Weltraumforschung
Herausforderungen auf dem Weg zum Jupiter
Peter Wurz, Nicolas Thomas und Axel Murk waren von Beginn weg bei der ESA-Mission Juice involviert. Für uniAKTUELL blicken sie zurück und erzählen, welchen Herausforderungen sie auf dem Weg zum grössten Planeten im Sonnensystem bereits begegnet sind und welche sie noch erwarten.
In Bern blicken in diesen Tagen drei Männer gespannt nach Kourou in Französisch-Guayana: Dort befindet sich der europäische Weltraumbahnhof, von wo am Donnerstag, 13. April 2023 um 14:15 Uhr die Weltraumsonde Juice (Jupiter ICy moons Explorer) der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) an Bord einer ARIANE 5 Rakete ihre Reise zum Jupiter antreten wird. Mit an Bord sind zehn Weltrauminstrumente, die nach einer etwa achtjährigen Reise den grössten Planeten unseres Sonnensystems und drei seiner Monde untersuchen sollen.
Die drei Männer sind Peter Wurz, Nicolas Thomas und Axel Murk, die an Instrumenten beteiligt sind, die demnächst mit Juice zum Jupiter fliegen. Die Universität Bern trägt das Massenspektrometer NIM (welches Teil des Particle Environment Package PEP ist) zur Juice-Mission bei und ist an zwei weiteren Instrumenten beteiligt: Dem Submillimeter Wave Instrument SWI und dem Laser Altimeter GALA.
Von Geld und kosmischer Strahlung
Im März 2007 hatte die ESA eine Ausschreibung zur Einreichung von Missionsvorschlägen für ihr Weltraummissionsprogramm «Cosmic Vision 2015-2025» veröffentlicht. Ausgewählt wurde dann unter anderem ein Vorschlag namens LAPLACE, der eine Mission zum Jupiter anstrebte. In Zusammenarbeit mit der NASA wurde LAPLACE zunächst zum dem als EJSM (Europa-Jupiter-System Mission) bekannten Missionskonzept weiterentwickelt und darauf aufbauend schliesslich von der ESA zur Weltraummission Juice ausgearbeitet.
Nicolas Thomas war 2009 als Vorsitzender der «Arbeitsgruppe Sonnensystem» der ESA früh involviert bei der Mission zum Jupiter. Heute ist Thomas Direktor des Nationalen Forschungsschwerpunkts NFS PlanetS, den die Universität Bern gemeinsam mit der Universität Genf leitet. Und unter seiner Leitung wurde an der Universität Bern das sogenannte ‘Range Finder Module’ für das Laser Altimeter GALA an Bord von Juice entwickelt, welches die Oberflächentopografie und die innere Struktur des Jupitermondes Ganymed untersuchen wird.
Thomas erklärt: «Das äussere Sonnensystem enthält eine grosse Menge an Informationen über den Ursprung und die Entwicklung unseres Sonnensystems als Ganzes. Das ist der Hauptgrund, warum sich sowohl die ESA als auch die NASA derzeit auf Objekte wie den Jupiter und seine Monde konzentrieren.» Die Untersuchung von Wasser und Wassereis auf Eismonden wie Europa und Ganymed werde auch viel dazu beitragen, die Rolle des Wassers an Orten zu verstehen, an denen Leben hätte entstehen und längerfristig existieren können – in unserem Sonnensystem und darüber hinaus.
Eines der grössten Hindernisse, das überwunden werden musste, war die Finanzierung von GALA. «Nach über einem Jahr ist es unserem deutschen Partner im Projekt aber dann doch noch gelungen, die Finanzierung sicherzustellen», so Thomas. Die aus seiner Sicht grösste Herausforderung auf der Reise zum Jupiter: «Ganz klar die kosmische Strahlung! Elektronische Bauteile mögen es gar nicht, wenn sie der Strahlung im Weltraum ausgesetzt werden.»
