Universität
Träume für die Zukunft am Dies academicus 2023
Die 189. Stiftungsfeier der Uni Bern stand ganz im Zeichen der Selbstreflexion und Zukunftsorientierung. Es wurden drei Ehrendoktortitel und fünf akademische Preise verliehen, wobei erstmals eine Empfängerin per Livestream ins Casino geschaltet wurde.
Am Samstag fand der 189. Dies academicus altvertraut im Casino Bern statt. Ein «ereignisreiches Jahr» neige sich dem Ende zu, sagte Rektor Christian Leumann zu Beginn seiner Ansprache. Es sei ausserdem ein «herausforderndes Jahr» gewesen, «nicht nur was die gegenwärtige geopolitische Lage betrifft, sondern auch die Situation der Hochschulen in unserem Land», so Leumann. Dabei erinnerte er zunächst an das globale Weltgeschehen: den fortwährenden Ukraine-Krieg und besonders die kriegerische Auseinandersetzung im Nahen Osten, die auch die Universität vor Herausforderungen stellt.
Strukturwandel und Allianzen
Im Hauptteil seiner Ansprache richtete Christian Leumann den Blick auf die Zukunft der Universität – nicht nur als Ort der Lehre und Forschung, sondern auch als Teil der Gesellschaft. Um sich zukünftigen Herausforderungen wie der fortschreitenden Entwicklung von Künstlicher Intelligenz weiterhin stellen zu können, habe die Universität das Projekt «Fit for Future» begonnen. Ein Prozess, der «zum Ziel hat, unsere Strukturen, Prozesse und Funktionsweise zu hinterfragen und auf die Zukunft auszurichten», fuhr der Rektor fort. Als Schwerpunkte nannte er die Digitalisierungsstrategie der Universität und die Förderung von Transdisziplinarität als Mindset der nächsten Generation. Vor allem werde es «ein Change Prozess werden, dem wir uns ohne Voreingenommenheit, Tabus und ergebnisoffen stellen müssen».
Christian Leumann schloss seine Begrüssungsworte mit einem «Traum für die Zukunft der Schweizer Hochschulen». Nach dem Ausschluss aus dem Forschungsprogramm Horizon Europe hätten sich zwar alle Schweizer Universitäten an europäischen Universitätsallianzen beteiligt, «aber das Naheliegendste, nämlich eine umfassende Schweizer Universitätsallianz existiert nicht», stellte der Rektor fest. Das Haupthindernis sei «die fehlende Kultur der Zusammenarbeit». Das müsse sich ändern, denn «wir müssen einsehen, dass wir es uns nicht mehr leisten können nicht zu kooperieren, wollen wir das hohe internationale Niveau in Lehre und Forschung beibehalten». Aus diesem Grund wünsche er sich «ein neues Verständnis» und eine «Begegnung auf Augenhöhe», um diese gemeinsame Zukunft anzustreben.
Chancengleichheit und Diversität auch in Zukunft fördern
Mit «künftigen Herausforderungen» befasste sich auch Regierungsrätin Christine Häsler. Als Bildungs- und Kulturdirektorin des Kantons Bern lenkte sie den Fokus auf Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Gleichstellung, die für Frauen im akademischen Umfeld weiterhin aktuell seien. Sie lobte die positiven Entwicklungen, die in den letzten Jahren bereits durch Massnahmen der Universität stattgefunden hätten. Als Beispiel nannte die Regierungsrätin die «gezielte Karriereförderung von Frauen». Dabei betonte sie die Bedeutung der Berufung von Virginia Richter zur Nachfolgerin von Christian Leumann, mit der «zum ersten Mal in ihrer bald 200-jährigen Geschichte eine Rektorin die Geschicke der Universität Bern führen wird».
Auch im Hinblick auf den Umgang der Universität mit Diversität und Chancengleichheit im weiteren Sinn zeigte sich Christine Häsler zuversichtlich. Neben den «neu geschaffenen Ansprechstellen für Chancengleichheit und Rassismus» sei die Initiative «Better Science» ein wichtiger Schritt der Universität. «Beim Aufbau einer nachhaltigen Wissenschaftskultur» stehe der Mensch «mit seinen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Handlungen» im Mittelpunkt. Die Universität nehme eine «führende Rolle» in der Förderung von Chancengleichheit ein und sei gut positioniert, «um die künftigen Herausforderungen in den Bereichen Gleichstellung, Diversität und Inklusion zu meistern», wie die Regierungsrätin resümierte. Jetzt gelte es, «am Thema dranzubleiben und den Weg konsequent weiterzugehen».
Abschliessend richtete die Regierungsrätin das Wort an Christian Leumann. An seinem letzten Dies academicus in der Funktion als Rektor hob sie hervor, was er Gutes für die Universität getan hat. Als «Kapitän» habe er die Universität «während 7 Jahren hervorragend durch eine manchmal ruhige, oft aber auch stürmische See navigiert». Besonders seien ihm dabei die Nachwuchsförderung und die internationale Vernetzung der Universität am Herzen gelegen. An dieser Stelle dankte Christine Häsler dem Rektor für sein «Herzblut» und die sowohl um- als auch weitsichtige Steuerung des «Supertankers» Uni Bern.
