Kolumne «Schweizer Herzfrequenzen»
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben?
In kaum einem anderen Land Europas fühlen sich die Menschen freilich so wohl wie in der Schweiz. Wieso das so ist.
Täuscht der Eindruck? An jeder Ecke wird gemeckert, geklagt und reklamiert. Maulen und Meckern als Volkssport. Fast überall Griesgrame. Medial aufgeputschte Wahrnehmungen von Ungleichheiten schüren die Verstimmungen zusätzlich. Deshalb einmal ganz offen gefragt: Wie läuft es bei Ihnen? Sind Sie eigentlich zufrieden mit Ihrem Leben? Oder sind auch Sie alles andere als wunschlos glücklich?
Die Suche nach dem Kern der Lebensqualität treibt seit Aristoteles nicht nur Philosophinnen und Philosophen um. Will man den Menschen auf den Puls fühlen, gehören demoskopisch ausgeleuchtete Einschätzungen des persönlichen Wohlbefindens seit Jahrzehnten auch zum Standardrepertoire der Sozialwissenschaften. Besondere Aufmerksamkeit gilt hierbei dem Glücksempfinden und der Lebenszufriedenheit. Ersteres tritt auf, wenn positive Befindlichkeiten die negativen Stimmungslagen dominieren. Letztere drückt eine eher nüchterne Bewertung der Lebensbedingungen aus, die sich aus dem Vergleich der Wunschvorstellungen mit dem tatsächlich Erreichten ergibt. Verrechnet werden dabei die persönlichen Erfahrungen am Arbeitsplatz, die familiäre Situation, die Gesundheit oder auch die Qualität sozialer Beziehungen.
Verwenden die einen die beiden Zustände synonym, betonen andere deren Unterschiede: Während Glück eine momentane Erfahrung ist, die sich spontan einstellt, ist die Lebenszufriedenheit langfristig angelegt und beruht auf der Verwirklichung lebenslang gesetzter Ziele. So kann das Glücksempfinden beispielsweise zwischen den Wochentagen schwanken, während die Lebenszufriedenheit keine solchen kurzfristigen Ausschläge zeigt. Notorische Miesepeter können daher an guten Tagen durchaus auch einmal zu Glückspilzen mutieren.
Je älter, desto zufriedener
In kaum einem anderen Land Europas fühlen sich die Menschen freilich so wohl wie in der Schweiz. In den Befragungen der europäischen Wertestudie bezeichnen sich über 90 Prozent als glücklich, und 70 Prozent sind mit ihrem Leben im Allgemeinen sehr zufrieden. Überflügelt werden die Schweizerinnen und Schweizer nur von wenigen nordeuropäischen Nationen. Leicht rückläufige Werte in den letzten Jahrzehnten deuten allerdings auch auf einen möglichen Restaurationsbedarf der hiesigen Wohlfühloase hin. Weitere Zahlen zeigen zudem, dass die Zufriedenheit mit dem sozialen Umfeld meist höher ausfällt als die mit der finanziellen Situation oder der zur Verfügung stehenden Freizeit.
Heutzutage sind die Menschen in der Deutschschweiz tendenziell zufriedener als im Rest des Landes. Das Gleiche gilt für Eigentümerinnen und Eigentümer im Vergleich zu allen, die Miete zahlen. Zudem: Je älter und wohlhabender die Menschen in der Schweiz sind, desto zufriedener sind sie mit ihrem Leben. Auch der rote Pass macht hierzulande einen Unterschied: Einheimische leben zufriedener als Ausländerinnen und Ausländer. Keine Unterschiede gibt es hingegen entlang des politischen Spektrums von rechts bis links. Und wer mit dem Leben zufrieden ist, der vertraut auch seinem Umfeld, den Menschen und den Institutionen.
Und? Wie schauts bei Ihnen aus? Entspricht Ihr Dasein Ihrem Ideal? Halten Sie Ihre Lebensbedingungen für optimal? Haben Sie bisher alles bekommen, was Sie sich vom Leben wünschen? Und, wenn Sie Ihr Leben noch einmal leben könnten: Würden Sie alles wieder genauso machen? Stimmen Sie all dem vorbehaltlos zu, dann leben Sie auf einer Insel der Glückseligen. Dort wären Sie allerdings nicht allein. Denn die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer denkt bei diesen Fragen ebenso.
Zweitveröffentlichung
Tamedia-Kolumnen auf uniAKTUELL
Die Tamedia-Kolumnen von Markus Freitag sowie von Adrian Vatter und Rahel Freiburghaus erscheinen auch auf uniAKTUELL.
Zum Institut für Politikwissenschaft (IPW) der Universität Bern
Das IPW ist eines der führenden politikwissenschaftlichen Institute der Schweiz und gehört gemäss CHE Excellence Einstufung zur Spitzengruppe in Europa. Es beheimatet ausgezeichnete Grundlagenforschung und praxisrelevante Auftragsforschung. Deren Kernbotschaften sind Bestandteile der angebotenen Studiengänge Bachelor «Sozialwissenschaften» sowie Master «Politikwissenschaft» und Master «Schweizer Politik und Vergleichende Politik». Schwerpunkte in der Lehre und Forschung sind schweizerische Politik, vergleichende Politikwissenschaft, europäische Politik, Policy Analyse, Klima-, Energie- und Umweltpolitik sowie die Einstellungs- und Verhaltensforschung im Rahmen der politischen Soziologie. Zudem offeriert das IPW Dienstleistungen für die Öffentlichkeit wie etwa das Année Politique Suisse.