Stefan Brönnimann: Wie politisch hätten Sie es gern?

Wie gelingt es Professorinnen und Professoren, den Diskurs in ihren Lehrveranstaltungen unvoreingenommen und ergebnisoffen zu halten? Und welche Erfahrungen machen sie ausserhalb der Hörsäle mit Versuchen politischer Vereinnahmung? Ein Klimatologe bezieht Stellung.

Stefan Brönnimann

Büffeln oder die Welt retten?

«Die Klimaforschung ist seit Jahrzehnten politisch exponiert, trotzdem hatte ich kaum je Probleme mit politischer Vereinnahmung, weder im Unterricht noch sonst. Ich folge der Maxime des Weltklimarats: Unsere Arbeit soll politikrelevant sein, aber nicht politikvorgreifend (policy prescriptive). Wo aber die Grenze zwischen Engagement und Aktivismus ist, müssen alle für sich entscheiden. So entsteht eine gesunde Pluralität. Das funktioniert gut, Diskussionen sind selten hitzig und immer fruchtbar.

Aber Welt und Gesellschaft sind im Umbruch. Was heisst das fürs Studium? Thermodynamik büffeln oder die Welt retten? Wir schaffen Wissen, vermitteln Kompetenzen und erproben Zusammenarbeitsformen, die zur Lösung gesellschaftsrelevanter Probleme nötig sind. Sie zu lösen, ist nicht unsere Aufgabe, auch wenn ich den Willen dazu bewundere. Es ist die Aufgabe aller. Nach ihrem Abschluss nehmen sich viele Studierende dieser Aufgabe an, sei es in der Privatwirtschaft, im Bildungswesen oder in der Verwaltung. Also: Thermodynamik büffeln und dann die Welt retten.

Der Umbruch betrifft auch unser Wertesystem. Das kann Studierende und Dozierende verunsichern, darauf muss ich eingehen. Aber Wertediskussionen müssen gesamtgesellschaftlich geführt werden, das ist mein Politikverständnis. Die Wissenschaft soll sich mit Fakten und Argumenten einbringen, falsche Aussagen korrigieren. Das können wir im Unterricht üben. Wir bilden Studierende nicht nur akademisch aus, sondern auch zu aktiven Mitgliedern der Gesellschaft.»

Zur Person

Stefan Brönnimann

ist Professor für Klimatologie am Geographischen Institut und Vizepräsident des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung (OCCR).

Universität im Spannungsfeld

«Freiheit und Verantwortung bedingen sich»

Die Studierendenzahlen steigen, die finanziellen Mittel werden knapper. Wie die Universität Bern dieser Herausforderung begegnet, die Freiheit der Wissenschaft verteidigt und sich in gesellschaftlich relevante Debatten einbringt, darüber spricht Rektorin Virginia Richter.

Zum Interview

Magazin uniFOKUS

«Startrampe Studium»

Dieser Artikel erschien erstmals in uniFOKUS, dem Printmagazin der Universität Bern. uniFOKUS beleuchtet viermal pro Jahr einen thematischen Schwerpunkt aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Aktuelles Fokusthema: «Studieren»

uniFOKUS als Magazin abonnieren

uniAKTUELL-Newsletter abonnieren

Entdecken Sie Geschichten rund um die Forschung an der Universität Bern und die Menschen dahinter.

Oben