Aufklärung in postfaktischen Zeiten
Wie Rektor Christian Leumann betonte, sei es wichtig, auch einen Blick «von aussen» auf die Universität und ihre Rolle in der Gesellschaft zu werfen. In diesem Jahr teilte Guy Parmelin seine Perspektive. Der Bundesrat hob in seiner Rede zunächst Pionierleistungen der Universität Bern hervor. Etwa das Berner Sonnenwindsegel, das bei der ersten Mondlandung am 21. Juli 1969 noch vor der amerikanischen Flagge im Boden des Mondes steckte. Ob nun die Universität Eigentumsansprüche erheben könne, wisse er allerdings nicht, scherzte Parmelin. Was in diesem Beispiel aber deutlich werde, sei der Vortritt der Forschung gegenüber der Weltpolitik: «Das Wichtigste kommt zuerst», stellte der Bundesrat fest.
Ein weiteres Ereignis, durch das sich die Uni Bern an der wissenschaftlichen Weltspitze verorten liesse, sei die Ernennung von Anna Tumarkin zur ersten Extraordinaria für Philosophie und somit zur ersten ausserordentlichen Professorin Europas im Jahr 1908. Guy Parmelin schloss seinen Rückblick mit dem Hinweis auf die erste veterinärmedizinische Fakultät, die 1900 an der Universität Bern gegründet wurde.
Blicke man auf die gegenwärtige Position der Universität, lasse sich resümieren, dass sie mit der akademischen Weltspitze Schritt gehalten habe. Das zeige sich in verschiedenen Bereichen wie der Weltraumforschung, der Veterinär- und Biomedizin sowie im Bereich der Nachhaltigkeit und Klimaforschung. Als Teil der wissenschaftlichen «Weltelite» habe die Universität Bern einen wichtigen gesellschaftlichen Auftrag, nämlich den der Aufklärung in diesen «postfaktischen Zeiten». Um zukunftsorientierte Entscheidungen zu treffen, sei die Gesellschaft abhängig von den wissenschaftsbasierten Erkenntnissen der Forschenden.
Exzellenz in der Forschung – und der Lehre
Zuletzt kam Mara Hofer, Vorstandsmitglied der Studierendenschaft der Universität Bern (SUB) zu Wort. Sie erinnerte die Versammelten an ihre privilegierte Position – nicht nur als Teil des akademischen Umfelds, sondern auch als geladene Gäste am Dies academicus. Selbstreflexion sei wichtig, «denn die Schweizer Hochschullandschaft und damit auch die Universität Bern sind nicht perfekt – auch wenn wir bereits vieles richtig machen».
In diesem Sinne reflektierte Mara Hofer zur «Exzellenz», die an der Veranstaltung ausgezeichnet wurde: Exzellenz komme nicht nur durch Spitzenleistung Einzelner zustande, sondern benötige gleichwertige Anerkennung von Differenz und Vielfalt. Das bedeute auch, dass verschiedene Perspektiven einbezogen und gefördert werden müssten, um die Exzellenz der Uni in der Zukunft sicherzustellen. Dabei dürften die Studierenden nicht vergessen gehen, die auch an der Veranstaltung fehlen würden, wie Hofer bemerkte. Als zentraler Teil der Universitätsangehörigen hätten die Studierenden Interesse an exzellenter Lehre und Betreuung – und zwar für alle, nicht nur «das beste Prozent».
Als Vertreterin der Studierenden legte Mara Hofer den Anwesenden zum Schluss «die Zukunft der nächsten Studierenden-Generation» in die Hände. «Sichern Sie das Wachstum unserer Finanzierung» und «schenken Sie unseren Bedürfnissen im Bereich der Lehre und der Betreuung mehr Aufmerksamkeit, auch wenn es einen grossen Wandel der bestehenden Strukturen bedeutet.»
Ehrendoktorat per Videostream
Auf ein musikalisches Zwischenspiel des Berner Alumni- & Sinfonie-Orchesters folgte die feierliche Verleihung der drei Ehrendoktortitel. Unter den Würdenträgerinnen und dem Würdenträger war auch Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh, die sich seit Jahren für die Freiheit und Rechte von Frauen und Mädchen im Iran einsetzt. Sotoudeh konnte die Würdigung zwar aufgrund einer Ausreisesperre nicht persönlich entgegennehmen, wurde aber per Videostream live aus Teheran ins Casino übertragen. In ihrer Dankesrede, die sie auf Farsi hielt, wies sie auf die fortwährenden Missstände der Gewalt und Ungerechtigkeit hin, die im Iran herrschen.
Anschliessend wurden die akademischen Preise der Universität verliehen. Sechs Personen wurden an der Stiftungsfeier persönlich ausgezeichnet. Darunter war auch Aaron Roth von der University of Pennsylvania, der den diesjährigen Hans-Sigrist-Preis für seine Forschung über das Design von Algorithmen unter Berücksichtigung sozialer Aspekte wie «Privacy» und «Fairness» erhielt.
DER DIES ACADEMICUS
Der Dies academicus erinnert an die Gründung der Universität Bern im Jahre 1834. Die Stiftungsfeier der Universität Bern findet jährlich am ersten Samstag im Dezember statt. Auf der Website zum Dies academicus finden Sie weitere Impressionen vom Anlass, Informationen zu allen Ehrendoktorinnen und Ehrendoktoren sowie Preisträgerinnen und Preisträgern.