Von tiefen Temperaturen und vielen Messzyklen
Axel Murk, der heute die Abteilung für Mikrowellenphysik am Institut für Angewandte Physik der Universität Bern leitet, ist ebenfalls seit 2009 am Konzept für die Jupitermission beteiligt. Unter seiner Leitung wurde die Optik und die Kalibrationseinheit für das Submillimeter Wave Instrument (SWI) entwickelt. Das SWI wird die Wärmestrahlung aus der Atmosphäre des Jupiters messen. Damit lasse sich neben der chemischen Zusammensetzung auch die Temperaturverteilung und die Windgeschwindigkeiten in der Jupiteratmosphäre bestimmen, wie Murk erklärt.
«Ursprünglich war eine Beteiligung der NASA am Submillimeter Wave Instrument vorgesehen», erzählt Murk. Jedoch habe die NASA die dafür vorgesehenen Mittel gekürzt, und das Instrument musste ohne die US-Partner entwickelt werden.
Finanzierungsfragen waren jedoch auch für Murk nicht die einzige Herausforderung. «Unser Instrument enthält mehrere bewegliche Komponenten, die auch bei den tiefen Temperaturen im Jupitersystem und während vielen Messzyklen noch präzise arbeiten müssen. Das ist für die korrekte Blickrichtung und die Kalibration des Instruments unerlässlich. Die Lebensdauer dieser Mechanismen stellt unter den Umgebungsbedingungen der Mission eine grosse Herausforderung dar», so Murk.
Von komplexen Anforderungen und risikoreichen Vorbeiflügen an Planeten
Ebenfalls seit den Anfängen der Konzeptionsphase der Jupitermission ist Peter Wurz, heutiger Direktor des Physikalischen Instituts. Er ist der Co-Principal Investigator des PEP-Experiments, das aus sechs Einzel-Instrumenten besteht und welches die Jupitermonde vermessen wird. Wurz leitete auch die Entwicklung des NIM-Instruments, das Teil von PEP ist. NIM wurde nicht nur an der Universität Bern entwickelt, sondern ebenfalls hier gebaut und getestet.
Gefragt nach der grössten Herausforderung im Projekt, sagt Wurz: «Die Komplexität von NIM war herausfordernd: das Instrument muss einerseits klein und leicht sein und wenig Strom verbrauchen, aber dennoch eine hohe Leistung erbringen, um die wissenschaftlichen Ziele zu erreichen und die hohe Strahlungsumgebung in der Jupiterumlaufbahn zu überstehen. Viele Dinge mussten speziell für diese Mission erst entwickelt und getestet werden.»
Komplex ist auch die internationale Zusammenarbeit: Gerade, weil Weltrauminstrumente technologisch hochentwickelt sind, ist oft nicht das gesamte Fachwissen an einer einzelnen Institution vorhanden. Wurz sagt: «Man bildet internationale Teams, zu denen jede Partnerinstitution ihr jeweiliges Fachwissen beiträgt und in denen man sich die Kosten für die Entwicklung eines solchen Instrument teilen kann.»
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Und welches sind die Schwierigkeiten auf dem Weg zum Jupiter? «Um Schwung zu holen auf dem Weg zum Jupiter, wird Juice mehrmals an der Erde und der Venus vorbeifliegen. Jeder dieser Vorbeiflüge stellt ein Risiko dar! Und am Ende muss die Weltraumsonde in ihre Umlaufbahn im Jupitersystem ‘eingefügt’ werden – ein weiterer kritischer Moment», so Wurz.
Nicolas Thomas, Axel Murk und Peter Wurz freuen sich auf den Raketenstart, auch wenn auch dieser mit weiteren Herausforderungen und Risiken verbunden ist. Einige der Leute aus ihren Teams werden nach Kourou reisen, um live vor Ort dabei zu sein. Die drei jedoch freuen sich, wenn sie am 13. April am öffentlichen Launch Anlass an der Universität Bern auf den hoffentlich geglückten Start werden anstossen können.
