Rechtswissenschaft
Wie schädlich fürs Klima sind Subventionen?
Braucht die Schweiz Reformen bei den staatlichen Anreizen, um bis 2050 das Netto-Null-Ziel zu erreichen? Diese Frage will eine interdisziplinäre Tagung an der Universität Bern klären.
Rechtliche Aspekte werden immer wichtiger im Klimaschutz. Schlagzeilenträchtige Fälle wie die Klage der KlimaSeniorinnen gegen die Schweiz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenechte in Strassburg sind nur ein Teil dieser Entwicklung. «Noch kaum diskutiert worden ist von den Rechtswissenschaften die Bedeutung von Subventionen im Klimaschutz», sagt Charlotte Blattner, Oberassistentin am Institut für öffentliches Recht und Mitglied des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern. Sie gehört zum Organisationsteam der Tagung «Klimaschutz und Subventionen: Braucht es Reformen?».
«Die Bedeutung von Subventionen im Klimaschutz ist von den Rechtswissenschaften noch kaum diskutiert worden.»
Charlotte Blattner
Welch hohen Stellenwert Subventionen in der Schweiz haben, belegt eine von Avenir Suisse 2022 erhobene Zahl: 57 Milliarden Franken gibt allein der Bund jährlich dafür aus. Nicht miteingerechnet sind Subventionen von Kantonen und Gemeinden in unbekannter Höhe. Gewisse dieser Zahlungen können Entwicklungen fördern, welche die Treibhausgasemissionen in der Schweiz erhöhen. So etwa die Subventionen für Flughäfen oder eine reduzierte Mineralölsteuer für Fahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft. Neben dieser direkten Förderung gibt es auch indirekte Faktoren, beispielsweise eine steuerliche Begünstigung von selbst genutztem Wohneigentum, die den zu beheizenden Raum und die Mobilität erhöhen können.
Schnittstelle von Klima- und Rechtswissenschaften
Vor diesem Hintergrund kommen die Rechtswissenschaften ins Spiel. «Wir betreiben rechtliche Grundlagenforschung, um herauszufinden, wie das Schweizer Recht angepasst werden muss, um die Pariser Klimaziele zu erreichen», erklärt Peter Bieri, Oberassistent am Institut für öffentliches Recht, und einer der Organisatoren der Tagung an der Schnittstelle von Klima- und Rechtswissenschaften. Der Anlass, so Bieri, diene unter anderem dazu abzuklären, wo mit Blick auf den Klimaschutz Reformbedarf bestehe und wie allenfalls Gesetze angepasst werden müssten.
Wie zahlreich unerwünschte Nebenwirkungen staatlichen Tuns sind, hat 2020 eine Studie der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) für einen inhaltlich verwandten Bereich herausgefunden. Sie listet 160 Subventionen und Anreize auf, die ganz oder teilweise schädlich für die Biodiversität sind.
«Subventionen sollen privates Handeln fördern, das im öffentlichen Interesse ist.»
Peter Bieri
Die Berner Subventionstagung, der wohl erste Anlass dieser Art in der Schweiz, bietet als Einstieg sechs Vorträge von hochkarätigen Referentinnen und Referenten von in- und ausserhalb der Universität Bern. Im Anschluss werden die Inhalte in parallelen Ateliers vertieft. Die Diskussionsthemen reichen von «Subventionen und Energiesystem» über «Die Rolle der Gemeinden bei der Förderung» bis zu «Anreize im Klimaschutz(recht): Potential, Grenzen und Gefahren».
Landwirtschaft und Klimaschutz
Ein weiteres Atelier zu «Klimaschutz und Subventionen in der Landwirtschaft» wird unter anderem von Stefan Mann geleitet. Er ist Spezialist für Soziökonomie an der Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung und lehrt an der ETH Zürich. Seit 2014 die Beiträge für sogenannte «Raufutter verzehrende Grossvieheinheiten» abgeschafft worden seien, erklärt er, sehe er «keine fundamentalen Zielkonflikte mehr zwischen dem Direktzahlungssystem und dem Klimaschutz». Die heutigen Stützungsmassnahmen in der Landwirtschaft betrachte er «als nur gering korreliert mit dem ökologischen Fussabdruck». Mit derart pointieren Äusserungen ist an der Tagung vom 20. Oktober für spannende Diskussionen gesorgt.
