Im Spital trotz Alter und Krankheit beweglich bleiben

Carole Aubert erforscht, wie die Bewegung älterer Patienten und Patientinnen im Spital gesteigert werden kann, um negative Folgen wie den Verlust der Selbständigkeit oder eine Pflegeheimeinweisung zu verhindern.

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Frau Aubert, was versuchen Sie herauszufinden?

Carole Aubert: In meiner Forschung beschäftige ich mich mit der Versorgungsqualität. Mit der INTOMOB-Studie möchte ich die Bewegung älterer, hospitalisierter Personen verbessern. Wir wissen, dass sich Personen im Spital zu wenig bewegen, was zu negativen Konsequenzen führen kann. Dazu gehören beispielsweise der Verlust der Selbständigkeit oder die Einweisung ins Alterspflegeheim nach dem Spitalaufenthalt.

Zahlreiche Hindernisse auf Seiten der Patientinnen und Patienten, des Gesundheitspersonals und des Spitalumfelds erschweren jedoch die Verbesserung der Mobilität im Spital. Mit diesem Forschungsprojekt wollen wir herausfinden, ob Massnahmen zur Bewegungsförderung spätere Bewegungseinschränkungen nach einem akuten Spitalaufenthalt reduzieren können. Diese Massnahmen wurden gemeinsam mit Patientinnen und Patienten und Gesundheitspersonal entwickelt und berücksichtigen die Faktoren, die Mobilität im Spital hindern oder fördern.

Wieso ist das aus wissenschaftlicher Sicht wichtig?

Zu wenig Bewegung während einem akuten Spitalaufenthalt hat negative Konsequenzen, vor allem im Alter. Dazu gehören längere Spitalaufenthalte, erhöhtes Sturzrisiko, Muskelverlust, Verwirrtheit, Depression, Verstopfung, Schlafstörungen, Verlust der Selbstständigkeit oder sogar Tod. Dennoch bleiben hospitalisierte Personen zu viel im Bett.

In früheren Studien konnte eine Steigerung der Bewegung während der Hospitalisation erreicht werden, jedoch nur mit zusätzlichen Ressourcen, wie beispielsweise einer Aufstockung des Gesundheitspersonals. Im klinischen Alltag sind diese aber oft nicht verfügbar. Um die negativen Konsequenzen von fehlender Bewegung im Spital nicht nur in Studien, sondern auch in der Praxis zu reduzieren, müssen wir einen Weg finden, die Mobilität ohne zusätzliche Ressourcen zu verbessern. Das kann beispielweise durch eine Förderung der Selbständigkeit und Selbstwirksamkeit der Patientinnen und Patienten erreicht werden. Damit beschäftigt sich die INTOMOB Studie.

Was für einen Nutzen für die Gesellschaft könnte daraus resultieren?

Die verschiedenen negativen Konsequenzen der fehlenden Bewegung im Spital führen zu finanziellen und sozialen Kosten, welche die Gesellschaft tragen muss. Mit der Alterung der Bevölkerung und den explodierenden Gesundheitskosten wird sich das Problem in den nächsten Jahren verschärfen. Eine Verbesserung der Bewegung älterer hospitalisierter Patientinnen und Patienten könnte diese Kosten und die damit verbundenen negativen Konsequenzen für die Gesellschaft limitieren.

Was fasziniert Sie persönlich an diesem Forschungsprojekt?

Ich finde es faszinierend, wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt im klinischen Alltag direkt praktisch umgesetzt werden können. Die Studie fokussiert sich nicht nur auf das «Was», sondern auch auf das «Wie», um zu einer realen Veränderung im klinischen Alltag führen zu können. Die Zusammenarbeit mit Patientinnen und Patienten, sowie dem Gesundheitspersonal im Rahmen dieses Projekts, empfinde ich als sehr bereichernd und lehrreich. Zudem erfordert die Entwicklung einer Intervention viel Kreativität.

Was ist die grösste Herausforderung, die es zu überwinden gilt?

Eine grosse Herausforderung besteht darin, ältere Personen, die sich krank fühlen und zusätzlich hospitalisiert sind, in die Studie einzuschliessen. Eine zweite grosse Herausforderung ist, dass die Studie für viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer frühzeitig endet, entweder weil sie nicht mehr mitmachen möchten oder können oder weil sie versterben. Und schliesslich ist auch die aktive Studienteilnahme seitens Gesundheitspersonal nicht selbstverständlich, vor allem in der aktuellen Situation, wo jede zusätzliche Arbeit ungern angenommen wird.

Wie ist das Forschungsprojekt finanziert?

Das Forschungsprojekt wird durch einen sogenannten «Ambizione»-Karrierebeitrag vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert. Der Förderbeitrag zahlt einen Teil meines Lohns sowie die notwendigen Kosten für die Durchführung des Projekts. Die Finanzierung des Schweizerischen Nationalfonds dauert vier Jahre.

Zur Person

© zvg

Carole Elodie Aubert

Prof. Dr. Carole Elodie Aubert ist Leitende Ärztin an der Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin am Inselspital, Universitätsspital Bern. Sie ist ausserdem Lehrbeauftragte Forschung am Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM) der Universität Bern.

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