Pflanzen im Klimawandel
«Der Klimawandel wird ganze Ökosysteme verschieben»
Christoph Schwörer untersucht die zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels auf die Vegetation im Alpenraum. Dazu blickt er mithilfe von Sedimentbohrkernen und modernsten DNA-Analysemethoden in die tiefe Vergangenheit.
Was versuchen Sie herauszufinden?Christoph Schwörer: Mit meinem Forschungsprojekt möchte ich herausfinden, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Pflanzenwelt hat. Weil aber zum Beispiel Bäume viel länger leben, als jedes wissenschaftliche Forschungsprojekt dauert, ist das manchmal gar nicht so einfach.
Wie gehen Sie damit um?Eine Möglichkeit ist es, die Reaktion von Pflanzen auf vergangene Klimaänderungen zu untersuchen. Dazu braucht es natürliche Archive, wie die Sedimente von Seen, die Umweltinformationen über Jahrtausende speichern können. Mit Bohrungen können solche Sedimente an die Oberfläche gebracht und untersucht werden. So kann man zum Beispiel die Pflanzenreste der ersten Bäume analysieren, die sich nach der letzten Eiszeit in den Schweizer Alpen ausbreiteten.
Welche Informationen können Sie aus diesen Analysen gewinnen?Die Sedimentkerne, die wir untersuchen, sind Schatzkisten, in denen viel jahrtausendealtes Pflanzenmaterial steckt, das nur darauf wartet, mit modernen genetischen Analysen untersucht zu werden. Wir wissen beispielsweise nicht, wie sich die genetische Vielfalt von Pflanzenarten im Laufe der Zeit verändert hat und ob sich die Pflanzen möglicherweise an schnelle Klimaveränderungen anpassen konnten. Dies zu wissen ist aber nötig, um abzuschätzen, wie gut unsere Vegetation auf den Klimawandel vorbereitet ist.
Wieso ist das aus wissenschaftlicher Sicht wichtig?Die Analyse von alter DNA ist im Moment dabei, ganze Wissenschaftsbereiche zu revolutionieren. Dank der DNA-Analyse von jahrtausendealten menschlichen Überresten konnten wir etwa herausfinden, wie genau Menschen Kontinente besiedelt haben. Der grösste Teil der Forschung an alter DNA konzentriert sich aber immer noch auf Menschen oder Tiere, wie zum Beispiel das Mammut. Dabei sind Pflanzen extrem wichtig, weil sie die Lebensgrundlage für alles höhere Leben sind.
Was für ein Nutzen für die Gesellschaft könnte daraus resultieren?Für die Gesellschaft ist es wichtig zu wissen, wie sich der Klimawandel genau auswirken wird und mit welchen Folgen wir auch in der Schweiz rechnen müssen. Förster müssen beispielsweise wissen, welche Bäume sie pflanzen sollen, die dann in 50 bis 100 Jahren gefällt werden können. Im Alpenraum wird der Klimawandel zudem zu einer Verschiebung von ganzen Ökosystemen in höhere Lagen führen, was wiederum Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die genetische Vielfalt der Pflanzenwelt haben wird. Durch meine Forschung möchte ich noch genauer voraussagen, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Pflanzenwelt und auf die Vegetation im Alpenraum haben wird.
«Durch meine Forschung möchte ich voraussagen, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Vegetation im Alpenraum haben wird.»
Christoph Schwörer
Was fasziniert Sie persönlich an diesem Forschungsprojekt?Ich finde es unglaublich spannend, dass man mit einem solchen Sedimentkern in der Zeit zurückreisen kann und sieht, wie sich die Landschaft und die Pflanzenwelt im Lauf der Jahrtausende verändert haben. Zum Beispiel finden wir in unserem Sedimentkern Lärchennadeln, die vor 10‘000 Jahren einmal vom Baum gefallen sind, in den See transportiert wurden, dort langsam zu Boden sanken und von neuen Sedimenten überdeckt wurden. Und dann sind wir mit unserer Bohrplattform dorthin gefahren, haben einen Bohrkern entnommen, diesen ins Labor gebracht und analysiert – und dabei die Lärchennadeln identifiziert und datiert. Das finde ich sehr faszinierend. Ausserdem kann man mit den neuen genetischen Methoden auch ganz neue Fragestellungen untersuchen. Zum Beispiel: Sind die ersten Pflanzen, die sich dort angesiedelt haben, mit denen verwandt, die heute vorkommen? Oder gab es später weitere Ausbreitungswellen und vielleicht auch Pflanzenpopulationen, die wieder ausgestorben sind?
Welches ist die grösste Herausforderung, die es zu überwinden gilt?Die DNA in den alten Pflanzenresten, die ich untersuche, ist extrem stark fragmentiert. Das heisst, sie ist in kleinste Teile zerfallen. Das macht es äusserst schwierig, aus den Millionen von Puzzleteilen ein sinnvolles Gesamtbild zu erstellen. Dazu kommt, dass nur etwa ein Prozent aller gefundenen DNA-Sequenzen von der Art stammt, die wir untersuchen wollen. Der Rest stammt von anderen Organismen wie zum Beispiel Bakterien. Es ist also in etwa so, als würde man versuchen, ein Puzzle mit einer Million Teilen zusammenzusetzen, in dem noch 100 andere Puzzles vermischt sind, die alle fast gleich aussehen. Zum Glück gibt es heute spezialisierte Extraktionsmethoden oder auch bioinformatische Hilfsmittel, die dabei helfen können.
Christoph Schwörer ist Paläoökologe und untersucht am Oeschger-Zentrum für Klimaforschung OCCR und am Institut für Pflanzenwissenschaften Veränderungen der Vegetation von Bergregionen.Zur Person
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Mein neues Forschungsprojekt wird durch einen Consolidator Grant des Schweizerischen Nationalfonds finanziert.