Die Doktorandin, der ein Weltraumteleskop gehorcht

«Es ist echt cool, dass ein Weltraumteleskop beobachtet, was ich ihm vorgebe!» Das sagt die Doktorandin Jo Ann Egger, die als jüngstes und erstes studentisches Mitglied ins CHEOPS-Wissenschaftsteam gewählt wurde. Wie ist es dazu gekommen?

Jo Ann Egger vor einem Modell des CHEOPS-Satelliten im Gebäude der Exakten Wissenschaften. Bild: Nevio Heimberg

Schon als Kind interessierte sich Jo Ann Egger für den Weltraum – wie ihr Vater, der als kleiner Junge davon träumte, Astronaut zu werden. Er hat seine Faszination für das Universum an seine Tochter weitergegeben. «Ich erinnere mich, wie wir gemeinsam Bücher über das Weltall gelesen haben», erzählt Egger und lächelt. Und ihre Mutter prophezeite ihr wegen ihrer Begeisterung für eine Fernsehserie mit einer Astrophysikerin in der Hauptrolle: «Das wirst auch du bestimmt einmal». 

Im Gymnasium wurde Egger klar, dass sie Naturwissenschaften studieren wollte. Sie entschied sich für ein Physikstudium in Bern, weil die Universität Bern im Bereich Weltraumforschung zu den weltweit führenden Universitäten gehört.  

Daten direkt aus dem Weltraum

Als Astrophysikerin in der Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie des Physikalischen Instituts befasst sich Egger mit Exoplaneten, also Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems. Sie hat ein Modell entwickelt, mit dem sie aus der Grösse und dem Gewicht berechnen kann, wie ein bestimmter Planet aufgebaut sein könnte: Welche Art Atmosphäre hat er? Besteht er vor allem aus Gestein? Oder gibt es möglicherweise Wasser?

Egger arbeitet unter anderem mit Daten des Weltraumteleskops CHEOPS: «Es ist ein besonderes Gefühl, wenn man Daten direkt aus dem Weltall bekommt. Am Anfang hat mich diese Verantwortung nervös gemacht, weil jede Beobachtung viel Geld kostet.»

Künstlerische Darstellung des Weltraumteleskops CHEOPS © ESA / ATG medialab

Mittlerweile ist Egger schon an etwa zwanzig wissenschaftlichen Publikationen beteiligt, was als Doktorandin eine beachtliche Leistung darstellt. Als ruhige und dennoch dezidierte Persönlichkeit konnte sie sich bereits viel Respekt in der wissenschaftlichen Gemeinschaft erarbeiten.

Und jetzt sogar mitentscheiden können

Dass Egger einmal selbst entscheiden könnte, welche Planeten sie mit dem Weltraumteleskop CHEOPS beobachtet, war beim Antritt ihrer Doktoratsstelle nicht geplant. Als die CHEOPS Mission 2023 um vorerst drei Jahre verlängert wurde, hat Egger ein Beobachtungsprogramm für das Weltraumteleskop vorgeschlagen; dies zusammen mit ihrem Doktorvater Yann Alibert, Co-Direktor des Center for Space and Habitability. «Die Inspiration dazu ist aus meinem Modell gekommen», sagt Egger mit einer Prise Stolz in der Stimme.

Wie viele Beobachtungen sind nötig? Wie lange müssen wir mit CHEOPS beobachten? Sind die Planeten mit CHEOPS überhaupt beobachtbar? Sind sie hell genug? Aus diesen und vielen anderen Fragen haben Egger und Alibert unter Zeitdruck innerhalb eines Monats einen Vorschlag für ein Beobachtungsprogramm erarbeitet. «Das war eine sehr stressige Phase, die zugleich motivierend war, weil ich in diesem Moment mitentscheiden konnte, welche Exoplaneten CHEOPS beobachten wird», erinnert sich Egger: «Das hat mich richtiggehend beflügelt.»

Mit «Hot Water Worlds» leitet sie nun ihr erstes eigenes Beobachtungsprogramm, das potenziell wasserreiche Planeten nachweisen soll, die sich nah an ihrem Stern befinden.

CHEOPS ist die erste Exoplaneten-Mission der ESA. Sie widmet sich der Charakterisierung von Exoplaneten-Transiten. Dabei misst CHEOPS die Helligkeitsänderungen eines Sterns, wenn ein Planet vor diesem Stern vorbeizieht. © ESA / ATG medialab

Besondere Beziehung zu «ihren» Planeten

Mittlerweile hat Egger zum ersten Mal eine Studie als Erstautorin veröffentlicht. Dafür hat sie die drei Planeten aus dem Planetensystem TOI-469 mit CHEOPS beobachtet und ihre innere Struktur modelliert. So hat sie zum Beispiel herausgefunden, dass ein Planet weniger dicht ist als bisher angenommen und daher eher der Erde als dem Merkur ähnelt. Egger hat eine besondere Beziehung entwickelt zu den Planeten, die sie erforscht: «Es fühlt sich an, als wären es meine Planeten, weil ich sie selbst beobachtet und viel Zeit mit ihnen verbracht habe.»

Genau die Tatsache, dass sie nicht nur Modelle entwickelt, sondern auch Beobachtungen ausführt, macht ihre Position in der wissenschaftlichen Gemeinschaft aussergewöhnlich. Während viele ihrer Kollegen und Kolleginnen entweder beobachten oder Modelle erstellen, kann Egger von sich behaupten: «Ich kann beides». An der Schnittstelle zwischen Modellieren und Beobachten ist sie stärker als ihre Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen auf eine produktive Zusammenarbeit angewiesen. Das sei aber kein Problem: «Ich habe auf meinem beruflichen Weg immer viel Unterstützung erfahren», so Egger.

