Bundesrat Albert Rösti verbreitet gute Laune

Am 28. November besuchte SVP-Bundesrat Albert Rösti eine Vorlesung der Universität Bern. Eingeladen von Politikwissenschaftler Adrian Vatter, beantwortete er die Fragen der Studierenden, gutgelaunt und nicht aus der Ruhe zu bringen.

Studierende der Uni Bern und Albert Rösti
Die beiden Studierenden Livia Glauser und Nicola Blatter stellen Albert Rösti ihre Fragen.

Etwas konsterniert verliessen manche Studierende die Veranstaltung mit Albert Rösti. «Warum bloss muss dieser Mann so sympathisch sein?», fragten sich Studierende, die das Heu politisch nicht auf derselben Bühne haben. Als Feindbild wie einst Christoph Blocher, so meinten einige, eignet sich dieser SVP-Bundesrat nicht.

Röstis zweistündiger Auftritt im grossen Hörsaal des Hochschulzentrums vonRoll war Teil der Vorlesung «Politisches System der Schweiz I» von Adrian Vatter, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bern. Dank seinen guten Beziehungen im Berner Politbetrieb gelingt es ihm jedes Jahr, seinen Studierenden Kontakt zu einem Mitglied der Landesregierung zu verschaffen – Bundesrat Albert Rösti war bereits der zehnte magistrale Gast. Und wie jedes Jahr war der Andrang gross, das Publikum sass am Boden und stand den Wänden entlang. Doch der Grossaufmarsch lag nicht ausschliesslich am Interesse für den Gast – im Gegensatz zu Vatters übrigen Vorlesungen wird diese Veranstaltung nämlich nicht als Podcast angeboten, prüfungsrelevant ist der Stoff trotzdem.

«Chef» Albert Rösti führt 2'500 Mitarbeitende

Nach einer Begrüssung durch Verwaltungsdirektor Markus Brönnimann – von ihm erfuhr man en passant, dass er selbst politisch aktiv ist, und zwar als Mitglied des Kantonsrats von Appenzell Ausserrhoden – ging es gleich zur Sache. Nicht etwa mit einem Referat von Albert Rösti, sondern mit einer breiten Palette von Fragen an den Gast. Diese spiegelten die schier unglaubliche Vielfalt von Themen wider, für die der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK zuständig ist. Albert Rösti ist der Chef von über 2'500 Mitarbeitenden, die in sieben Bundesämtern sowie verschiedenen Regulierungsbehörden und Fachstellen tätig sind. 

Sympathiepunkte für den stilsicheren Rösti

Welchen Fragen sich der Bundesrat stellen musste, hatten die Studierenden selbst in der Hand. Adrian Vatter, der Albert Rösti in einem ersten Teil der Veranstaltung befragte, konnte aus 120 Vorschlägen auswählen, die ihm seine Studentinnen und Studenten zugeschickt hatten. Doch bevor sich der Gast politischen Inhalten zuwandte, platzierte er eine Bemerkung ans Publikum: «Ich weiss, wie viel Sie wissen, und ich habe Respekt vor dieser Diskussion.»

«Ich weiss, wie viel Sie wissen, und ich habe Respekt vor dieser Diskussion.»

Bundesrat Albert Rösti

Schon hatte sich der gut gelaunte Albert Rösti im Hörsaal die ersten Sympathiepunkte geholt. Und sogar stilsicher zeigte er sich: schwarzer Anzug, schwarze Krawatte, modische Schuhe und schwarz glänzende Manschettenknöpfe.

 

Adrian Vatter im Gespräch mit Bundesrat Albert Rösti.
Adrian Vatter im Gespräch mit Bundesrat Albert Rösti.

Im Gespräch zwischen dem Politologieprofessor und dem Bundesrat stand – kaum erstaunlich – zuerst das vergangene Abstimmungswochenende im Mittelpunkt. «Gibt es einen Graben zwischen Bundesrat und Volk?», wollte Adrian Vatter wissen und zählte eine Reihe von Vorlagen auf, die in jüngster Zeit an der Urne Schiffbruch erlitten haben – für Verkehrsminister Albert Rösti natürlich am schmerzlichsten: das Nein zum Autobahnausbau. «Es ist gut, dass es in der Schweiz so ist, dass solche Vorlagen vors Volk müssen», stellte Rösti klar und räumte dann ein: «Covid hat die Leute behördenkritischer gemacht.»