«Es ist gar nicht so leicht, den Einfluss von Subventionen auf das Verhalten und somit auf die Treibhausgasemissionen zu messen.»
Philippe Thalmann
Dazu dürfte auch Philippe Thalmann mit seinen Ausführungen zu indirekten Subventionen im Verkehr beitragen. Der Professor für die Ökonomie der natürlichen und gebauten Umwelt an der EPFL Lausanne wird einen Vortrag mit Titel «Subventions-Check Schweiz: Eine umweltökonomische Analyse klimaschädigender Subventionen» halten. Er leitet gegenwärtig ein Forschungsprojekt, das sich mit diesem Thema befasst. Zwar läuft das Projekt erst seit kurzem, doch so sagt Thalmann: «Eine vertiefte Betrachtung von vermeintlichen Subventionen zeigt, dass es gar nicht so leicht ist, das tatsächliche Ausmass der Subventionierung zu bemessen, und noch weniger, deren Einfluss auf das Verhalten, und somit auf die Treibhausgasemissionen. Wir untersuchen dies gegenwärtig im Fall des Pendlerabzugs bei der Einkommenssteuer, sowie beim Dienstwagenprivileg.» Erst wenn eine sorgfältige Prüfung ergeben habe, dass diese Subventionen wirklich klimaschädlich seien, stelle sich die Frage, ob und wie sie modifiziert werden sollten. «Dabei sollten auch etwaige Verteilungseffekte berücksichtigt werden, sonst hat eine solche Empfehlung politisch keine Chance.» Philippe Thalmann will transparent machen, dass Subvention gewissen Bevölkerungsgruppen zugutekommt, zum Beispiel den Autopendlern und dass eine Abschaffung dieser Unterstützung für diese Gruppe Mehrausgaben bedeuten würde. «Das bedeutet nicht, dass die Subvention deswegen unverändert beibehalten werden muss, aber wir wollen dies wenigstens in die Analyse aufnehmen.»
Hochkomplex und politisch sensibel
Schon vor der Berner Subventionstagung ist also eines klar: Das Thema ist hochkomplex und politisch sensibel. Peter Bieri, Mitorganisator der Tagung, fasst die Ausgangslage so zusammen: «Das Ziel von Subventionen ist generell ihre Wirksamkeit, und die muss immer wieder überprüft werden. Subventionen sollen privates Handeln fördern, das im öffentlichen Interesse ist. Bis heute wird viel zu wenig geklärt, ob es dabei Zielkonflikte gibt.»
Tagung
Klimaschutz und Subventionen: Braucht es Reformen?
Die Tagung «Klimaschutz und Subventionen: Braucht es Reformen?» ist öffentlich und findet am 20. Oktober von 9:15 Uhr bis 16:45 Uhr 2023 an der UniS statt. Der Anlass richtet sich an ein interessiertes Publikum aus Wissenschaft, Praxis und Politik.
Oeschger-Zentrum für Klimaforschung
Das Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR) ist eines der strategischen Zentren der Universität Bern. Es bringt Forscherinnen und Forscher aus 14 Instituten und vier Fakultäten zusammen. Das OCCR forscht interdisziplinär an vorderster Front der Klimawissenschaften. Das Oeschger-Zentrum wurde 2007 gegründet und trägt den Namen von Hans Oeschger (1927-1998), einem Pionier der modernen Klimaforschung, der in Bern tätig war.
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Zum Autor
Kaspar Meuli ist Journalist und PR-Berater. Er ist verantwortlich für die Kommunikation des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung.