KI-Modell erzeugt virtuelle Färbungen von Krebsgewebe

Forschende aus Bern und Lausanne erzielen Fortschritte in der Analyse und Diagnose von Krebs. Sie entwickelten ein KI-Modell, das virtuelle Färbungen von Krebsgewebe ermöglicht und somit experimentelle Daten ergänzt.

Text: Liselotte Selter 09. September 2024

Mikroskopisches Bild einer Färbung von Prostatakrebsgewebe. © iStock
Mikroskopisches Bild einer Färbung von Prostatakrebsgewebe. © iStock


Forschende haben oft nur wenig Gewebematerial zur Verfügung, um daraus Informationen über den Krankheitsstatus von Krebsbetroffenen zu erhalten. Um diese Informationen zu erhalten, mussten sie Krebsgewebe bisher im Labor mit spezifischen Farbstoffen färben. Je nach Färbung können bestimmte Merkmale oder Moleküle – sogenannte Marker – innerhalb des Gewebes sichtbar gemacht werden. Doch die Laboranalysen der Marker sind arbeitsaufwändig und die experimentellen Färbungen sind manchmal aus technischen oder logistischen Gründen nicht möglich. Dadurch fehlen oft wichtige Informationen beispielsweise zu anormalem Zellwachstum oder veränderter Zellkerngrösse, die Hinweise für die Diagnose und Therapie von Krebskrankheiten geben könnten.

Um dieses Manko zu überwinden, haben Forschende der Universitäten Lausanne und Bern ein Modell entwickelt, den «VirtualMultiplexer», der mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) solche Färbungen nachahmt. Die Ergebnisse ihrer Arbeit wurden kürzlich in Nature Machine Intelligence veröffentlicht.

Virtuelle Färbungen unterstützen bei Krebsdiagnose

«Um die zugrundeliegende Methode zu verstehen, kann man sich eine Handy-App vorstellen, die vorhersagt, wie ein junger Mensch im Alter aussehen wird», erklärt Marianna Rapsomaniki, Forschungsleiterin der Abteilung KI/ML für Biomedizin am Biomedical Data Science Center (BDSC) der Universität Lausanne und Universitätsspital Lausanne. Auf der Grundlage eines aktuellen Fotos erstellt die App ein virtuelles Bild, welches das zukünftige Aussehen der Person simuliert. Dies geschieht durch die Verarbeitung von Informationen aus Tausenden von Bildern anderer, nicht verwandter, älterer Personen. «Ähnlich erstellt der VirtualMultiplexer anhand eines gefärbten Gewebebilds virtuelle Versionen, die zeigen, welche Marker dieses Gewebe auszeichnen», so Rapsomaniki. Nachdem der VirtualMultiplexer erlernt hat, nach welcher Logik das Gewebe gefärbt wird, ist er in der Lage, denselben «Stil» auf ein bestimmtes Gewebebild anzuwenden. Besonders interessant ist, dass eine einzige tatsächliche Färbung ausreicht, um virtuelle Färbungen für verschiedene Marker zu simulieren.

Zur Person

Marianna Rapsomaniki

Prof. Dr. Marianna Rapsomaniki ist Gruppenleiterin der Abteilung Künstliche Intelligenz/Machine Learning für Biomedizin am Biomedical Data Science Center (BDSC) der Universität Lausanne und Universitätsspital Lausanne.

Kontakt

E-Mail: Marianna.rapsomaniki@chuv.ch

Wirksamkeit und klinische Relevanz

Durch ein strenges Validierungsverfahren stellten die Forschenden sicher, dass die virtuellen Färbungen klinisch relevante Ergebnisse liefern. «Wir konnten in Tests zeigen, dass diese Bilder das Fortschreiten der Krankheit und das Überleben von Patienten und Patientinnen genauso gut vorhersagen wie reale Färbungen», erklärt Marianna Kruithof-de Julio, Forschungsleiterin an der Universitätsklinik für Urologie des Inselspitals und am Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern, und Ko-Autorin der Studie. Weiter konnten sie zeigen, dass die menschlichen Expertinnen und Experten die künstlichen Bilder fast nicht von den echten Bildern unterscheiden konnten, was die Wirksamkeit des Modells belegt.

Zukunftspotenzial für verschiedene Krebsarten

Kruithof-de Julio sieht ein grosses Potenzial für zukünftige Anwendungen: «Wir haben das Tool anhand von Geweben von Prostatakrebs-Patienten entwickelt. In der Studie konnten wir zeigen, dass es bei Bauchspeicheldrüsenkrebs ähnlich gut funktioniert. Dies stimmt uns zuversichtlich, dass das Tool auch für viele andere Krankheiten nützlich sein kann.»

Zur Person

Marianna Kruithof-de Julio

Prof. Dr. Marianna Kruithof-de Julio ist Forschungsleiterin an der Universitätsklinik für Urologie, Inselspital Bern, und Leiterin der Abteilung Translationale Organoidmodelle am Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern.

Kontakt

E-Mail: Marianna.kruithofdejulio@unibe.ch

Medienmitteilung der Universität Bern

Generative KI ermöglicht klinische Vorhersagen bei Krebs

zur Medienmitteilung vom 9.9.2024

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