Doch weit mehr als dieser Umstand beschäftige ihn eine andere Beobachtung. Die Leute hätten bei der letzten Abstimmung umso deutlicher Nein gestimmt, desto weiter von Autobahnen entfernt sie selbst lebten. «Die Solidarität, die sonst in der Schweiz sehr gut spielt, hat hier gefehlt.»

Wie viel Macht hat ein Bundesrat?

Das war ein Steilpass für Adrian Vatter. Er habe seine Dissertation über Aspekte der Solidarität im Abstimmungsverhalten geschrieben, erzählte er, und dabei herausgefunden, dass sich die Menschen solidarisch verhielten, wenn es um Fragen von Leib und Leben gehe – bei Luxusprojekten hingegen nicht. «Der Ausbau der Autobahnen», entgegnete Albert Rösti, «war aber kein Luxus.»

Nächstes Thema: die Machtfrage. Wo verfügt ein Bundesrat über den grössten Einfluss auf das politische Geschehen der Schweiz? Albert Rösti: «Unsere Aufgabe ist es, die Gesetze zu vollziehen, da gibt es Handlungsspielraum und damit Einfluss.» Als konkretes Beispiel nannte der Energie- und Umweltminister das Abwägen zwischen Schützen und Nutzen der Landschaft bei der Produktion von erneuerbaren Energien. Auf institutioneller Ebene betonte Rösti die Einflussmöglichkeiten des Bundesrats beim Ausarbeiten der Verordnungen zu den vom Parlament beschlossenen Gesetzen.

Als Bergbauernsohn in die Regierung

Und wie weit soll der Einfluss des Volks reichen? 2010 hatte die SVP in einer Initiative eine «Volkswahl des Bundesrats» gefordert. Wie er zu dieser Forderung, die schliesslich an der Urne abgelehnt wurde, heute als Bundesrat stehe, wollte Vatter von Rösti wissen. Er sei dagegen erklärte dieser, denn der finanzielle Aufwand für eine nationale Kampagne wäre derart gross, dass er für viele mögliche Kandidatinnen und Kandidaten nicht zu stemmen wäre. «Die Möglichkeit für einen Bergbauernsohn wie mich, Bundesrat zu werden, wäre bei einer Direktwahl sehr klein gewesen.» Und wieder ein Sympathiepunkt für Albert Rösti.

Der Vorlesungsaal ist voll, das Publikum amüsiert.
Der Vorlesungsaal ist voll, das Publikum amüsiert.

Und dann holte der Vorlesungsgast zu einer Liebeserklärung aus: «Je länger ich mich in der Politik bewege, desto begeisterter bin ich von unserem System, das uns im Vergleich zu den übrigen Ländern ungeheure politische Stabilität bringt.» Diese Stabilität sei der «Haupttreiber» des Schweizer Wohlstands. «Die Dinge verändern sich bei uns sehr langsam, aber das ist gut so», resümiert Albert Rösti.

Nach diesem staatsmännischen Statement waren die Studierenden an der Reihe, Albert Rösti auf den Zahn zu fühlen. Die zweite Runde im Bundesrats-Talk moderierten Studentin Livia Glauser und Student Nicola Blatter. Wie er denn angereist sei, wollten sie vom Verkehrsminister als Erstes wissen. «Mit dem Elektroauto», gab dieser grinsend zurück. So leicht lässt sich ein Albert Rösti nicht in die Enge treiben. Auch die Frage, ob es denn eine gute Idee gewesen sei, ausgerechnet ihn als ehemaligen Präsidenten von Swissoil, dem Dachverband der Brenn­stoff­händler, zum Umweltminister zu machen, parierte er gelassen. «Vielleicht bin ich sogar ein Glücksfall», meinte er, «wenn Sie einen kritischen Geist in die Verantwortung nehmen, kann er auch Leute überzeugen, die Klimafragen skeptisch gegenüberstehen.» Und er wage, so Rösti, zu behaupten, dass er das CO2-Gesetz glaubhaft vertreten habe.

