Politikwissenschaft
«Das Experiment hätte viel schlimmer ausgehen können»
In den Krisen während der letzten Legislaturperiode war die Politik stark gefordert. Entscheide per Notrecht häuften sich. Was macht dies mit der Schweizer Demokratie? Ein Gespräch zur Lage der Nation mit Historiker André Holenstein, Staatsrechtler Andreas Lienhard und Politikwissenschaftler Adrian Vatter.
Herr Vatter, was ist Ihr Fazit der letzten Legislaturperiode?Adrian Vatter: Die Wahlen 2019 brachten den Wahlsieg der Grünen und der Frauen. Das weckte hohe Erwartungen. Dann kam Corona, und die neuen Parlamentsmitglieder hatten gar nie Zeit, ihre Netzwerke aufzubauen. Das Parlament brauchte lange, um wieder Tritt zu fassen. Mein Fazit: Der Nationalrat ist unberechenbarer und ausgabenfreudiger geworden, im Ständerat fehlen die starken Figuren.
Wie sieht es bei der Verabschiedung wichtiger Vorlagen aus?Vatter: Es kam zwar einiges durch wie die AHV-Reform, das Klimaschutzgesetz oder die Pandemievorlagen. In den grossen Dossiers wie Europa, Gesundheitskosten, Revision der zweiten Säule blieb man aber stecken. Die Covid-Krise, aber auch der Krieg in der Ukraine haben das ihrige dazu beigetragen, aber ob man ohne Krisen im Europadossier oder bei den Gesundheitskosten weiter wäre, wage ich zu bezweifeln. Die Polarisierung im Parlament ist zudem weiterhin hoch.
André Holenstein: Das Europadossier ist ja nicht erst seit dieser Legislatur in der Schwebe. Die Ursachen für die Blockade im Bundesrat sind struktureller Natur.
Vatter: Man muss differenzieren: Die Covid-Krise hat der Bundesrat überraschend gut gelöst. Die alte These, wonach der Bundesrat ein Schönwettermodell sei, wurde dadurch widerlegt.
In den Krisen konnte der Bundesrat dank Notrecht handeln. Aber funktionieren unsere demokratischen Abläufe noch, wenn vermehrt Notrecht ergriffen wird?Vatter: Formal war die Machtfülle des Bundesrates gross. Aber informell hat er mit Konsultationen und runden Tischen permanent versucht, die verschiedenen politischen Akteure einzubeziehen. Das konkordante Muster wurde auch während der Ausübung von Notrecht verfolgt. Ich fand die Bewältigung der Covid-Krise ein eindrückliches Experiment: Einer der föderalsten Staaten der Welt hat formal eine enorme Machtkonzentration beschlossen – die Regierung brachte aber immer wieder selbst das Parlament und die Kantone ins Spiel, weil sie die Legitimität ihrer Beschlüsse erhöhen wollte. Das Experiment hätte viel schlimmer ausgehen können.
Sie geben dem Bundesrat also gute Noten?Vatter: In Bezug auf die Bewältigung der Covid-Krise ja.
Holenstein: In der Covid-Krise kamen die Vorzüge des Föderalismus gut zur Geltung. Die Umsetzung der bundesrätlichen Beschlüsse geschah ja in den Kantonen, die das zum Teil unterschiedlich gehandhabt haben.
Andreas Lienhard: Zu beachten ist auch die Finanzlage. Die Legislaturplanung wird flankiert von der Legislaturfinanzplanung. Letztere hat aber insofern ein stiefmütterliches Dasein, als sie vom Parlament im Unterschied zum Bundesbeschluss über die Legislaturplanung lediglich zur Kenntnis genommen wird. Gegenwärtig laufen die Finanzen aus dem Ruder.
Zur Person
Adrian Vatter
ist seit 2009 Professor für Schweizer Politik und Direktor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern. Zwischen 2003 und 2009 war er Professor an den Universitäten Konstanz und Zürich. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Schweizer Politik, die empirische Demokratieforschung im internationalen Vergleich und politische Institutionen (Föderalismus, direkte Demokratie, Konkordanz).
Welches war die beste Entscheidung Ihres Lebens?
Meine Rückkehr als Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt Schweizer Politik an die Universität Bern.
