Aymo Brunetti: Wie politisch hätten Sie es gern?

Wie gelingt es Professorinnen und Professoren, den Diskurs in ihren Lehrveranstaltungen unvoreingenommen und ergebnisoffen zu halten? Und welche Erfahrungen machen sie ausserhalb der Hörsäle mit Versuchen politischer Vereinnahmung? Ein Ökonom bezieht Stellung.

Hochpolitisches logisch zergliedern

«Diese Frage ist für den Unterricht einer Sozialwissenschaft wie der Volkswirtschaftslehre (VWL) sehr relevant. Gerade in meiner Einführungsvorlesung geht es so gut wie immer um Themen, die medial kontrovers diskutiert werden und zu denen es unterschiedlichste politische Ansichten gibt; das macht das Fach gerade besonders interessant. In der ersten Vorlesungsstunde spreche ich das jeweils direkt an. Ich betone, dass es an der Universität in erster Linie darum geht, die wenig kontroversen Grundlagen der VWL zu vermitteln. Ich nenne es oft die Mechanik, also das etablierte Wissen darüber, wie eine Volkswirtschaft funktioniert und welche wirtschaftspolitischen Veränderungen in der Regel welche wirtschaftlichen Reaktionen auslösen.

Das oft hitzig debattierte Thema der fairen Einkommensverteilung ist hingegen eine politische Frage, zu der man sich als Staatsbürger, aber nicht als analytische Ökonomin äussern sollte. Die VWL kann aber indirekt einiges beitragen, indem sie analysiert, wie politisch gewünschte Umverteilungen mit möglichst wenig Ressourcenverschwendung erreicht werden können. So lässt sich VWL trotz teils hochpolitisch anmutender Themen auf ‹technischer› Ebene unterrichten.

Als Ökonom unterstütze ich aus Prinzip nie öffentlich die Ansichten bestimmter politischer Parteien oder Interessengruppen und bin bewusst nicht Mitglied einer Partei. Auch deshalb fiel es mir bisher immer leicht, allfällige Versuche der Vereinnahmung sofort im Keim zu ersticken.»

Zur Person

Aymo Brunetti

ist Professor für Wirtschaftspolitik am Volkswirtschaftlichen Institut.

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