«Die Dinge verändern sich bei uns sehr langsam, aber das ist gut so.»

Bundesrat Albert Rösti

Beim Klimaschutz, so wurde schnell klar, setzt der SVP-Bundesrat nicht auf Verbote und Lenkungsabgaben, sondern auf die Förderung neuer Technologien. «Es funktioniert nicht, die Leute zu etwas zu zwingen.» Die Lösung seien letztlich Innovationen, und dort verfüge die kleine Schweiz auch über den grössten Hebel im globalen Klimaschutz.

Ein Bundesrat braucht ein offenes Ohr

Als in der dritten Fragerunde das Publikum im Hörsaal zum Zug kam, wurde erneut Albert Röstis Vergangenheit zum Thema. Ob er als ehemaliger Direktor des Milchverbands seine Wahl in den Bundesrat vor allem der Agrarlobby zu verdanken habe, wollte ein Fragesteller wissen. Diese Parlamentarierinnen und Parlamentarier hätten ihn wohl auch gewählt, meinte Rösti, doch bei den Bundesratswahlen laufe das so: «Da fragen sich alle, wie zugänglich jemand ist und ob man bei einem künftigen Bundesrat wohl auf ein offenes Ohr zählen kann, sollte man einmal ein Problem haben.»

Eine Frau stellt eine Frage
Auf kritische Fragen aus dem Publikum reagierte Bundesrat Albert Rösti umgänglich.

Die vielleicht verblüffendste Bemerkung in der Vorlesung mit Albert Rösti machte eine Fragestellerin aus dem Publikum, die sagte, ihr sei aufgefallen, dass er sich um eine gendergerechte Sprache bemühe, ob er denn generell Sympathie für woke Anliegen hege. Ausgerechnet in diese Ecke gestellt zu werden, damit hatte der Bundesrat wohl nicht gerechnet. Deshalb machte er höflich klar: «Da habe ich, ehrlich gesagt, grössere Probleme – bitte entschudligen Sie, dass ich das so gerade hinaus sage.»

Komplimente auch zum Schluss

Am Ende der Veranstaltung wurde Albert Rösti gar aus akademischer Warte bestätigt, wie bedeutsam seine liebenswürdige Art ist. Adrian Vatter überreichte seinem Gast zum Abschied sein Buch «Der Bundesrat». In einer politikwissenschaftlichen Analyse der Schweizer Regierung geht Vatter darin unter anderem den Fragen nach, welche Persönlichkeitsmerkmale die Regierungsmitglieder auszeichnen, und was es braucht, um Bundesrat zu werden. «Wir haben herausgefunden, dass die wichtigsten Eigenschaften bei einer Bundesratswahl Nettigkeit und Verträglichkeit sind», sagte er zum Abschied, «da waren Sie, Bundesrat Rösti, natürlich unser Paradebeispiel.»

Den kritischen Studentinnen und Studenten blieb zum Schluss nur noch eine Frage: Ist dieser Mann tatsächlich so sympathisch, dass viele jederzeit mit ihm ein Bier trinken möchte, oder macht er das aus Kalkül?

 

Zum Institut für Politikwissenschaft (IPW) der Universität Bern

Das IPW ist eines der führenden politikwissenschaftlichen Institute der Schweiz und gehört gemäss CHE Excellence Einstufung zur Spitzengruppe in Europa. Es beheimatet Grundlagenforschung und praxisrelevante Auftragsforschung. Deren Kernbotschaften sind Bestandteile der angebotenen Studiengänge Bachelor «Sozialwissenschaften» sowie Master «Politikwissenschaft» und Master «Schweizer Politik und Vergleichende Politik». Schwerpunkte in der Lehre und Forschung sind schweizerische Politik, vergleichende Politikwissenschaft, europäische Politik, Policy Analyse, Klima-, Energie- und Umweltpolitik sowie die Einstellungs- und Verhaltensforschung im Rahmen der politischen Soziologie. Zudem offeriert das IPW Dienstleistungen für die Öffentlichkeit wie etwa das Année Politique Suisse.


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