Mondmissionen
Roboterteam soll den Mond erkunden
Schweizer Forschende rüsten Laufroboter mit Messinstrumenten aus, um auf dem Mond nach Mineralien und Rohstoffen zu suchen. Die Stärke der Roboter ist ihr Teamwork: selbst bei einem Ausfall geht die Mission weiter.
Auf dem Mond locken Rohstoffe, welche die Menschheit eines Tages abbauen und nutzen könnte. Verschiedene Raumfahrtbehörden wie die Europäische Weltraumorganisation ESA planen Missionen, um den Erdtrabanten besser zu erforschen und Mineralien aufzuspüren. Dazu braucht es entsprechende Erkundungsvehikel. Unter Leitung der ETH Zürich verfolgen Schweizer Forschende die Idee, nicht einen einzigen Rover auf Erkundungstour zu schicken, sondern ein ganzes Team von Vehikeln, die sich gegenseitig ergänzen. Valentin Bickel vom Center for Space and Habitability (CSH) der Universität Bern ist als Planetenwissenschaftler Mitglied der Forschungsgruppe. Bickel ist auch Mitglied des Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS.
Triumph bei der Space Resources Challenge
Dazu rüsteten die Forschenden drei Laufroboter vom Typ Anymal, der an der ETH entwickelt worden ist, mit unterschiedlichen Mess- und Analysegeräten aus. Sie testeten die Laufroboter auf verschiedenen Geländen in der Schweiz, um dann mit dem Roboterteam an der ESA Space Resources Challenge teilzunehmen, einen europäischen Wettbewerb für Mond-Rover, organisiert vom Europäischen Innovationszentrum für Weltraumressourcen (ESRIC) in Luxemburg.
«Im Wettbewerb ging es darum, auf einem der Mondoberfläche nachempfundenen Testgelände Mineralien zu finden und zu bestimmen», erklärt Valentin Bickel. Die Teilnahme am Wettbewerb verlief äusserst erfolgreich – die Forschenden der Universitäten Bern und Basel, der ETH und der Universität Zürich sowie weiteren Kolleginnen und Kollegen des Forschungszentrums Informatik in Karlsruhe haben die Challenge gewonnen. Die grosse multi-institutionelle Zusammenarbeit wurde bewusst herbeigeführt: «Mit dem Robotic Systems Lab der ETH habe ich schon früher in einer Reihe von Projekten zusammengearbeitet. Die weiteren Mitglieder haben wir gezielt angesprochen, um Wissenslücken im Team zu schliessen», sagt Bickel. «Der Sieg bei der Challenge ist eine grosse Bestätigung für unseren Ansatz, nicht einen einzelnen, sondern eine Gruppe von Robotern einzusetzen, die sich gegenseitig absichern.»
Teamwork auf dem Mond: Spezialisten und Generalisten
In der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift Science Robotics hat das Team nun seine Forschungsergebnisse zur Erkundung eines unbekannten Geländes mit mehreren Robotern publiziert. «Mehrere Roboter zu nutzen, hat zwei Vorteile», erklärt Philip Arm, Doktorand des Departements Maschinenbau und Verfahrenstechnik der ETH Zürich und Erstautor der Studie. «Die einzelnen Roboter können spezialisierte Aufgaben übernehmen und diese zeitgleich ausführen. Zudem ist ein Roboter-Team dank seiner Redundanz dazu imstande, den Ausfall eines Teamgefährten zu kompensieren.» Redundanz heisst in diesem Fall, dass wichtige Messgeräte auf mehreren Robotern installiert sind. Redundanz und Spezialisierung sind also entgegengesetzte Ziele. «Um die Vorteile von beidem nutzen zu können, gilt es, die richtige Balance zu finden», sagt Arm.
Die Forschenden lösten dies so, indem sie zwei Laufroboter als Spezialisten ausrüsteten: Einer ist besonders gut darin, das Gelände zu kartieren und die Geologie einzuordnen. Er nutzt dazu einen Laserscanner sowie mehrere Kameras, darunter auch solche, die Spektralanalysen durchführen können, um erste Hinweise zur mineralischen Zusammensetzung des Gesteins zu erhalten. Der andere Roboter ist auf die präzise Bestimmung von Gesteinen spezialisiert. Dazu dient ihm ein sogenanntes Raman-Spektrometer und eine Mikroskopie-Kamera. «Ich war sowohl an der Entwicklung einiger der verbauten Instrumente als auch der Software zur Auswertung der robotergenerierten Bilddaten beteiligt», sagt Valentin Bickel.
