Stickstoffemissionen beeinflussen den Klimawandel

Stickstoffe aus fossilen Energieträgern und Landwirtschaft wirken sich unterschiedlich auf das Klima aus. Wie genau, hat ein Forschungsteam unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie mit Beteiligung der Universität Bern untersucht.

Text: Arian Bastani 24. Juli 2024

Kunstdünger wird auf einem Feld ausgebracht. Bild: iStock
Kunstdünger wird auf einem Feld ausgebracht. Bild: iStock

Bei der Verbrennung fossiler Energieträger wie Erdöl oder Kohle und beim Einsatz von Düngemitteln werden Stickstoffverbindungen freigesetzt. Dazu gehören etwa das Treibhausgas Lachgas oder die zum Feinstaub zählenden Stickoxide und Ammoniak. Diese haben direkte und indirekte Auswirkungen auf die Strahlungsbilanz der Erde – also wie viel Strahlung von der Sonne auf der Erde ankommt und wie viel von der Erde aus wieder abgestrahlt wird – und damit auf den Klimawandel.

Komplexes Zusammenspiel

«Das Zusammenspiel der direkten und indirekten Effekte ist komplex», sagt Qing Sun, Mitautorin der Studie und Postdoktorandin an der Universität Bern. Beispielsweise würden Feinstaubpartikel die Sonneneinstrahlung reflektieren und damit kühlend auf das Klima wirken. «Zudem können zu einer kürzeren Verweildauer des Treibhausgases Methan in der Atmosphäre beitragen und haben dadurch auch eine indirekte Kühlwirkung auf das Klima», erklärt Sun. Gleichzeitig würden die Stickstoffe durch ihre düngende Wirkung unter anderem das Pflanzenwachstum ankurbeln. «Das führt zu einer zusätzlichen Aufnahme von Kohlendioxid durch die Landbiosphäre – und damit zu einer Abnahme der CO2-Konzentration in der Atmosphäre, was wiederum kühlend auf das Klima wirkt», sagt Sun, die mit Computersimulationen der Landbiosphäre zur aktuellen Studie beigetragen hat. Lachgas wirkt als Treibhausgas wiederum erwärmend auf das Klima. Diese Effekte könnten regional sehr unterschiedlich ausfallen, so die Forscherin. Diese Komplexität ist der Grund dafür, dass der Nettoeffekt dieser Stickstoffe auf das Klima bisher unklar war.

Zur Person

Qing Sun

ist Postdoktorandin in der Abteilung Klima- und Umweltphysik der Universität Bern.

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Stickstoffe haben die Erde bisher gekühlt

Die Ergebnisse der im Fachmagazin «Nature» veröffentlichten Studie schliessen nun diese Wissenslücke. «Wir konnten den Einfluss der einzelnen Verbindungen sowie den Gesamteffekt messen», sagt Sun. Insgesamt hätten die Stickstoffverbindungen eine kühlende Wirkung auf das Klima, so Sun.

Einfluss der reaktiven Stickstoffe (Nr) auf die Strahlungsbilanz der Erde im Vergleich zum Jahr 1850 und nach Quellen aufgeteilt (gelb: Landwirtschaft, grau: Nicht-Landwirtschaft, also zumeist aus fossilen Energieträgern). Werte links der Mitte stellen kühlende Effekte dar, Werte rechts der Mitte wirken erwärmend auf das Klima. Aufgeführt sind die direkten Effekte von Lachgas (N2O) und Feinstaub (Aerosole aus Stickstoffverbindungen) sowie die indirekten Effekte über Ozon (O3), Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2). Die Zahlenwerte sind in Watt pro Quadratmeter (W m-2) ausgedrückt. Die Gesamtwirkung aller Stickstoffe entspricht etwa 0,3 Grad Celsius globaler Abkühlung seit 1850. Quelle: Angepasst nach Chong et al., 2024.
Einfluss der reaktiven Stickstoffe (Nr) auf die Strahlungsbilanz der Erde nach Quellen aufgeteilt (gelb: Landwirtschaft, grau: Nicht-Landwirtschaft, also zumeist aus fossilen Energieträgern). Werte links der Mitte stellen kühlende Effekte dar, Werte rechts der Mitte wirken erwärmend auf das Klima. Aufgeführt sind die direkten Effekte von Lachgas (N2O) und Feinstaub (Aerosole aus Stickstoffverbindungen) sowie die indirekten Effekte über Ozon (O3), Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2). Die Zahlenwerte sind in Watt pro Quadratmeter (W m-2) ausgedrückt. Die Gesamtwirkung aller Stickstoffe entspricht etwa 0,3 Grad Celsius globaler Abkühlung seit 1850. Quelle: Angepasst nach Chong et al., 2024.

«Wir dürfen nicht vergessen, dass der kühlenden Klimawirkung zahlreiche schädliche Auswirkungen gegenüberstehen», betont Fortunat Joos, Mitautor der Studie und Professor am physikalischen Institut und am Oeschger-Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern. «Die Luftverschmutzung verursacht allein in der Schweiz über 2’000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr und Stickstoff trägt massgeblich dazu bei.»

Zur Person

Fortunat Joos

ist Professor am physikalischen Institut und am Oeschger-Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern.

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Wärmewirkung könnte zukünftig dominieren

Die Gesamtwirkung der Stickstoffe könnte in Zukunft jedoch umkehren: Denn um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen, muss der Einsatz fossiler Energieträger reduziert werden. Dadurch würde aber die Konzentration des kühlenden Feinstaubs abnehmen. «Da in diesen Klimaschutzszenarien die Emissionen des Treibhausgases Lachgas aus Düngemitteln weiterhin hoch bleiben, erwarten wir insgesamt einen leicht erwärmenden Beitrag des Stickstoffs. Dieser ist aber weit geringer als die Erwärmung durch den ungebremsten Verbrauch fossiler Energieträger», sagt Sun.

Oeschger-Zentrum für Klimaforschung OCCR

Das Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR) ist eines der strategischen Zentren der Universität Bern. Es bringt Forscherinnen und Forscher aus 14 Instituten und vier Fakultäten zusammen. Das OCCR forscht interdisziplinär an vorderster Front der Klimawissenschaften. Das Oeschger-Zentrum wurde 2007 gegründet und trägt den Namen von Hans Oeschger (1927-1998), einem Pionier der modernen Klimaforschung, der in Bern tätig war.

Weitere Informationen: www.oeschger.unibe.ch

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