Bergbau in Madagaskar
Nebenwirkungen des Naturschutzausgleichs
Forschende des Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern haben die Auswirkungen des Bergbaus in Madagaskar untersucht und kommen zum Schluss: Die Auswirkungen der grössten Mine sind deutlich grösser als bisher angenommen.
Die globale Nachfrage nach Ressourcen nimmt rapide zu. Zwischen 1970 und 2017 hat sich der weltweite Rohstoffabbau mehr als verdreifacht. Eine kürzlich veröffentlichte Studie beziffert die Ausdehnung aktiver Tagebauflächen auf über 65,500 Quadratkilometer. Rund zehn Prozent davon überschneiden sich mit Naturschutzgebieten. Da viele erneuerbare Energietechnologien wie Wind- und Sonnenenergie Kupfer, Kobalt, Nickel und Lithium benötigen, wird die Energiewende diesen Trend noch beschleunigen.
Afrika in den Fokus der Bergbauindustrie gerückt
In Afrika befinden sich fast zwei Drittel der geschätzten weltweiten Reserven an Bodenschätzen. Deshalbist der Kontinent zunehmend in den Fokus der Bergbauindustrie gerückt. Obwohl die Bodenschätze im Falle Madagaskars noch weitgehend ungenutzt sind, spielt das Land eine wichtige Rolle in der globalen Produktion von Kobalt, Ilmenit, Glimmer, Nickel und Zirkon. So betreibt etwa das Unternehmen Ambatovy in Madagaskar eine der grössten Nickel- und Kobaltminen der Welt. Sie wurde 2012 in Betrieb genommen und liegt inmitten eines artenreichen Regenwaldes sowie in der Nähe zweier Nationalparks.
Um die Abholzung für den Bau der Mine zu kompensieren, hat Ambatovy vier teils schon bestehende Naturschutzgebiete ausgewählt und betreibt eines davon selbst. 2022 kam eine wissenschaftliche Studie, die diese Massnahme hinsichtlich der Vermeidung von Nettowaldverlusten prüfte, zum Schluss: Die Kompensationsmassnahmen des Unternehmens seien «auf dem richtigen Weg, um so viel Abholzung zu verhindern, wie das Bergwerk verursachte».
Walddegradation wurde unterschätzt
Doch es lohnt sich genauer hinzuschauen. Forschende des CDE haben in den beiden wichtigsten der vier Kompensationsgebiete und deren Umgebung nicht nur die Veränderung der Waldfläche, sondern auch ihren qualitativen Zustand seit der Inbetriebnahme der Mine untersucht. Denn so Sandra Eckert, Expertin für Fernerkundung und räumliche Datenanalyse am CDE: «Auch die Verschlechterung des Zustands, also die Walddegradation, ist ein wichtiger Treiber für Kohlenstoffemissionen und Biodiversitätsverluste. Ihre Rolle wird aber noch weitgehend vernachlässigt und nicht in die Bewertungen einbezogen.»
«Auch die Verschlechterung des Zustands [des Waldes], also die Walddegradation, ist ein wichtiger Treiber für Kohlenstoffemissionen und Biodiversitätsverluste.»
– Sandra Eckert
Um die verschiedenen Beeinträchtigungen räumlich und zeitlich detailliert nachzuvollziehen, analysierten die CDE-Forschenden historische Bilder von Erdbeobachtungssatelliten der NASA mit Hilfe neuester Cloud-basierten Technologien und Algorithmen. Diese differenzierte Betrachtung lässt die Naturschutzkompensationen des Bergbauunternehmens in einem anderen Licht erscheinen: «Unsere Ergebnisse bestätigen zwar, dass die Naturschutzgebiete von Ambatovy die Abholzung in diesen Wäldern massiv reduziert haben und auch die Walddegradation innerhalb dieser Gebiete zurückgeht», erläutert Sandra Eckert. «Aber wir belegen auch, dass dieser Schutz ausserhalb dieser Gebiete zu mehr Entwaldung und Walddegradation führt – und zwar deutlich mehr als kompensiert wurde.»
Landwirtschaft und Bevölkerungswachstum benötigen Landfläche
Grund für diese Entwicklung sind sogenannte Spillover-Effekte: Mit der Mine und den Kompensationsgebieten sind die Land- und Waldflächen, zu denen die lokalen Gemeinschaften noch Zugang haben, geschrumpft. Subsistenzbäuerinnen und -bauern waren gezwungen, umzusiedeln und ihre Reisproduktion zu verlagern – oft zulasten ungeschützter, kleiner Wälder in der Umgebung. Zudem zog der Minenbetrieb viele Menschen auf der Suche nach Verdienstmöglichkeiten an und führte zu einem Bevölkerungswachstum in der Umgebung.
«Offensichtlich hat Ambatovy diese Effekte unterschätzt», meint Sandra Eckert. Deshalb sei es wichtig, dass die Betrachtungsweise und die politischen Mechanismen zur Kompensation von Biodiversitätsverlusten ganzheitlicher würden.
Zur Person
Sandra Eckert
ist Dozentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am CDE und am Geographischen Institut der Uni Bern.