Welche tägliche Entscheidung fällt Ihnen schwer?
Gesund zu frühstücken.
Gibt es eine Entscheidung, die Sie heute bereuen?
Nein.
Lienhard: Auch, aber nicht nur – zu denken ist beispielsweise auch an die demografisch bedingten Zusatzaufwendungen sowie an die Herausforderungen des Klimawandels. Der Bund rechnet für die Finanzplanjahre 2025 bis 2027 mit Defiziten in Milliardenhöhe, und es bedarf neuer Entlastungsmassnahmen. Das Parlament müsste in finanzieller Hinsicht stärker in die Legislaturplanung einbezogen werden. Dadurch würde es seiner langfristigen finanzpolitischen Verantwortung eher gerecht als bei den kurzfristigen Budgetplanungen.
Wie wichtig sind überhaupt Legislaturplanungen in einem System, in dem die Regierungen nicht wechseln?Vatter: Die vierjährige Legislaturplanung und die Jahresziele sind neben dem Budget und dem Finanzplan die wichtigsten Planungsinstrumente des Bundesrates. Das Problem liegt darin, dass ihre Realisierung oft an den parlamentarischen, föderalen und direktdemokratischen Hürden scheitert. Sie sind vielmehr ein Arbeitsprogramm mit sehr vielen Zielen, die nicht aufeinander abgestimmt sind.
Herr Vatter, Sie haben in der NZZ einen Konkordanzvertrag gefordert. Geht das in Richtung deutscher Verhältnisse?Vatter: Nein, ein Konkordanzvertrag ist nicht gleich verbindlich wie ein Koalitionsvertrag, bei dem später etwas eingefordert werden kann. Es wäre bloss eine Absichtserklärung, Prioritäten zu setzen und drei Hauptziele einer Legislaturperiode zu formulieren und sich darauf zu einigen.
Lienhard: Eigentlich gibt es ja den Bundesbeschluss über die Legislaturplanung mit drei politischen Leitlinien. Da steht zum Beispiel: «Die Schweiz fördert den nationalen Zusammenhalt und leistet einen Beitrag zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit.» Ist das nicht ein solches Hauptziel im Sinne des vorgeschlagenen Konkordanzvertrags?
Vatter: In einem Konkordanzvertrag sollten Ziele schon etwas konkreter formuliert werden. Viel vager als das Genannte kann man nicht mehr sein.
Lienhard: Der Bundesbeschluss enthält ja auch rund 70 Ziele zu den Leitlinien, die dann sehr konkret sind.
Vatter: Das ist viel zu viel. Mir geht es um eine Prioritätensetzung der drei wichtigsten Ziele.
Was bringt es, wenn der Bundesrat einen Konkordanzvertrag beschliesst?Vatter: Es würde bedeuten, dass sich die Bundesratsparteien dazu öffentlich verpflichten. Es ist nicht rechtlich einforderbar wie in Deutschland. Das ist der grosse Unterschied. Die viel wichtigere Reform wäre aber eine Reform des Wahlverfahrens für den Bundesrat. Der Bundesrat ist eine Kollegialbehörde. Aber das Verfahren der aufeinanderfolgenden Einzelwahl ist aufs Gegenteil ausgerichtet. Ein adäquates Verfahren wäre eine Listenwahl, in der mehrere Teams antreten. Dies würde Koalitionen ermöglichen, bei denen die beiden Polparteien unter Umständen nicht immer vertreten wären.
Sprechen wir über den Beinahe-Kollaps der CS: Was bedeutet er für die Schweiz?Holenstein: Einen Reputationsschaden. Die CS warb mit Basiswerten unseres Landes: Solidität, Vertrauenswürdigkeit, Verlässlichkeit – Werte, die letztlich den Bankenplatz stark gemacht haben.
Warum greift der Bundesrat vor allem in wirtschaftlichen Belangen – Stichworte CS, UBS, Axpo, Swissair – zu Notrecht?
Lienhard: Das hat mit dem Wandel der Herausforderungen zu tun. Die gesellschaftliche, wirtschaftliche und geopolitische Lage ist in den letzten Jahren deutlich komplexer und dynamischer geworden. Es gibt vermehrt Situationen, in denen rasch gehandelt werden muss. Niemand mag sich vorstellen, was geschehen wäre, wenn das Parlament im ordentlichen Rechtsetzungsverfahren über die Rettung der CS hätte befinden müssen. Aber es ist klar: Der Ausnahmefall darf nicht zum Normalfall werden.