Der dritte Roboter ist ein Generalist: Er kann sowohl das Gelände kartieren und Gesteine bestimmen, hat also ein breiteres Aufgabenspektrum als die Spezialisten, kann diese Aufgaben mit seinen Geräten aber nicht ganz so präzise ausführen. «Auf diese Weise wäre es möglich, die Mission erfolgreich zu Ende zu führen, falls einer der Roboter ausfiele, egal welcher», sagt Arm.
Steigende Autonomie und kombinierte Fortbewegungsarten
Bei der Space Resources Challenge war die Jury besonders davon angetan, dass es den Forschenden dank der Redundanz gelungen ist, ein gegenüber Ausfällen robustes Erkundungssystem zu entwickeln. Als Preis gewannen die Schweizer Forschenden gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen des Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe einen mit insgesamt 500'000 Euro dotierten Forschungsvertrag über ein Jahr, um die Technologie weiterzuentwickeln.
Laufroboter haben Vorteile in Blockfeldern und in steilem Gelände, um zum Beispiel in einen Krater hinabzusteigen. Roboter mit Rädern sind da im Nachteil. Hingegen können sich letztere auf einfacherem Terrain schneller fortbewegen. Bei einer künftigen Mission sei es deshalb sinnvoll, Roboter zu kombinieren, die sich hinsichtlich ihrer Fortbewegungsart unterscheiden.
Ausserdem planen die Forschenden, die Autonomie der Roboter zu erhöhen. Bis jetzt flossen alle Daten der Roboter in ein Kontrollzentrum, wo ein Operator den einzelnen Robotern Aufgaben zuteilt. In Zukunft könnten sich teilautonome Roboter bestimmte Aufgaben gegenseitig direkt zuteilen. Langweilig wir den Forschenden bei der gemeinsamen Weiterentwicklung des Roboterteams nicht: «Die interdisziplinäre Kommunikation und die technische Umsetzung von wissenschaftlichen Idealvorstellungen sind für mich die grössten Herausforderungen. Der Weg von ‚ich hätte gerne diese spezielle Art von Bild‘ bis zur Integration der entsprechenden Hardware und Software in dem Netzwerk von Robotern ist lang», sagt Bickel.
Der Artikel auf Basis eines Artikels der ETH Zürich erstellt: Mehr Informationen
ZUR PUBLIKATION
Arm P, Waibel G, Preisig J, Tuna T, Zhou R, Bickel V, Ligeza G, Miki T, Kehl F, Kolvenbach H, Hutter M: Scientific Exploration of Challenging Planetary Analog Environments with a Team of Legged Robots. Science Robotics, 12. Juni 2023, doi: 10.1126/scirobotics.ade9548
Zur Person
Dr. Valentin Bickel
ist Fellow am Center for Space and Habitability (CSH) an der Universität Bern und Mitglied des Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS. Er promovierte an der ETH Zürich und dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und absolvierte mehrere Forschungsaufenthalte an Instituten in den USA sowie dem NASA Jet Propulsion Laboratory. Valentin Bickel nutzt eine Kombination aus traditionellen ingenieur-geologischen Verfahren, satelliten- und robotergestützter Fernerkundung und maschinellem Lernen, um dynamische Prozesse auf den Oberflächen von Mond, Mars und Merkur zu erforschen.
Kontakt:
Dr. Valentin Bickel: valentin.bickel@unibe.ch
Über das Center for Space and Habitability (CSH)
Die Aufgabe des Center for Space and Habitability (CSH) ist es, den Dialog und die Interaktion zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zu fördern, die sich für die Entstehung, Entdeckung und Charakterisierung anderer Welten innerhalb und ausserhalb des Sonnensystems, die Suche nach Leben anderswo im Universum und deren Auswirkungen auf Disziplinen außerhalb der Naturwissenschaften interessieren. Zu den Mitgliedern, Affiliierten und Mitarbeitenden gehören Expertinnen und Experten aus der Astronomie, Astrophysik und Astrochemie, Atmosphären-, Klima- und Planetenforschung, Geologie und Geophysik, Biochemie und Philosophie. Das CSH beherbergt die CSH und Bernoulli Fellowships, ein Programm für junge, dynamische und talentierte Forschende aus der ganzen Welt, um unabhängige Forschung zu betreiben. Es führt aktiv eine Reihe von Programmen durch, um die interdisziplinäre Forschung innerhalb der Universität Bern zu stimulieren, einschliesslich der Zusammenarbeit und des offenen Dialogs mit Medizin, Philosophie und Theologie. Das CSH hat zudem eine aktive Verbindung mit dem Centre for Exoplanets & Habitability der University of Warwick.