«Afrikanische Expertise bringt die Universität voran»

Professorin Margaret Owuor und Vizerektor Hugues Abriel sprechen über die Gründe und Pläne für die Initiative Afrique, die vorhandene Forschungskompetenzen an der Universität Bern bündeln will.

Was hat Sie dazu bewogen, sich der Initiative Afrique anzuschliessen?  

Margaret Owuor:  Als ich 2022 meine Professur an der Wyss Academy und dem Institut für Ökologie und Evolution antrat und von der Initiative Afrique erfuhr, war ich begeistert. Ich hoffte auf eine Plattform, um die Probleme anzusprechen und zu diskutieren, mit denen ich als Afrikanerin in einer internationalen Forschungsgemeinschaft konfrontiert bin. Es ist eine Chance, um die Dinge neu anzugehen. 

Hugues Abriel:  Ich arbeite bereits seit rund 10 Jahren mit afrikanischen Forschenden und Studierenden zusammen. Da die Universität im Rahmen der Strategie 2030 ihre internationalen Netzwerke ausbauen möchte, habe ich in meiner Funktion als Vizerektor Forschung und Innovation der Universitätsleitung vorgeschlagen, einen geografischen Schwerpunkt für dieses Ziel zu setzen. Durch die Mitgliedschaft der Universität in «The Guild of European Research-Intensive Universities» und die in diesem Rahmen verstärkte Zusammenarbeit mit der «African Research Universities Alliance (ARUA)» hat sich bereits eine gute Dynamik entwickelt. Jetzt arbeiten wir für die Initiative Afrique über zwei unserer Vizerektorate hinweg zusammen. 

Warum konzentrieren Sie sich gerade auf den afrikanischen Kontinent?  

Abriel:   Dieser Schwerpunkt ist nicht ausschliesslich zu verstehen, aber der afrikanische Kontinent birgt grosses Potenzial. Wir beschäftigen uns mit einigen der wichtigsten Themen, mit denen die Welt heute konfrontiert ist: Klimawandel, Wasser- und Landmanagement, Migration und vieles mehr. Gleichzeitig haben wir ein faszinierendes Forschungsumfeld, das von der Biodiversität bis hin zur Genomik reicht: so begann zum Beispiel die Geschichte der menschlichen Bevölkerung in Afrika, daher sind die Genome dort viel vielfältiger und bergen enormes medizinisches Forschungspotenzial. Aber im Rahmen dieser Forschung kann man kaum die richtigen Fragen stellen, wenn man nicht mit direkt betroffenen Menschen arbeitet. 

Owuor:  Als Forscherin muss ich natürlich auch noch die Biodiversität betonen. Aber ganz allgemein wird prognostiziert, dass in einigen Jahrzehnten mindestens ein Drittel der jungen Menschen auf der Welt Afrikanerinnen und Afrikaner sein werden. Diese Menschen sind sehr talentiert und begeistert von neuen Technologien. Afrika ist zum Beispiel führend bei der Nutzung von Mobiltelefonen. Selbst im abgelegensten Teil Kenias findet man ein Handy. Ausserdem wurden bereits in den 2000er Jahren mobile Zahlungsdienste eingeführt. 

Abriel:  Diese Technologien, und ich möchte die künstliche Intelligenz anschliessen, sind im Vergleich zu teuren Forschungsgeräten viel einfacher verfügbar. Alles, was man braucht, ist ein kluger Kopf – und da kommen die vielen jungen, gut ausgebildeten Studierenden ins Spiel, die zeigen wollen, dass sie einen globalen Beitrag leisten können. 

Owuor:  Es gibt auch bereits viele kompetente afrikanische Forschende, aber sie haben nicht dieselben Möglichkeiten. Afrikanische Länder geben im Durchschnitt weniger als 1 Prozent ihres BIP für Forschung aus, weil Forschung zu oft als Kostenfaktor und nicht als Notwendigkeit gesehen wird. Wenn man aber keine finanziellen Mittel hat, ist es schwierig, Forschung zu betreiben und in seinem Fachgebiet wettbewerbsfähig zu bleiben. Viele Forschende greifen dann auf das eigene Gehalt zurück. Als ich in Kenia gearbeitet habe, musste ich mir selbst einen Arbeitslaptop beschaffen. Dann benötigt man Mittel, um auf Fachzeitschriften zuzugreifen und darin zu publizieren, Feldforschung zu betreiben und an Konferenzen teilzunehmen. Wer sich international einbringen will, braucht zudem Visa und Reisestipendien. 

Ist die Finanzierung ein Thema, das die Initiative Afrique angehen will?  

Abriel:  Die Finanzierung ist natürlich ein wichtiger Aspekt, aber müssen wir wirklich von der Universitätsleitung eine grosse Investition verlangen? Ich denke, dass man viele Dinge mit wenig Geld machen kann – vielleicht ist das etwas, was wir von unseren afrikanischen Kollegen lernen können. 

Owuor:  Ich bin auch der Meinung, dass es am besten ist, klein anzufangen und dann wo sinnvoll auszubauen. Ich würde mir ein Konzept wünschen, das verschiedene Möglichkeiten bietet, um den Bedürfnissen von Studierenden und Forschenden gerecht zu werden, wie Austauschprogramme für Kurzaufenthalte mit gleichen Möglichkeiten und Leistungen wie in westlichen Ländern. Längere Aufenthalte in Europa sind aufgrund familiärer und beruflicher Verpflichtungen nicht für alle möglich. Unser Ziel ist es, mehr Menschen auf dem afrikanischen Kontinent auszubilden und zu befähigen. 