Dem Team zugehörig

Seit Juni 2024 ist Jo Ann Egger nun also Mitglied das CHEOPS-Wissenschaftsteams. Sie erinnert sich noch gut an ihre erste Teilnahme an einem solchen Treffen im Jahr 2022, als sie noch kein offizielles Mitglied war. Damals, noch im ersten Jahr ihres Doktorats, war sie sehr nervös, als sie das Beobachtungsprogramm vorstellte, das sie gerade übernommen hatte. Sie fühlte sich etwas eingeschüchtert, auch weil der Anteil erfahrener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler grösser war als an einer gewöhnlichen Konferenz.

Nun ist die Situation für sie eine andere. Das erste CHEOPS-Meeting, das sie als offizielles Mitglied besuchte, empfand sie als sehr produktiv. Nicht nur kennt sie nun alle Beteiligten, dank der Zusammenarbeit bei Studien und den wöchentlichen Telefonkonferenzen mit Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa, fühlt sich Egger jetzt dazugehörig. «An den Meetings besprechen wir, Programm für Programm, was wir beobachtet haben, was der Status der Auswertungen ist, was die Pläne für Publikationen sind, und vieles mehr. Es geht darum, gute Wissenschaft zu machen.»

Jo Ann Egger bei der Arbeit in ihrem Büro. Bild: Nevio Heimberg

So geht Nachwuchsförderung

Aus einer eher zurückhaltenden Wissenschaftlerin ist eine selbstbewusste Stimme in der Exoplanetenforschung geworden. Auf diesem Weg hätte sich Egger manchmal mehr weibliche Vorbilder gewünscht, auch wenn der Anteil an Frauen in der Forschung langsam steigt.

Zu ihrer Nominierung als Mitglied im CHEOPS-Wissenschaftsteam sagt Egger: «Ich habe mich natürlich sehr gefreut. Gerade als Doktorandin ist es aussergewöhnlich, so eine Position zu bekommen.» Egger ist in der Tat das jüngste Mitglied und die erste Studentin im Team.

Als vergleichsweise kleine Mission kann CHEOPS jungen Menschen ermöglichen, Verantwortung in Weltraummissionen zu übernehmen, um sie darauf vorzubereiten, später Verantwortung in grösseren Missionen zu tragen.

Jo Ann Egger ist auf diesem Weg. Man darf gespannt sein, welche überraschenden Entdeckungen sie in ihrer Karriere als Exoplanetenforscherin noch machen wird.

Jo Ann Egger

arbeitet seit 2021 als Doktorandin in der Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie des Physikalischen Instituts der Universität Bern. Im Rahmen ihres Doktorats erforscht sie Exoplaneten, also Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems. Seit Juni 2024 ist sie Mitglied des CHEOPS-Wissenschaftsteams, wo sie ihr eigenes Beobachtungsprogramm leitet.

CHEOPS – Auf der Suche nach potenziell lebensfreundlichen Planeten

Die CHEOPS-Mission (CHaracterising ExOPlanet Satellite) der Europäischen Weltraumorganisation ESA widmet sich der Charakterisierung von Exoplaneten-Transiten. Dabei misst CHEOPS die Helligkeitsänderungen eines Sterns, wenn ein Planet vor diesem Stern vorbeizieht. Aus diesem Messwert lässt sich die Grösse des Planeten ableiten und mit bereits vorhandenen Daten daraus die Dichte bestimmen. So erhält man wichtige Informationen über diese Planeten – zum Beispiel, ob sie überwiegend felsig sind, aus Gasen bestehen oder ob sich auf ihnen tiefe Ozeane befinden. Dies wiederum ist ein wichtiger Schritt, um zu bestimmen ob auf einem Planeten lebensfreundliche Bedingungen herrschen.
CHEOPS wurde im Rahmen einer Partnerschaft zwischen der ESA und der Schweiz entwickelt. Unter der Leitung der Universität Bern und der ESA war ein Konsortium mit mehr als hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Ingenieurinnen und Ingenieuren aus elf europäischen Nationen während fünf Jahren am Bau des Satelliten beteiligt.
CHEOPS hat am Mittwoch, 18. Dezember 2019 an Bord einer Sojus-Fregat-Rakete vom Europäischen Weltraumbahnhof Kourou, Französisch-Guyana, seine Reise ins Weltall angetreten. Seither umkreist CHEOPS die Erde innerhalb von ungefähr anderthalb Stunden in einer Höhe von 700 Kilometer entlang der Tag-Nacht-Grenze.

Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der Weltspitze

Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solarwind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung.
Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei: Die Universität Bern nimmt regelmässig an Weltraummissionen der grossen Weltraumorganisationen wie ESA, NASA, oder JAXA teil. Mit CHEOPS teilt sich die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission. Zudem sind die Berner Forschenden an der Weltspitze mit dabei, wenn es etwa um Modelle und Simulationen zur Entstehung und Entwicklung von Planeten geht.
Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.

Magazin uniFOKUS

«Startrampe Studium»

Dieser Artikel erschien erstmals in uniFOKUS, dem Printmagazin der Universität Bern. uniFOKUS beleuchtet viermal pro Jahr einen thematischen Schwerpunkt aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Aktuelles Fokusthema: «Studieren»

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