Politisch engagiert für den Mittelbau

Die Interessen der über 4'000 Doktorierenden, Assistierenden, Postdocs, wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Dozierenden der Universität Bern vertritt die Mittelbauvereinigung MVUB – und das seit 30 Jahren. Was motiviert junge Forschende, in dieser Organisation mitzutun, und was wollen sie bewirken?

Mittelbauvereinigung, MVUB, Marc Zibung, Sofie Aeschlimann, Korollus Melek
Marc Zibung, Sofie Aeschlimann und Korollus Melek sind Vorstandsmitglieder der Mittelbauvereinigung Universität Bern MVUB.

Sofie Aeschlimann ist vielseitig aktiv: Sie arbeitet an ihrer Dissertation zum Thema Lyrik und Archäologie, daneben schreibt sie auch selbst Gedichte, verfasst Rezensionen und spielt in einem Amateurorchester. Wieso engagiert sich eine geschäftige junge Wissenschafterin wie sie auch noch in der Mittelbauvereinigung der Universität Bern? «Weil ich es wichtig finde, die Uni besser zu machen», erklärt die Germanistin. Und: «Weil ich das gerne tue.» Die Zusammenarbeit im Vorstand der MVUB sei inspirierend. «Das sind lauter motivierte Leute, von denen man viel lernen kann – das ist das Schöne an der MVUB und insgesamt an der Universität Bern.»

Sofie Aeschlimann, Mittelbauvereinigung, MVUB
Sofie Aeschlimann findet die Zusammenarbeit im Vorstand der MVUB inspirierend.

Sofie Aeschlimann ist seit April dieses Jahres Mitglied im MVUB-Vorstand und gehört damit zu den Neulingen im momentan zwölfköpfigen Gremium – wobei: Weil Doktorierende nur wenige Jahre an der Universität angestellt sind, herrscht in diesem Vorstand ein strukturell bedingtes Kommen und Gehen. Entsprechend fluid sind die Aufgaben verteilt. Das ganze Team nimmt an den regelmässigen Sitzungen und Retraiten teil, die laufenden Arbeiten hingegen werden ad hoc aufgeteilt. So kommt es auch, dass Sofie Aeschlimann, eben erst ins Amt gewählt, Teil der MVUB-Delegation wurde, die sich regelmässig mit der Unileitung trifft.

Lösungen gestalten

Bereits seit 2022 im MVUB-Vorstand ist Korollus Melek, seit kurzem ist der Doktorand auch Co-Präsident der Mittelbauvereinigung. Er schliesst demnächst seine Dissertation im Bereich der Krebsforschung ab. Seine berufliche Zukunft? «Mein Ziel ist, in einer passenden Rolle an der Universität tätig zu bleiben.»

«Wo sich sonst niemand zuständig fühlt, sind wir zuständig.»

Korollus Melek

Ob und wo der Molekularmediziner eine feste Stelle finden wird, ist ungewiss, doch Korollus Melek ist sich ein mobiles Leben gewohnt: In Ägypten geboren, ist er in Österreich aufgewachsen und hat in Wien und an der Berliner Charité studiert. Seine Doktorarbeit führte ihn schliesslich an die Universität Bern, wo er merkte, dass ihn nicht nur die Biochemie fasziniert, sondern auch die Hochschulpolitik. «Mir gefällt es, aus nächster Nähe mitzuverfolgen, wie diese Politik gestaltet wird und selbst aktiv zu Lösungsansätzen beizutragen», erklärt er.

Korollus Melek, Mittelbauvereinigung, MVUB
Korollus Melek ist Co-Präsident der Mittelbauvereinigung.

Privilegierte Gesprächspartnerin der Unileitung

Der Mittelbau – Doktorierende, Assistierende, Postdocs, Dozentinnen und Dozenten sowie wissenschaftliche Mitarbeitende – ist einer der Player in der Hochschulpolitik. So ist die MVUB als sogenannte Standesvertretung in allen universitären Kommissionen, in Arbeitsgruppen und im Senat vertreten und dadurch Teil der universitären Vernehmlassungsprozesse. Und die MVUB ist, wie Co-Präsident Melek durchblicken lässt, eine privilegierte Gesprächspartnerin der Unileitung. Der Grund: Sie zählt unter ihren Mitgliedern Mitarbeitende aller Fakultäten und gilt deshalb als uniübergreifender Gradmesser der Bedürfnisse – etwa als während der Corona-Pandemie Lösungsansätze und Ratschläge dazu abgegeben wurden, wie Lerninhalte als Podcasts angeboten werden.

Wie der Mittelbau im Detail organisiert ist, mag für Aussenstehende etwas verwirrend sein. Mittelbauorganisationen gibt es nämlich auch auf Fakultätsebene. Die MVUB ist die gesamtuniversitäre Vereinigung und besteht aus zwei Sektionen: die eine vereint die Assistentinnen und Assistenten, die andere die Dozierenden. Marc Zibung ist Vorsitzender der zweiten Sektion und seit 2018 in der Leitung der MVUB – und damit wohl eines der dienstältesten Vorstandsmitglieder. Er ist promovierter Sportwissenschaftler und unterrichtet am Institut für Sportwissenschaft, wo er auch als Studienfachberater tätig ist. Sein Engagement in der Mittelbauvereinigung hat nicht zuletzt mit seiner eigenen beruflichen Situation zu tun: «Wir Dozierenden haben zwar eine feste Anstellung, aber auch wir brauchen eine Vertretung, die sich auf politisch-struktureller Ebene für uns und den ganzen Mittelbau einsetzt.»

Marc Zibung, Mittelbauvereinigung, MVUB
Marc Zibung ist Vorsitzender der Dozierenden-Sektion und seit 2018 in der Leitung der MVUB.

