Klimaforschung
Berner Stadthitze im Fokus
Moritz Gubler vom Geographischen Institut der Universität Bern sammelt mit einem Temperaturmessnetz Daten zum Klima in der Stadt Bern. Er erklärt, wie das Messnetz zur Erforschung der Stadthitze, aber auch zu einer zukunftsfähigen Stadt Bern beiträgt.
Was versuchen Sie herauszufinden, Herr Gubler?
Das Ziel unseres Forschungsprojekts ist es, herauszufinden, wo es im Sommer in der Stadt Bern wie heiss wird. Das machen wir mit Daten unseres Temperaturmessnetzes, das rund 80 Stationen in der ganzen Stadt Bern umfasst, oder wir nutzen Satellitendaten oder führen Simulationen des Stadtklimas durch und werten diese aus. Ein zweites Ziel ist es, herauszufinden, was gegen Stadthitze unternommen werden kann, also wie gross beispielsweise der Effekt von Abkühlungsmassnahmen – wie etwa Baumpflanzungen oder Wasserspielen – ist. Und ein drittes Ziel ist es, Wege zu finden, wie die Stadtbevölkerung sensibilisiert werden und sich gegen das Gesundheitsrisiko Hitze in Städten wappnen kann.
Wieso ist das aus wissenschaftlicher Sicht wichtig?Aus Sicht der Grundlagenforschung ist unser Projekt bedeutsam, da wir hoch aufgelöste Temperaturmessdaten aus Städten liefern können. Mit diesen Daten können Forschende beispielsweise den Effekt des Klimawandels und der Urbanisierung auf die Stadthitze analysieren und mithilfe von Klimasimulationen voneinander trennen. Zum anderen ist es aber auch für angewandte Forschung relevant, denn wir liefern wichtige Daten dazu, wie effektiv eine Massnahme ist. So können beispielsweise verschiedene Abkühlungsmassnahmen wie hellere Oberflächenfarben mit begrünten Flächen verglichen werden.
Zur Person
Moritz Gubler ist Klimaforscher am Geographischen Institut der Universität Bern und Teil der Gruppe für Klimatologie sowie des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung (OCCR). In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit der städtischen Klimatologie und der Bildung über Klimawandel und Nachhaltigkeit. Seit 2018 betreibt die Gruppe für Klimatologie ein umfangreiches Temperaturmessnetz in der Stadt Bern und ihrer Umgebung, um Veränderungen des Stadtklimas und deren Ursachen zu untersuchen.
Zum einen unterstützen wir beispielsweise die Stadtplanung darin, eine möglichst lebenswerte und zukunftsfähige Stadt Bern zu gestalten. Das kommt dann hoffentlich früher oder später der ganzen Bevölkerung zugute. Wir informieren und sensibilisieren aber auch aktiv zu den Themen Klimawandel und Gesundheitsrisiko Hitze in der Stadt. Wir organisieren informative Spaziergänge, halten Vorträge und wir haben kürzlich eine App entwickelt – sie heisst Bernometer –, mit der man nachschauen kann, wie heiss es aktuell ist, wie heiss es in der nächsten Nacht in einem Quartier wird, oder was man tun kann, um sich vor der Hitzebelastung zu schützen.
Was fasziniert Sie persönlich an diesem Forschungsprojekt?Mich persönlich fasziniert vor allem der lokale Bezug dieses Forschungsprojekts. Denn das Forschungsprojekt spielt sich in der Stadt Bern ab, in der ich lebe. Ich habe dadurch Bern nochmals auf eine neue Art und Weise kennengelernt. Zum anderen stösst das Forschungsprojekt in der Bevölkerung, in der Politik, aber auch bei anderen Forschenden auf viel Interesse und bietet die Möglichkeit, mit Forschenden aus ganz unterschiedlichen Disziplinen zusammenzuarbeiten – beispielsweise aus der Biologie, der Medizin oder der Informatik. Dieses Abwechslungsreiche ist ebenfalls etwas, das ich schätze und das mich fasziniert.
Bernometer
Der «Bernometer» zeigt die städtische Wärmeinsel von Bern interaktiv mit Echtzeit-Lufttemperaturen von 80 Messstationen. Die Daten stammen vom Forschungsprojekt «Urban Climate Bern» des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung.
Eine der grössten Herausforderungen liegt darin, zum richtigen Zeitpunkt genügend Leute für die Datenerhebungen zur Verfügung zu haben. Die Sensoren des Temperaturmessnetzes schicken zwar regelmässig und automatisiert Daten an uns, die Wartung der Messstationen bei Ausfällen oder Verschmutzung erfordert aber einen hohen Arbeitsaufwand. Zudem machen wir oft kurzfristige Messkampagnen mit Drohnen, mobilen Messfahrzeugen oder Befragungen, was sehr arbeitsintensiv sein kann. Unsere Forschung fokussiert sich oftmals auf die schönsten Sommertage. Wenn es sonnig ist, wenn es heiss ist und wenn man am liebsten in der Badi oder an der Aare wäre. Während der Sommermonate sind oft viele Leute in den Ferien. Zudem ist es oftmals auch nicht gut prognostizierbar, wann genau die sonnigen Tage kommen. Da muss man sehr kurzfristig verfügbar sein und genügend Leute haben, die diese Arbeiten erledigen können.
Wie ist das Forschungsprojekt finanziert?Unser Forschungsprojekt finanziert sich auf unterschiedliche Wege. Beispielsweise unterstützen uns die Stadt Bern, die Gemeinde Ostermundigen oder auch der städtische Energiedienstleister ewb beim Aufbau und Betrieb des Messnetzes. Ausserdem sind wir teilweise auch eigenfinanziert. Das heisst, das Oeschger-Zentrum für Klimaforschung finanziert einen Teil unserer Forschungs- und Lehraktivitäten. Und dann haben wir verschiedene Teilprojekte, die wir wiederum über Drittmittel finanzieren, zum Beispiel über nationale und internationale Forschungsfonds.
Dieser Artikel erscheint auch im Anzeiger Region Bern.
Oeschger-Zentrum für Klimaforschung
Das Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR) ist eines der strategischen Zentren der Universität Bern. Es bringt Forschende aus 14 Instituten und vier Fakultäten zusammen. Das OCCR forscht interdisziplinär an vorderster Front der Klimawissenschaften. Das Oeschger-Zentrum wurde 2007 gegründet und trägt den Namen von Hans Oeschger (1927-1998), einem Pionier der modernen Klimaforschung, der in Bern tätig war.