Europäische Universitätsallianz
«Mit ENLIGHT gestalten wir die Bildungslandschaft von morgen mit»
Die Universität Bern ist neu Mitglied der europäischen Universitätsallianz ENLIGHT. Rektor Christian Leumann spricht im Interview über die Beweggründe und erläutert, was diese Allianz aus forschungsintensiven Volluniversitäten für die Universitätsangehörigen bedeutet.
Christian Leumann, die Universität Bern ist trotz dem Ausschluss der Schweiz aus Horizon Europe und Erasmus+ auf verschiedenste Arten mit Europa verflochten, dies geschieht über Forschungsprojekte und Netzwerke wie The Guild und ENLIGHT. Warum ist die Teilnahme an solchen Netzwerken wichtig?Die heutigen wissenschaftlichen Herausforderungen, ob in der Medizin, Gesundheit oder Klimaforschung, gehen nicht mit geographischen Grenzen einher. Daher macht es Sinn, dass sich die Universitäten international vernetzen, um gemeinsam den Zugriff auf Wissen und Infrastruktur zu gewährleisten.
Die Universitätsallianzen werden das Bildungssystem in Europa in den nächsten zehn Jahren verändern, und wir möchten dort von Anfang an dabei sein und mitgestalten. Ich denke, das wird die Vorstufe zur dritten Bologna-Reform werden. Wenn wir dort nicht frühzeitig dabei sind, laufen wir Gefahr, dass unsere Bildungs- und Mobilitätsprogramme in Zukunft mit denen der EU nicht mehr kompatibel sein werden.
Wie unterscheidet sich ENLIGHT von The Guild of European Research-Intensive Universities, einem Netzwerk, dem die Universität Bern 2017 beigetreten ist?The Guild ist eine Lobbying-Organisation für die Anliegen der europäischen Universitäten. Sie besteht aus insgesamt 21 forschungsstarken Universitäten mit gleichartigen Interessen. Es geht uns darum, der Europäischen Kommission und anderen Institutionen Inputs dazu liefern zu können, wie sie EU-Rahmenprogramme für Forschung und Innovation aufbauen, damit sie die Universitäten in ihren Entscheiden besser berücksichtigen.
ENLIGHT ist eine Allianz aus zehn europäischen Universitäten, der es um Fragen der Mobilität und des Austauschs geht. Es ist aber nicht nur ein Austauschprogramm für Studierende oder Dozierende. Vor allem geht es uns auch um die Frage, wie wir gemeinsam eine Bildungslandschaft für die nächste Generation bauen können. Alle ENLIGHT-Mitglieder haben vergleichbare Zielsetzungen und Forschungsschwerpunkte und sind auf vergleichbarer Flughöhe unterwegs.
«Es geht um die Frage, wie wir gemeinsam eine Bildungslandschaft für die nächste Generation bauen können.»
Christian Leumann
Was ist Ihre Vision für die Bildung von morgen und wie kann ENLIGHT helfen sie zu realisieren?Bildung wird in Zukunft vermutlich personalisierter werden. Es wird vielleicht weniger klassische fachspezifische Studiengänge mehr geben, wie beispielsweise Kunstgeschichte oder Physik, sondern mehr massgeschneiderte Bildungsgänge, die wir zusammen mit der Forschung aufbauen.
Eine einzelne Universität kann das natürlich nicht allein bewerkstelligen. Ich kann mir vorstellen, dass wir mit ENLIGHT gewissermassen eine virtuelle elfte Universität bilden, die sich aus den besten Elementen ihrer zehn Partner-Universitäten zusammensetzt.
Der Imagefilm der euopäischen Universitätsallianz ENLIGHT
Innerhalb ENLIGHT schaffen wir Angebote, die deutlich über das Bisherige hinausgehen. Hier geht es nicht mehr um einen punktuellen Austausch zwischen Universitäten wie mit dem SEMP-Programm, sondern um eine vernetzte Zusammenarbeit, um innovative Mobilitätsformen zu schaffen. Die Mobilität kann dabei durchaus virtuell sein.
Ich könnte mir ausserdem vorstellen, dass wir innerhalb von ENLIGHT spezialisierte Masterprogramme schaffen. Dabei würden wir dank der Vielfalt an Studienangeboten der ENLIGHT-Mitglieder qualitativ hochstehende Programme zusammenstellen können.
«Mit ENLIGHT schaffen wir aus den besten Teilen von zehn Universitäten so etwas wie eine virtuelle elfte Universität.»
Christian Leumann
Welchen Nutzen bringt die ENLIGHT-Mitgliedschaft den Studierenden in Bern?Ein grosser Vorteil für Studierende ergibt sich aus dem interkulturellen Kontakt und Austausch. Dies erachte ich als so wichtig, dass es eigentlich jede akademische Ausbildung anbieten sollte.
ENLIGHT wird zu einer Dynamisierung unserer Studiengänge beitragen und neue Studiengänge hervorbringen. Von zehn Universitäten gemeinsam geschaffene Kurse und Studiengänge bedeuten, dass die Studierenden von vielfältigen Kompetenzen an ganz vielen Orten profitieren können. ENLIGHT gibt den Studierenden zudem mehr Sicherheit, dass sie ihre im Ausland erbrachten Studienleistungen anrechnen lassen können. Bieten sich Forschenden auch neue Möglichkeiten?