Als erfahrenes MVUB-Mitglied verritt Marc Zibung den Mittelbau im Senat. Die meisten Geschäfte im obersten Organ der Universität seien unbestritten, erzählt er, doch nicht alle: So wollte die Unileitung etwa vor einigen Jahren die Kommission für Internationales abschaffen. Für den Mittelbau hätte das ein Verlust an Mitsprachemöglichkeiten bedeutet, weshalb sich die MVUB dem Ansinnen widersetzte – mit Erfolg.

Kinderwagenrampen, Arbeitskonflikte, Abhängigkeiten

Grössere Veränderungen brauchen Zeit, während kleinere Anliegen oft unmittelbare Resultate zeigen. «Unser grösstes Ziel ist, für den Mittelbau strukturelle Verbesserungen zu erzielen», erklärt Sofie Aeschlimann, «das sind sehr lange Prozesse, aber in den Reglementen der Universität werden immer wieder Dinge auf Initiative der MVUB verbessert.»

Der Kampf für Verbesserungen, so das Vorstandsmitglied, reiche von ganz kleinen bis zu ganz grossen Anliegen: Auf Initiative der MVUB wurde beispielsweise der Zugang zu Unigebäuden mit Kinderwagen verbessert. Schliesslich zählen die meisten jungen Eltern an der UniBE zum Mittelbau. Das grosse Thema der MVUB allerdings sind Abhängigkeitsverhältnisse – etwa zwischen Doktorierenden und ihren Betreuerinnen und Betreuern. Sofie Aeschlimann: «Wir setzen uns dafür ein, dass Mittelbauangehörige ihrer Arbeit unter fairen Bedingungen nachgehen können. Und falls es Konflikte gibt, sollten die Mittelbauangehörigen wissen, wo sie sich beraten lassen können.»

«Unser grösstes Ziel ist, für den Mittelbau strukturelle Verbesserungen zu erzielen.»

Sofie Aeschlimann

Ungewissheit bringt Existenzängste

Sind Abhängigkeiten tatsächlich die grössten Sorgen des universitären Mittelbaus? Nicht nur. Schwer lastet auf jungen Forschenden auch die ungewisse berufliche Zukunft. «80 Prozent aller Angehörigen des Mittelbaus haben lediglich befristete Verträge», betont MVUB-Co-Präsident Korollus Melek, «das ist eine sehr grosse Sorge, da geht es um Existenzängste.»

Und genau hier steckt die Mittelbauvereinigung in einem Dilemma: Viele junge Forschende ziehen eine akademische Karriere in Betracht, so auch die befragten Vorstandsmitglieder, doch bekanntlich sind die festen Stellen als Professorinnen und Professoren dünn gesät, und an diesem grundlegenden Problem des Wissenschaftsbetriebs kann die MVUB kaum etwas verändern. Das ist sich auch Korollus Melek bewusst. Doch wenn man schon wenig Grundsätzliches für die berufliche Zukunft des Mittelbaus ausrichten könne, so sein Motto, dann wolle man wenigstens dazu beitragen, das Doktorierende und Postdocs «das Beste aus ihrer Zeit an der Universität» machen könnten.

Information und Beratung bei der MVUB

Gemeint sind damit gute Rahmenbedingungen, zu denen die MVUB durchaus beitragen kann. Faire Doktoratsvereinbarungen etwa oder das Vier-Augen-Prinzip, das sicherstellt, dass Doktorierende von zwei Vorgesetzten betreut werden, um bei den unvermeidlichen Abhängigkeitsverhältnissen Missbrauch zu verhindern.

«Die Abhängigkeitsverhältnisse bei Doktorierenden und Postdocs bergen ein grosses Missbrauchspotenzial.»

– Marc Zibung

Ein Thema sind auch die Arbeitsbedingungen von Postdocs. Diese müssten zu mindestens 80 Prozent angestellt sein, fordert die MVUB, denn sonst drohe Gratisarbeit. Vor allem aber sieht sich die Mittelbauvereinigung als Drehscheibe für Informationen und Rat bei Konflikten. «Wir können nicht immer selbst helfen, aber wir haben den Überblick über das breitgefächerte Beratungsangebot an der Uni», unterstreicht Korollus Melek.

In schwierigen Momenten des Arbeitslebens ist eine solche Anlaufstelle für die MVUB-Mitglieder Gold wert. Deshalb ist klar: Auch nach 30 Jahren Engagement für die Interessen des Mittelbaus hat sich die MVUB noch längst nicht selbst überflüssig gemacht.

Zu den Personen

Sofie Aeschlimann (27)
ist Doktorandin am Institut für Germanistik und Vorstandsmitglied der MVUB
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Korollus Melek (28)
ist Doktorand am Institut für Biochemie und Molekulare Medizin und Co-Präsident der MVUB
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Marc Zibung (44)
ist Dozent am Institut für Sportwissenschaft und Vorstandsmitglied der MVUB
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Die Mittelbauvereinigung (MVUB)

Die Mittelbauvereinigung der Universität Bern ist die Standesvertretung der über 4'000 Mittelbauangehörigen der Universität Bern und vertritt sie in ihren wissenschaftlichen und beruflichen Interessen gegenüber universitären sowie ausseruniversitären Gremien und Behörden. Die Kernaufgaben der MVUB sind Vertretung, Vernetzung und Beratung. Sie ist als Verein organisiert, hat über 800 Einzelmitglieder sowie 12 Kollektivmitglieder (mit rund 1'680 Personen) und unterhält eine professionelle Geschäftsstelle, welche durch Sandra Zumbrunn und Fabienne Brawand geführt wird.

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