Für den Umgang mit künftigen Rekordhochwassern

Was bedeutet der Klimawandel für Hochwasser in der Schweiz? Mit einem neuen Instrument des Mobiliar Lab für Naturrisiken der Universität Bern lassen sich die konkreten Auswirkungen erstmals darstellen – und die Folgen für Menschen und Siedlungen abschätzen.

Das Berner Mattequartier während des Hochwassers im Juli 2021. Bild: Mobiliar Lab für Naturrisiken / Simon Schudel

Bilder wie dieses aus dem Berner Mattequartier während des Hochwassers im Juli 2021 sind in der Schweiz wieder aktuell: Nach heftigen Niederschlägen steigen die Pegel und richten teilweise grosse Schäden an, wie etwa im Wallis oder Misox. Was aber, wenn bisherige Grenzen gesprengt, Rekorde gebrochen werden? Mit dem fortschreitenden Klimawandel verschieben sich diese Grenzen. Denn wärmere Luft kann mehr Wasser aufnehmen – und Starkniederschläge gewinnen dadurch an Intensität. Was geschieht dann an der Aare in Bern? Was an der Limmat in Zürich oder an der Rhone in Martigny? Wie gross wären die Schäden, wie viele Menschen oder Arbeitsplätze wären betroffen?

Gewässer reagieren sehr unterschiedlich

So genau konnte das bisher niemand sagen, denn «für die Auswirkungen an konkreten Standorten spielen viele Faktoren eine Rolle. Etwa die Uferbeschaffenheit, die Nähe zu Gebäuden oder vorhandene Schutzbauten», erklärt Andreas Zischg, Co-Leiter des Mobiliar Lab. «Diese Faktoren sind von Standort zu Standort unterschiedlich und entsprechend muss jeder Standort individuell betrachtet werden».

 

Die zu erwartenden Schäden sind also entlang eines Flusses und von Gewässer zu Gewässer sehr unterschiedlich. Das bedeutet: In der Berner Matte hat dieselbe Abflusszunahme ganz andere Auswirkungen als am Hinterrhein in Thusis. «An manchen Standorten können Hochwasser, die nur leicht über die bisherigen Höchstwerte hinausgehen, zu sehr viel grösseren Schäden führen. An anderen Orten dagegen verursachen selbst deutlich grössere Hochwasser nur sehr geringe Zusatzschäden», so Zischg. Diese Informationen seien für eine effiziente Prävention unerlässlich, «denn nur so können frühzeitig geeignete Massnahmen an den Schwachstellen ergriffen und die vorhandenen Ressourcen optimal für den Schutz der Bevölkerung eingesetzt werden», erklärt Zischg.

Instrument eröffnet neue Möglichkeiten

Mit ihrem neu entwickelten Instrument schliessen Zischg und seine Kolleginnen und Kollegen diese Informationslücke. «Unsere Methode ermöglicht einen differenzierten Überblick über die Folgen von Rekordhochwassern in der Schweiz», sagt Zischg.

Aufnahme aus dem Online-Tool Risikosensitivität. In rot gefärbten Flussabschnitten können bereits geringe klimawandelbedingte Mehrabflüsse (im Vergleich zum bisherigen Rekord) grosse Schäden verursachen. In gelb gefärbten Abschnitten trifft dies erst bei sehr deutlichen Mehrabflüssen ein, und orangefarbene Abschnitte liegen dazwischen. Bild: www.risikosensitivitaet.ch

Die wichtigsten Erkenntnisse: Ausgehend vom bisher grössten beobachteten Hochwasser steigen so etwa die Gebäudeschäden bei einem Mehrabfluss von 10 Prozent durchschnittlich um mehr als 40 Prozent. Bei 20 Prozent Mehrabfluss steigen die Schäden sprunghaft um 80 Prozent an.

Prioritäten beim Hochwassermanagement setzen

Das Instrument soll in erster Linie dazu beitragen, besser mit den Folgen des Klimawandels umgehen zu können. «Im Hochwasserrisikomanagement können nun Prioritäten gesetzt werden», erklärt Andreas Zischg, «und zwar nach einer schweizweit einheitlichen Methodik.» An den Flussabschnitten, die mit dem neuen Instrument als besonders gefährdet eingestuft werden, gelte es nun, Hochwasserschutzmassnahmen umzusetzen.

Zur Person

Andreas Zischg

Andreas Zischg ist Professor für Modellierung von Mensch-Umwelt-Systemen am geographischen Institut der Uni Bern und Co-Leiter des Mobiliar Lab für Naturrisiken.

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