Ursprünglich waren die Universitätsallianzen ausschliesslich auf die Lehre ausgerichtet. Da jetzt diskutiert wird, wie das Nachfolgeprogramm von Horizon Europe aussehen soll, ist der Wunsch der beteiligten Universitäten nach einer Forschungskomponente der Allianzen deutlich geworden.
Gerade auf Master-Stufe kann die Studierendenmobilität auch der Forschung dienen, und damit der internationalen Zusammenarbeit in der Forschung. Das kann für Forschende den Vorteil haben, dass sich daraus Forschungsprojekte auf Doktoratsebene ergeben, auf der dann ein intensiverer Austausch innerhalb von ENLIGHT möglich ist.
«Im Grunde genommen sind wir Universitäten uns alle verwandt.»
Christian Leumann
Wie werden sich unsere Mitarbeitenden in diesem Netzwerk integrieren?Innerhalb von ENLIGHT gibt es Netzwerke für Studierende und Dozierende, aber auch auf administrativer Ebene und der Ebene der Universitätsleitungen. Durch diese Vernetzung können wir gemeinsame Austausch- und Studienangebote entwickeln. Ich denke hier an die Vizerektorate Lehre und die Vizerektorate Entwicklung als hauptsächliche Akteure.
Im Grunde genommen sind wir Universitäten uns alle verwandt: Wir haben das gleiche Verständnis von wissenschaftlicher Integrität und ein ähnliches Verständnis von Exzellenz in Wissenschaft und Lehre. Dennoch haben wir die Gemeinsamkeiten bislang zu wenig genutzt. Mit ENLIGHT nutzen wir nun das Potenzial von zehn Universitäten gemeinsam. Das wird uns sehr viele spannende neue Möglichkeiten eröffnen.
ENLIGHT ist eine europäische Hochschulallianz aus zehn forschungsintensiven Volluniversitäten mit rund 325'000 Studierenden, 65'000 Mitarbeitenden und über einer Million Alumni und Alumnae. Die Allianz besteht aus den Universitäten Gent (Belgien), Göttingen (Deutschland), Tartu (Estland), Bordeaux (Frankreich), Galway (Irland), Groningen (Niederlanden), Uppsala (Schweden), Bratislava (Slowakei), Baskenland (Spanien) und der Universität Bern (Schweiz), die seit Dezember 2022 assoziiertes Mitglied ist. Gemeinsam entwickeln die Universitäten flexible internationale Formen des Austauschs in Forschung sowie Lehre und streben langfristig gemeinsame Curricula und Abschlüsse an. ENLIGHT widmet gesellschaftlichen Herausforderungen besondere Aufmerksamkeit: Gesundheit und Wohlbefinden, Mensch und Digitalisierung, Klimawandel, Energie und Zirkularwirtschaft, gesellschaftliche Gerechtigkeit, Kultur und Kreativität. ENLIGHT ist ein Akronym aus European university Network to promote equitable quality of Life, sustaInability and Global engagement through Higher education Transformation. Die europäischen Universitätsallianzen sind ein wichtiger Teil der europäischen Hochschulstrategie und von Erasmus+ (2021-2027). Die Allianzen werden von der Europäischen Kommission als die «Universitäten der Zukunft» angesehen. Die Europäische Union fördert 44 europäische Universitätsallianzen, die 340 Universitäten in 31 Ländern umfassen. Jede Allianz formuliert eine langfristige Strategie zur Schaffung eines «europäischen interuniversitären Campus». Zudem gehören ihnen 1’300 Partnerorganisationen an wie z. B. NGOs, Unternehmen, Regional- und Stadtregierungen. Seit 2022 können sich erstmals auch Schweizer Universitäten als «assoziierte Partner» an Europäischen Universitätsallianzen beteiligen. Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) fördert die Teilnahme von Schweizer Universitäten an Erasmus+ über Movetia, der Schweizer Agentur für Austausch und Mobilität. Ausser der Universität Bern sind auch die Universitäten Basel, Genf, Lausanne und Zürich verschiedenen Allianzen beigetreten. Die Universität Bern ist seit 2017 ein Mitglied von The Guild. Das Netzwerk umfasst 21 forschungsintensive Universitäten aus 16 europäischen Ländern, darunter sind auch sechs ENLIGHT-Mitglieder. Ziel von The Guild ist, die Stimme der akademischen Institutionen zu stärken und sich an der Gestaltung des europäischen Forschungs- und Bildungsraums zu beteiligen. Seit ihrer Gründung im Jahr 2016, hat sich The Guild als vertrauenswürdige Gesprächspartnerin der politischen Entscheidungsträger in Brüssel etabliert. Mitglieder der Europäischen Kommission wenden sich an The Guild wegen der Expertise ihrer Forschenden und Mitarbeitenden. Die Mitgliedsuniversitäten verschaffen sich so Gehör bei den politischen Entscheidungsträgern der EU-Institutionen und erfahren frühzeitig von den neuesten Entwicklungen aus Brüssel. The Guild setzt sich seit 2018 aktiv für die Teilnahme der Schweiz an Horizon Europe ein, sowohl direkt in Gesprächen mit der Europäischen Kommission als auch in ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Die Universität Bern betreibt Spitzenforschung zu Themen, die uns als Gesellschaft beschäftigen und unsere Zukunft prägen. Im uniAKTUELL zeigen wir ausgewählte Beispiele und stellen Ihnen die Menschen dahinter vor – packend, multimedial und kostenlos.Über ENLIGHT
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