Spitzensportler Sascha Lehmann
Von der Kletterwand an die Vorlesung
Der Europameister im Lead-Klettern und Olympiateilnehmer lebt die Balance zwischen sportlicher Höchstleistung und intellektueller Neugier. Wie schafft er es, seine Leidenschaft für das Klettern mit einem anspruchsvollen Studium an der Universität Bern zu verbinden? Ein Blick in den Alltag des Sportlers.
Er ist hoch konzentriert, denn es geht um alles. Noch ein Griff in das Säckchen mit dem Magnesiapulver, um die Hände trocken zu halten, dann der nächste Griff. Ein Schwung mit dem Fuss zum nächsten Tritt, um Halt zu finden. Er sichert sein Seil, um dann den nächsten Abschnitt an der Wand in Angriff zu nehmen. Die Uhr tickt, er muss innerhalb der vorgegebenen Zeit möglichst weit die Wand hinaufklettern.
Von den Olympischen Spielen zum Europameister
Sascha Lehmann ist mitten im Wettkampf. Es geht um die Europameisterschaft in der Kombination, einer Disziplin im Wettkampfklettern. Am Ende wird er Vizeeuropameister, genau einen Tag nachdem er bereits den Europameistertitel im Lead für die Schweiz eingefahren hat. Direkt nach seinem Vizetitel reist er aus Villars-sur-Ollon wieder heim, einige Tage später geht es für ihn auch schon wieder weiter zur nächsten Weltcupstation nach Slowenien.
Die Olympischen Spiele als ein Karrierehöhepunkt
Genau in dieser kleinen Pause treffe ich Sascha Lehmann. Die Höhepunkte des Jahres liegen hinter ihm. Zum einen waren das die Olympischen Spiele: «Paris war ein Erlebnis, das mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Es war aus sportlicher Sicht nicht ganz das, was ich mir erhofft hatte. Dennoch nehme ich die tolle Stimmung mit, die mich sehr motiviert und in meiner Entwicklung gefördert hat», resümiert Lehmann die Wettkämpfe.
Klettern als Berufung
Das Klettern ist für Lehmann mehr als nur ein Sport. Über seine Familie kam er früh mit dieser faszinierenden Disziplin in Berührung, war aber unter anderem auch im Kunstturnen aktiv. «Das Turnen war für mich eine ideale Grundlage für das Klettern, da man viele Muskelgruppen beansprucht und die Bewegungen bei beiden Sportarten sicher sitzen müssen. Dazu braucht es viel Konzentration», erklärt er. Letztlich entschied er sich für das Klettern: «Es ist abwechslungsreich, und man kann immer wieder neue Bewegungen testen. Jede Wand ist anders, und es gibt immer etwas zu entdecken.»
«Lösungen zu finden, liegt mir im Blut.»
Sascha Lehmann
Im Gespräch wirkt Lehmann zufrieden und von seinem vollen Terminkalender nicht gestresst. Woran das liege, frage ich ihn: «Lösungen zu finden, liegt mir im Blut», sagt er von sich. Deswegen hat er sich auch trotz der Karriere als Sportprofi für ein Studium der Physik im Hauptfach und Informatik sowie Mathematik im Nebenfach entschieden.
Die Universität Bern als Enabler für den Spitzensport
Dass er nach der Matura studieren würde, wusste Sascha Lehmann bereits zu Schulzeiten. Damals hatte er sich intensiv mit der Fächer- und Studienortswahl auseinandergesetzt. Dabei stiess er auf das Angebot «Spitzensport und Studium» der Universität Bern.
«Spitzensport und Studium» an der Universität Bern
Im Rahmen dieses Programms unterstützt die Universität ausgewiesene Spitzensportlerinnen und Spitzensportler, damit sie Studium und Sport bestmöglich vereinbaren können. Mit den jeweiligen Fakultäten können individuelle Flexibilisierungen des Studienplans vereinbart werden. Nur wer eine Swiss Olympic Card besitzt, kann eine Studienflexibilisierung vereinbaren. Die Swiss Olympic Card für Athlet*innen ist eine Auszeichnung für international erbrachte Wettkampfleistungen und/oder für vorhandenes Potenzial, den Athlet*innenweg erfolgreich zu bestreiten. Durch eine Bestätigung des jeweiligen Verbandes können aber auch Athleten aus nicht olympischen Sportarten in das Programm aufgenommen werden.