«Die alte These, wonach der Bundesrat ein Schönwettermodell sei, wurde widerlegt.»
Adrian Vatter
Das vermehrt eingesetzte Notrecht in wirtschaftlichen Belangen ist umso erstaunlicher, als der Artikel 185 der Bundesverfassung Notrecht primär bei Störungen der inneren und äusseren Sicherheit vorsieht.Lienhard: Der Wortlaut ist das eine, die Auslegung sowie die Lehre und Praxis sind das andere. Das Bundesgericht hat in einem Entscheid festgehalten, dass zu den fundamentalen Rechtsgütern, zu deren Schutz Notrecht ergriffen werden kann, auch die ökonomische Stabilität und der Schutz des Finanzmarkts zu zählen sind. Gemäss der Lagebeurteilung am Wochenende vom 17. und 18. März dieses Jahres wäre die Wirtschaft durch einen Kollaps der CS stark in Mitleidenschaft gezogen worden. In dieser Situation durfte der Bundesrat nicht nur handeln, er war dazu verpflichtet. Indessen muss dann Notrecht innerhalb eines halben Jahres in ordentliches Recht überführt werden. Und es gibt die politische Aufarbeitung.
Holenstein: Die Häufung von Notrecht ist auch Ausdruck davon, dass sich die Schweiz in vielen Bereichen auf dünnem Eis bewegt. Wir verfolgen Geschäftsmodelle, die zum Teil mit hohen Risiken verbunden sind.
Lienhard: Auch ist die Welt unberechenbarer geworden. Niemand hätte vor zwei Jahren geglaubt, dass es in Europa Krieg geben würde. Bei der Pandemie hatte man eine Planung, man nahm sie aber nicht genügend ernst. Nach der UBS-Krise 2008 hat man mit «too big to fail» Regulierungen geschaffen, von denen man nicht wirklich glaubte, dass man sie einsetzen muss.
Holenstein: Die Strukturen des Spätkapitalismus sind zwar äusserst fragil geworden. Und dennoch ist sich die Politik gewisser Gefahren nicht genügend bewusst. Das ist Folge der schlaumeierischen Art, wie die Schweiz seit Jahrhunderten Geschäfte macht. Die Schweiz bewirtschaftete immer sehr clever strukturelle Differenzen zu den umliegenden Ländern. Der Finanzplatz ist ein Beispiel dafür. Wir haben das irrige Gefühl, wir bräuchten keine Integration in ein supranationales Gebilde, von dem wir maximal abhängig sind.
Herr Lienhard, Sie schlagen eine staatspolitische Delegation vor, die das Ergreifen von Notrecht politisch absegnet.Lienhard: Es geht um die demokratische Legitimation. Es gibt ja, wie erwähnt, die Pflicht zur Überführung von Notrecht in ordentliches Recht nach einem halben Jahr. Die Frage ist, ob es bereits beim Erlass von Notrecht parlamentarische Mitwirkungsmöglichkeiten braucht.
Zur Person
Andreas Lienhard
ist Professor für Staats- und Verwaltungsrecht am Kompetenzzentrum für Public Management und am Institut für öffentliches Recht der Universität Bern. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Staats- und Verwaltungsreformen (insbesondere Public Management, Public Corporate Governance, Justizmanagement, Public Private Partnership), öffentliches Finanz- und Wirtschaftsrecht sowie Rechtsetzung.
Welches war die beste Entscheidung Ihres Lebens?
An der Universität Bern Rechtswissenschaft zu studieren.
Welche tägliche Entscheidung fällt Ihnen schwer?
Den Computer runterzufahren.
Gibt es eine Entscheidung, die Sie heute bereuen?
Eigentlich keine.
Lienhard: Die Finanzdelegation ist nur für die finanziellen Konsequenzen des Notrechts zuständig. Zum bundesrätlichen Erlass des Notrechts als solches hat das Parlament nichts zu sagen. Die Bildung einer neuen staatspolitischen Delegation, die in solchen Fällen mitwirken würde, wäre ein weiterer Schritt in Richtung einer stärkeren demokratischen Legitimation von Notrecht.
