Universität
Von der Wissenschaft für die Wissenschaft
Gemäss Open-Access-Strategie der Schweiz soll mit öffentlichen Geldern finanzierte Forschung auch öffentlich zugänglich sein. Die Universitätsbibliothek Bern unterstützt diese Strategie – unter anderem mit der Plattform Bern Open Publishing BOP, auf der Forschende digital publizieren können.
Wer bestimmt, was die Wissenschaft veröffentlicht? Die Wissenschaft? Schön wär’s.
Das wissenschaftliche Publikationswesen ist ein sehr einträgliches Geschäft, und entsprechend richten grosse oder aufstrebende Verlage ihr Programm nach ökonomischen Kriterien aus. In Forschungsbereichen, in denen hohe Publikationsgebühren und hohe Zugriffszahlen erwartet werden, erscheinen in atemberaubender Kadenz neue Journals und vor allem so genannte special issues, also Sondernummern bestehender Zeitschriften. In bestimmten Verlagen sind das Dutzende – pro Tag.
Die Daten, mit denen die am meisten Erfolg versprechenden Gebiete in der Publikationslandschaft ausgemacht werden, sammeln die Verlage fleissig bei den Forschenden. Wer auf ihren Plattformen recherchiert, ihre Datenbanken konsultiert, ihre Publikationen liest oder mit ihren Redaktionssystemen arbeitet, wird sehr genau beobachtet. Wissenschaftliche Verlage gehören mittlerweile zu den ganz grossen Datensammlern und -händlern.
Die Geschwindigkeit, mit der wissenschaftliche Publikationen auf den Markt kommen, ist manchmal schier schwindelerregend. Und nicht selten muss man sich fragen, ob mit den erstaunlich kurzen Begutachtungs- und Überarbeitungsfristen für die Beiträge seriöses wissenschaftliches Arbeiten überhaupt möglich ist.
Grossere Vielfalt und Qualität
Das ist Lena van der Hoven vom Institut für Musikwissenschaft der Universität Bern besonders wichtig. Die Professorin für Musiktheater bereitet zurzeit das neue Journal of Black Opera and Music Theatre vor, das demnächst auf BOP Serials publiziert wird. Die neue Zeitschrift widmet sich als offizielles Journal des Black Opera Research Network (BORN) der Oper und anderen Formen des Musiktheaters mit Beiträgen, die Blackness als Thema, Methodik oder Identitätskonstruktion in den Mittelpunkt stellen und sich mit multinationalen Perspektiven und Identitäten auseinandersetzen. «Wir werden auf jeden Fall besonderes Gewicht darauf legen, dass sowohl Forschende als auch Künstler*innen aus dem Globalen Süden bei uns publizieren. Und selbstverständlich haben wir in unserem Team auch mehrere Kolleg*innen aus dem Globalen Süden.»
Claudio Nigg, Professor für Sportwissenschaft an der Universität Bern und Editor-in-Chief der Zeitschrift Current Issues in Sport Science (CISS), hält fest: «BOP macht es uns möglich, ein qualitativ hochwertiges Peer-Review-Verfahren zu gewährleisten und gleichzeitig wissenschaftliche Veröffentlichungen für alle zugänglich zu machen – unabhängig von Forschungsbudgets oder kommerziellen Interessen.» Das führe zu innovativeren und aktuelleren Beiträgen, zu einer besseren Wissensverbreitung und einer grösseren Vielfalt von Autor*innen – einschliesslich junger Forschenden aus der ganzen Welt. «Wir können die Kommunikation mit Autor*innen, das Peer-Review-Verfahren und die Verwaltung der bearbeiteten Texte direkt in BOP machen. Der ganze Publikationsprozess liegt in unserer Hand. Editorische Entscheidungen fällen wir allein nach wissenschaftlichen Kriterien, nicht nach dem Geschäftsmodell eines Verlages.»
Bücher, Audiovisuelles und Dissertationen
In den letzten Jahren hat auch die Zahl der Open-Access-Bücher markant zugenommen – dank der Open-Access-Strategien der Forschungsförderer, aber wohl auch wegen veränderter Nutzungsgewohnheiten. 2021 hat die UB deshalb mit BOP Books eine Publikationsplattform für Open-Access-Bücher aufgebaut, die wie BOP Serials dem Prinzip des scholar-led folgt, sich also allein an den Bedürfnissen der Wissenschaft orientiert. Im vergangenen Jahr wurde dazu ein wissenschaftlicher Beirat gebildet, der sich zusammensetzt aus Professor*innen der Universität Bern und Professor*innen oder Direktor*innen der Zentren und übergreifenden Einheiten (s. Kasten). Der wissenschaftliche Beirat entscheidet über die Aufnahme von Buchreihen und Einzelbänden und stellt die Qualität der Peer-Reviews sicher.
Die Publikationen auf BOP Books sind – wie auch jene auf BOP Serials – in erster Linie elektronisch. Eine Print-on-Demand-Option ist aber ebenfalls möglich. BOP Books, das auf dem Open-Source-System Open Monograph Press (OMP) läuft, lässt mit verschiedenen Dateiformaten mehr zu als elektronische Versionen herkömmlicher Bücher. So können hochaufgelöste Bilder integriert und mit einem Viewer bis ins kleinste Detail studiert werden. Auch audiovisuelle Inhalte lassen sich in ein elektronisches BOP Buch einbinden.
Doktorierenden, die ihre Dissertationen online und Open Access publizieren wollen oder müssen, bietet die Universitätsbibliothek die Plattform BORIS Theses an. Mittlerweile sind über 500 Dissertationen aus den verschiedenen Fakultäten der Universität Bern auf BORIS Theses publiziert.
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CRAFT-OA
Mit ihrem Beitrag zum EU-Projekt CRAFT-OA (Creating a Robust Accessible Federated Technology for Open Access) wird die Universitätsbibliothek Bern alternative, institutionelle Publikationplattformen stärken, den Herausgeber*innen von unabhängigen scholar-led-journals die Arbeit erleichtern und ihren Publikationsprozess nachhaltig verbessern. In CRAFT-OA werden 23 Institutionen aus 14 Ländern zusammenarbeiten, um Zeitschriftenplattformen und -software technisch zu optimieren, die Integration in grosse Datenaggregatoren zu verbessern und die Diamond-Open-Access-Journals besser sichtbar und auffindbar zu machen. CRAFT-OA wird die Services und Werkzeuge für den gesamten Weg des Journalpublizierens verbessern und es alternativen, institutionellen Publikationsplattformen wie Bern Open Publishing ermöglichen, ihre Angebote auszubauen, weiter zu professionalisieren und so Publikationen von der Wissenschaft für die Wissenschaft ohne finanzielle Schranken zugänglich zu machen.
BOP Books - Wissenschaftlicher Beirat
Prof. Hugues Abriel, Institut für Biochemie und Molekulare Medizin, Prof. Michèle Amacker, Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung, Dr. Sabin Bieri, Centre for Development and Environment, Prof. René Bloch, Institut für Judaistik, Prof. Stefan Brönnimann, Geographisches Institut - Klimatologie, Prof. Beate Fricke, Institut für Kunstgeschichte, Prof. Claudio Nigg, Institut für Sportwissenschaft