Abriel:  Wir haben hier die Chance, es besser zu machen als früher. Damals flog man dank vorhandenen Ressourcen an einen Ort, sammelte seine Daten und ging wieder, ohne die Leute vor Ort angemessen einzubeziehen. Das führte verständlicherweise zu viel Frustration. Unsere Kolleginnen und Kollegen vom Kontinent, so wie Margaret, haben ihre Geschichte, Netzwerke und Visionen, wie man Zusammenarbeit und Wissenschaft entwickeln kann. Wir sollten ihnen zuhören und unsere Aktivitäten entsprechend priorisieren. 

Wie arbeiten Sie denn innerhalb der Initiative Afrique zusammen? 

Abriel:  Wir haben eine Community aufgebaut, die auch durch ein Board vertreten wird, das idealerweise alle Fakultäten umfasst. Wir wollen die Community so breit und inklusiv wie möglich halten, solange es um afrikanische Projekte, Partner und Menschen geht. Bis hin zu Bachelorstudierenden sind alle willkommen – je jünger, desto besser!  

Es geht also nicht nur um die Vernetzung über Grenzen hinweg, sondern auch um die Vernetzung innerhalb der Universität? 

Owuor:  Ja, in der Tat. Ziel ist es, unser Wissen und unsere Erfahrungen zu teilen, um Projekte und Praktiken über Grenzen hinweg zu verbessern. Wir haben Forschende und Institutionen an der Universität Bern, die langfristige Partnerschaften auf dem Kontinent aufgebaut haben, zum Beispiel mit den Universitäten von Addis Abeba und Nairobi. Wir haben auch so einige Forschende afrikanischer Herkunft hier in Bern. Aber als Minderheit ist man immer noch verunsichert, ob man wirklich etwas zu sagen hat – sogar ich als Professorin. Einige meiner Kolleginnen und Kollegen arbeiten an Orten, wo «Afrika» leider nur eine Worthülse im Projekt- oder Institutionstitel ist, statt wirklich Teil davon zu sein. Zum Glück haben wir jetzt in Bern mit der Initiative Afrique einen Raum, in dem alle Seiten sich einbringen können. 

Abriel:  Ich glaube, das ist der einzige Weg zum Erfolg. Dieser gemeinschaftsbasierte Ansatz braucht am Anfang mehr Zeit, um herauszufinden, wie wir am besten zusammenarbeiten können. Aber er macht unsere Bemühungen stärker und es ist weniger wahrscheinlich, dass sie in den nächsten Jahren verpuffen, wenn die Beteiligten kommen und gehen. 

Was möchten Sie mit der Initiative Afrique in fünf Jahren erreicht haben? 

Abriel:  Eines der Potenziale unserer Volluniversität liegt in der Multi- und Transdisziplinarität. Es wäre schön zu sehen, wie Biologinnen mit Linguisten sprechen und ihre Ansätze in der Zusammenarbeit mit afrikanischen Partnerinnen und Partnern vergleichen – vielleicht sogar gemeinsam an Projekten arbeiten? Für mich ist hier der richtige Weg das Ziel. 

Owuor:  Für mich ist die Vision ganz einfach. Es geht darum, mehr Inklusion zu erreichen und die Dinge zum Besseren zu verändern.  

Kontakte: Prof. Dr. Margaret Owuor: margaret.owuor@wyssacademy.org, Prof. Dr. Hugues Abriel: hugues.abriel@unibe.ch

Mehr Informationen zur Initiative Afrique: unibe.ch/initiative_afrique

Collegium generale

Am 25. September 2024 spricht Prof. Dr. Ernest Aryeetey, ehemaliger Generalsekretär der «African Research Universities Alliance (ARUA)», im Rahmen der Ringvorlesung des Collegium generale an der Universität Bern.

Zur Person

Margaret Owuor

ist Professorin an der Wyss Academy for Nature und der Universität Bern. Ihre Forschungsschwerpunkte sind der Nutzen der Natur für den Menschen und der Schutz der Biodiversität. In ihrer Forschung verfolgt sie einen stark lokal orientierten, partizipativen Ansatz und widmet sich ausserdem dem Wissenstransfer und Mentoring von Nachwuchsforschenden.

Zur Person

Hugues Abriel

ist Vizerektor Forschung und Innovation und Professor am Institut für Biochemie und Molekularmedizin an der Universität Bern. Seit mehreren Jahren steht er in engem Kontakt mit jungen Ärztinnen und Ärzten und Nachwuchsforschenden aus den französischsprachigen Regionen Afrikas und hat ein akademisches Sabbatical an den Universitäten von Kinshasa (Demokratische Republik Kongo) und Fez (Marokko) verbracht.

Magazin uniFOKUS

«Afrika»

Dieser Artikel erschien erstmals in uniFOKUS, dem Printmagazin der Universität Bern. uniFOKUS beleuchtet viermal pro Jahr einen thematischen Schwerpunkt aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Aktuelles Fokusthema: «Afrika»

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