Der Fall der CS hat aber auch gezeigt, dass es gefährlich sein kann, die Handlungsfreiheit und die Agilität des bundesrätlichen Handelns in einer Notsituation einzuschränken. Es gibt Situationen, in denen der Bundesrat sehr rasch handeln können muss, um grossen Schaden abzuwenden.
Holenstein: Historisch muss man aber festhalten: Wir sind weit davon entfernt, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg war, als der Bundesrat noch jahrelang mit Vollmachten regiert hat. Das ging bis 1952.
Zur Neutralität: Die Schweiz wurde auch vom Ukraine-Krieg auf dem falschen Fuss erwischt. Der Bundesrat war überrumpelt. Warum waren wir auch hier nicht vorbereitet?Holenstein: Die Schweiz leidet unter einer veralteten Neutralitätsdoktrin. Wir sind immer noch davon überzeugt, dass uns die Neutralität gut durch schwierige Situationen bringt, und blenden grandios aus, dass in einem internationalen System, das auf dem Völkerrecht basiert, Neutralität letztendlich systemwidrig ist. Unser Problem heute ist, dass aus einem sicherheitspolitischen Konzept ein identitätspolitisches Merkmal geworden ist.
Lienhard: Es ist ein Irrtum, zu meinen, die Schweiz habe sich völkerrechtlich zu «immerwährender Neutralität» verpflichtet. In den Haager Abkommen von 1907 werden zwar die Rechte und Pflichten neutraler Staaten in zwischenstaatlichen Konflikten geregelt. Die Vertragsstaaten sind aber frei, zu erklären, ob sie in einem konkreten Konflikt neutral sind oder nicht. Zudem könnten diese Abkommen sogar gekündigt werden. Verfassungsrechtlich sieht es allerdings etwas anders aus. Der Begriff der Neutralität ist in der Verfassung festgehalten. Eine grundlegende Änderung des Neutralitätsverständnisses würde nach der herrschenden Lehre eine Verfassungsänderung benötigen. Der Ukraine-Krieg sowie die im letzten November lancierte Volksinitiative haben nun die Neutralitätsdiskussion neu entfacht.
Vatter: Meine Befürchtung ist aber, dass diese Initiative vor allem bei den konservativen Kräften in diesem Land zu sehr doktrinären und identitätspolitischen Diskussionen führen wird …
Holenstein: Das Problem ist doch, dass mit der Neutralitätsinitiative einmal mehr die Europafrage lanciert werden soll …
Vatter: Genau, und es weniger um Neutralität geht als um eine erneute Bewirtschaftung des übergeordneten Öffnungs- beziehungsweise Abschottungskonflikts. Das ist der seit den 1990er-Jahren dominante Konflikt in der Schweizer Politik.
Lienhard: Wo und wie sonst soll denn die Diskussion geführt werden? Ich wüsste kein anderes Gefäss, um über den Inhalt der Neutralität genügend breit zu diskutieren, als eine Volksinitiative.
«Es ist ein Irrtum, zu meinen, die Schweiz habe sich völkerrechtlich zu ‹immerwährender Neutralität› verpflichtet.»
Andreas Lienhard
Macht der Bundesrat beim Europadossier eine gute Figur?Holenstein: Was mich an der Politik des Bundesrates am meisten erstaunt, ist die immer noch bestehende Haltung, die EU müsse der Schweiz entgegenkommen. Er verkennt dabei, wie häufig in den vergangenen 30 Jahren die EU der Schweiz entgegengekommen ist.
Vatter: Das Grundproblem ist doch, dass wir bei der Europafrage einen sehr starken Elite-Basis-Konflikt haben. Es gibt kein Politikfeld, auf dem die Einstellungsunterschiede zwischen der Politik und der Bevölkerung grösser wären als bei der Europafrage. Und da es in der Politik immer um die Frage der Mehrheiten geht, handelt der Bundesrat sehr vorsichtig, solange er Volk und Stände nicht hinter sich weiss.
