelt daraus wirksame Massnahmen, die bewegen.

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