Alles für die Bestleistung
So erlebte es auch Sascha Lehmann, wie er mir erklärt: Um sich auf seinen bisherigen Karrierehöhepunkt als Wettkampfkletterer zu fokussieren, nahm er eine Anstellung als Sportsoldat an und liess sich vom Studium beurlauben. Mit der Anstellung konnte er in dieser Zeit seinen Lebensunterhalt sichern und sich konzentriert auf die Olympischen Spiele vorbereiten: Am Vormittag verbrachte er rund zwei Stunden im Kraftraum, am Nachmittag ging es für vier Stunden zum Klettern an die Wand. In der Zeit sollten die Erholung und der Schlaf ebenfalls nicht zu kurz kommen. Ideale Bedingungen also, um sich auf die Spiele vorzubereiten.
Magazin uniFOKUS
«Startrampe Studium»
Dieser Artikel erschien erstmals in uniFOKUS, dem Printmagazin der Universität Bern. uniFOKUS beleuchtet viermal pro Jahr einen thematischen Schwerpunkt aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Aktuelles Fokusthema: «Studieren»
uniFOKUS als Magazin abonnierenDurch Flexibilität mehr Zeit fürs Training
Für das Herbstsemester 2024/2025 kehrt er wieder mit einem angepassten Plan ins Studium zurück. Erst einmal möchte er in Teilzeit mit halbem Pensum studieren, um weiter den Leistungssport neben dem Studium verfolgen zu können: «Bislang konnte ich mit meinen Ansprechpartnern fast immer eine gute Lösung finden», zeigt sich Lehmann optimistisch für den weiteren Studienverlauf. «Bei Prüfungen, Abgaben von Semesterarbeiten oder Vorlesungen bespreche ich das direkt mit den Dozierenden.» Bis auf eine Prüfung habe das auch gut funktioniert. «Für eine Prüfung, die kurz vor einem wichtigen Wettkampf stattfinden sollte, fanden wir leider keine Lösung. Ich habe also die Prüfung absolviert und musste dann kurzfristig zum Wettkampf anreisen.»
«Bislang konnte ich mit meinen Ansprechpartnern fast immer eine gute Lösung finden.»
Sascha Lehmann
Vor allem die Verfügbarkeit von Podcasts seien für ihn eine grosse Hilfe: «Es vereinfacht es extrem, meine Sportlerkarriere voranzutreiben, wenn ich mal in Asien unterwegs bin und mir dann die Vorlesung als Podcast anhören kann», erläutert er. Lehmann, der sein Studium zu Coronazeiten begann, freut sich auf das Herbstsemester, denn dann kann er sein Netzwerk mit weiteren Studierenden aufbauen: «Ein Drittel meines Studiums habe ich schon geschafft. Jetzt geht es für mich darum, meinen Rhythmus zu finden. Ich will viel an der Uni sein, damit ich mein Netzwerk etablieren kann.»
Das nächste grosse Ziel schon vor Augen
Sascha Lehmann geht gut vorbereitet und organisiert den Wiedereinstieg ins Studium an. Während er sich nun wieder mehr auf das Lernen konzentriert, hat er dennoch schon das nächste sportliche Ziel grob vor Augen, wie er mir zum Abschluss unseres Gesprächs sagt: «Die Olympischen Spiele in Los Angeles 2028 sind für mich sicher ein grosses Ziel. Ich würde sehr gerne dort eine Medaille gewinnen. Bis dahin könnte ich auch mein Bachelorstudium abgeschlossen haben. Dann sehen wir uns im Masterstudium, denn das möchte ich auch noch absolvieren!»
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