Lienhard: Das Problem ist aber auch, dass der Bundesrat keine Strategie hat. Ich bin überzeugt, dass er mit einer klaren Strategie, mit Kontinuität bei der Verhandlungsleitung und mit einer guten Kommunikation Mehrheiten holen könnte.
Lassen Sie uns zum Schluss zurück in die Schweiz kommen. Haben Sie auch den Eindruck, die Schweiz sei ein Land der Gräben geworden?Vatter: Die traditionell grösste Konfliktlinie sehen wir zwischen links und rechts. Sowohl in der Gesellschaft als auch im Parlament. Dazu kommen weitere Gräben wie der zwischen Stadt und Land. Dabei ist es wichtig, zu sehen, dass es strukturell schwierig ist, die progressiven Stimmen der Städte in die nationale Politik zu bringen. Die mediale Wahrnehmung ist jedoch eine andere. Verliert das Land mal eine Abstimmung wie zum Beispiel beim Jagdgesetz, dann wird das viel stärker wahrgenommen als die vielen Abstimmungen, die die Städte verloren haben.
Holenstein: Ich sehe das mit den Gräben recht gelassen. Gräben haben die Schweiz erst möglich gemacht – reformierte gegen katholische Kantone, rurale gegen industrielle Kantone et cetera. Sehr häufig liegen diese aber übers Kreuz, neutralisieren sich gegenseitig und haben durchaus eine erhaltende und konservierende Wirkung.
Vatter: In Gesellschaften mit starken Gräben ist das Konkordanzsystem dasjenige, das funktioniert, weil es alle wichtigen gesellschaftlichen Gruppen integriert. Und hier kommt den Institutionen – dem Bundesrat, der direkten Demokratie und dem Föderalismus – eine zentrale Bedeutung zu, um sich mit der Schweiz zu identifizieren. Vermutlich ist es auch darum so schwierig, sie zu reformieren.
Holenstein: Wir haben aber auch einen riesigen Umverteilungsmechanismus aufgebaut mit den Subventionen, mit einem gut ausgebauten Service public, der ein Postauto bis ins hinterste Tal fahren lässt. Diese Transmissionsriemen überbrücken für sehr viele in der Bevölkerung auch die Gräben.
«Die Schweiz verfolgt Geschäftsmodelle, die zum Teil mit hohen Risiken verbunden sind.»
André Holenstein
Zur Person
André Holenstein
ist Professor für ältere Schweizer Geschichte und vergleichende Regionalgeschichte an der Universität Bern. Diese widmet sich der Erforschung und Vermittlung der Geschichte des schweizerischen Raums vom Spätmittelalter bis ins frühe 19. Jahrhundert. Dabei wird die Geschichte des «Corpus Helveticum» konsequent in grenzüberschreitende, europäische Zusammenhänge eingebettet.
Welches war die beste Entscheidung Ihres Lebens?
Zusammen mit meiner Jugendliebe beschlossen zu haben, dass wir gemeinsam durchs Leben gehen wollen.
Welche tägliche Entscheidung fällt Ihnen schwer?
Keine.
Gibt es eine Entscheidung, die Sie heute bereuen?
Durchaus – weil sie aber eine Personalie betrifft, muss ich darüber Stillschweigen bewahren.
Lienhard: Eine weitere Konfliktlinie sehe ich beim Föderalismus. Er ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Identität, Ausdruck von Vielfalt und durchaus auch ein Instrument des Wettbewerbs. Bei einer allzu föderalistischen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen besteht aber auch das Risiko, dass wir gewisse Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Die unterschiedlichen Regelungen der Maskentragpflicht während der Pandemie sind ein anschauliches Beispiel dafür.
Vatter: Die Spielregeln, die die Kantone stärken, sind einfach da, und man wird sie kaum wegbringen …
Holenstein: … was immer noch ein Erbe von 1848 ist. Die moderne Schweiz kommt nur zustande, weil man sich auf einen Mittelweg zwischen dem extrem zentralistischen Einheitsstaat aus der Helvetik und den föderalen Tagsatzungen einigen konnte.
Vatter: Die zentrale Frage ist deshalb, ob in der schweizerischen Demokratie des 21. Jahrhunderts immer noch die Regeln des 19. Jahrhunderts gelten sollen, die bis heute einen besonderen Schutz für die kleinen katholischen Landkantone vorsehen.
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