ZU DEN PERSONEN
Peter Wurz ist seit 2008 ordentlicher Professor am Physikalischen Institut der Universität Bern und seit 2023 dessen Direktor. Nach einer Ausbildung zum Elektronikingenieur absolvierte er ein Studium der Technischen Physik an der TU Wien. Danach war er Postdoktorand am Argonne National Laboratory, Chicago. Seit 1992 ist er an der Universität Bern tätig. Der Schwerpunkt seiner Arbeit ist der Ursprung und die Entwicklung der Planeten durch Messung der chemischen Zusammensetzung der Atmosphären und Oberflächen von Planeten.
Nicolas Thomas ist seit 2003 Professor am Physikalischen Institut der Universität Bern und seit 2022 Direktor des Nationalen Forschungsschwerpunkts NFS PlanetS, den die Universität Bern gemeinsam mit der Universität Genf leitet. Er promovierte 1986 an der University of York in Grossbritannien und arbeitete anschliessend am Max-Planck-Institut für Aeronomie in Katlenburg-Lindau mit Aufenthalten am European Space Research and Technology Centre der ESA in Noordwijk und der Universität Arizona in den USA. Er arbeitet an Fernerkundungsinstrumenten für die Erforschung des Mars, von Kometen und dem Jupiter-System. Er hilft gerade dabei, eine Mission zu Jupiters vulkanischem Mond Io zu planen.
Axel Murk leitet seit 2018 die Abteilung für Mikrowellenphysik am Institut für Angewandte Physik der Universität Bern. Er hat an der Technischen Universität München Physik studiert und 1999 an der Universität Bern promoviert. Seitdem arbeitet er dort an der Entwicklung von Mikrowellen-Radiometern für die Fernerkundung der Atmosphäre. Neben den bodengestützten Instrumenten, die die Abteilung in der Schweiz und der Arktis betreibt, ist er auch an der Entwicklung von Terahertz-Empfängern für verschieden Weltraummissionen beteiligt. Zur Zeit ist Axel Murk Co-Investigator für das Submillimeter-Wave Instrument SWI auf der ESA Mission Juice.
JUICE LAUNCH ANLASS
Mit Live Stream aus Kourou und Space Talks
Donnerstag, 13. April, 13.00–16.00 Uhr
Universität Bern, Gebäude «Exakte Wissenschaften» Sidlerstrasse 5, 3012 Bern, Hörsaal 099
Der Anlass findet in Deutsch und Französisch statt.
SERIE
Die Menschen hinter Juice
Dieser Artikel ist Teil einer Serie, in der die Menschen an der Uni Bern vorgestellt werden, die an der Weltraummission Juice beteiligt sind.
MEDIENMITTEILUNG
Die Universität Bern ist bei Jupiter-Mission mit an Bord
Die Weltraummission Juice der europäischen Weltraumorganisation ESA wird am 13. April 2023 ihre Reise zum Jupiter antreten und dort unter anderem bei drei Eismonden nach Spuren von Leben suchen. Die Universität Bern steuert das Massenspektrometer NIM zur Mission bei, und ist an zwei weiteren Instrumenten beteiligt: Dem Submillimeter Wave Instrument SWI und dem Laser Altimeter GALA.
BERNER WELTRAUMFORSCHUNG: SEIT DER ERSTEN MONDLANDUNG AN DER WELTSPITZE
Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solarwind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant, gebaut und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung.
Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei: Die Universität Bern nimmt regelmässig an Weltraummissionen der grossen Weltraumorganisationen wie ESA, NASA oder JAXA teil. Mit CHEOPS teilt sich die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission. Zudem sind die Berner Forschenden an der Weltspitze mit dabei, wenn es etwa um Modelle und Simulationen zur Entstehung und Entwicklung von Planeten geht.
Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.