Felssturzgefahr auf dem Mars

Ein Team unter Berner Leitung hat mithilfe eines neuronalen Netzwerks 1‘383 Felssturzstellen auf dem Mars identifiziert. Mehr als die Hälfte davon war bisher unbekannt. Die Entdeckung ist auch für zukünftige Marsmissionen relevant.

Text: Brigit Bucher 17. Dezember 2024

NASA, Mars Reconnaissance Orbier, MRO
Künstlerische Darstellung des Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) der NASA. Das grosse Instrument in der Mitte, das mit einer schwarzen Wärmedecke bedeckt ist, ist die Kamera des High Resolution Imaging Science Experiment (HiRISE). © NASA/JPL

Felsstürze sind nicht nur auf der Erde, sondern auch auf anderen Planeten in unserem Sonnensystem ein allgegenwärtiges Phänomen der Landschaftsentwicklung. Die Ursachen dafür können vielfältig sein. Bislang ging man davon aus, dass Felsstürze auf dem Mars zum Beispiel durch Marsbeben entstehen, die Risse oder Verwerfungen in der Marskruste verursachen. Ebenso kann thermische Ermüdung des Gesteins für Felsstürze sorgen. Sie tritt auf, wenn Gestein wiederholt extremen Temperaturschwankungen ausgesetzt wird. Auf dem Mars können die Temperaturen zwischen Tag und Nacht stark schwanken, was dazu führt, dass sich das Gestein bei Wärme ausdehnt und bei Kälte zusammenzieht. Diese ständige Beanspruchung kann Mikrorisse verursachen, die sich mit der Zeit vergrössern und das Gestein spröde machen, bis es schliesslich zerbricht oder abbröckelt. 

Die Identifikation der Felssturzstellen auf dem Roten Planeten gelang dem internationalen Team nun dank der Analyse von hochauflösenden Bildern der Marskamera «HiRISE» an Bord der NASA-Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter (MRO). Die Forschenden konnten den ersten globalen Katalog mit 1‘383 Felssturzstellen auf dem Mars erstellen, wovon mehr als die Hälfte bislang unbekannt war. 

Karte aller auf dem Mars identifizierten Felssturzstandorte (weiss-rote Kreise) aus der Studie, die soeben in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters erschienen ist.

KI in der Weltraumforschung 

Die Forschenden nutzten ein neuronales Netzwerk, um die Steinschlagstellen in den MRO-HiRISE-Bildern zu identifizieren. Valentin Bickel, Hauptautor der Studie vom Center for Space and Habitability CSH der Universität Bern, erklärt: «Ein neuronales Netzwerk ist ein Computermodell, das von der Funktionsweise des menschlichen Gehirns inspiriert ist. Wir haben eine grosse Menge von Bilddaten damit analysiert, was eine schier unlösbare Aufgabe für einen Menschen wäre. Das Netzwerk ist darauf trainiert, in Satellitenbildern die Muster und Merkmale zu erkennen, die auf Felssturzereignisse hinweisen.» 

Diese Methode ermöglichte es, bisher unbekannte Felssturzstellen zu entdecken, die in den mittleren bis niedrigen Breitengraden des Mars verteilt sind. Die meisten dieser Stellen befinden sich in Kratern, Gräben und Rissen. 

NASA, Mars
HiRISE-Aufnahme von Felsstürzen auf dem Mars © NASA/JPL-Caltech/UArizona

Vielfältige Ursachen für die Felsstürze 

Die Nutzung von maschinellem Lernen in der Kartierung von Felsstürzen stellt einen bedeutenden Fortschritt in der planetaren Geologie dar. Die Analyse der Bilder mit dem neuronalen Netzwerk ergab, dass Mars-Felsstürze kleiner sind als jene auf dem Mond und durch verschiedene Prozesse verursacht werden.  

«Unsere Studie deutet darauf hin, dass die Ursachen für Felsstürze auf dem Mars vielfältig und komplex sind», so Bickel. «Mögliche Auslöser für die Felsstürze könnten zum Beispiel Meteoriteneinschläge oder Marsbeben sein.» Die Standorte der Felsstürze folgen aber keinem klaren Muster, das heisst, es konnte (noch) kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Felsstürzen und Faktoren wie dem Alter des Geländes, der Sonneneinstrahlung oder tektonischen Ereignissen festgestellt werden. 

Bedeutung für zukünftige Marsmissionen 

Die Kenntnis der Grösse und geografischen Verteilung von Felsstürzen auf einem Planeten ermöglicht Rückschlüsse auf die Aktivität und Dynamik seiner Oberfläche. «Unsere Forschungsergebnisse helfen, die aktuellen geologischen Prozesse zu charakterisieren, die die Oberflächen des Mars und anderer Körper im Sonnensystem formen», so Bickel. Die Ergebnisse könnten laut Bickel auch eine Grundlage für zukünftige Studien zur Landschaftsentwicklung und für die Planung zukünftiger Marsmissionen von Bedeutung sein. 

Zur Person

Bild: zvg

Valentin Bickel

ist planetarer Geomorphologe und Fellow am Center for Space and Habitability (CSH) an der Universität Bern und Mitglied des Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS. Er befasst sich hauptsächlich mit dynamischen Prozessen auf den Oberflächen von Mond, Mars und Merkur.

Kontakt
Dr. Valentin Bickel
valentin.bickel@unibe.ch

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