Hinweise auf Erbkrankheit bei Freiberger Pferden

Forschende der Universität Bern untersuchen derzeit den Tod mehrerer Fohlen der Pferderasse Freiberger, der möglicherweise auf eine Erbkrankheit zurückzuführen ist. Um eine Weitervererbung der Krankheit zu verhindern, wollen sie nun einen Gentest entwickeln.

Freiberger Stute mit Fohlen. © Adobe Stock

In den letzten vier Jahren wurden bei fünf Freiberger-Fohlen schwere Entzündungen der Bauchspeicheldrüse festgestellt. Die betroffenen Fohlen litten unter Fieber, Durchfall und stark erhöhten Blutfettwerten. Trotz intensiver Behandlungsversuche verstarben alle Fohlen oder mussten eingeschläfert werden.

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Erbliche Ursache wahrscheinlich

Die Tiere wurden am Tierspital Bern lebend und auch nach ihrem Tod eingehend untersucht. Damit konnten äussere Ursachen wie beispielsweise Infektionen für das Versterben der Fohlen ausgeschlossen werden. Eine Analyse der Stammbäume ergab, dass die betroffenen Jungtiere allesamt von einem in der Freibergerzucht einflussreichen Hengst abstammen. Seit 1997 werden Freiberger Pferde nur untereinander gezüchtet, wodurch das Risiko für rezessiv vererbte genetische Krankheiten steigt. Solche Krankheiten treten nur dann auf, wenn beide Elternteile eine Kopie eines krankheitsverursachenden Gens den Nachkommen weitergeben. Die Art der Erkrankung der fünf Fohlen und die familiäre Häufung deuten darauf hin, dass es sich bei der Krankheit um einen erblichen Stoffwechseldefekt handelt.

Pferd der Freiberger Rasse. © Adobe Stock

Die Freiberger sind die letzte einheimische Pferderasse in der Schweiz. Heute leben hier rund 20’000 dieser kräftigen und anpassungsfähigen Tiere. Mit jährlich etwa 1’700 Fohlen ist die Schweiz weltweit führend in der Zucht dieser Pferde. Das Bundesamt für Landwirtschaft fördert den Erhalt der Freiberger finanziell. Veranstaltungen wie der Marché-Concours, bei dem die Freiberger im Mittelpunkt stehen, gehören zudem zum immateriellen Kulturerbe des Landes.

Zur Person

Bild: zvg

Tosso Leeb

ist Leiter des Instituts für Genetik und Professor für veterinärmedizinische Genetik und Tierzucht an der Vetsuisse Fakultät der Universität Bern.

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Forschung eröffnet Chance auf wirksame Bekämpfung

Der mutmassliche Stoffwechseldefekt soll nun genauer erforscht werden. Pferde mit dem möglichen Gendefekt, sogenannte Anlageträger, sind völlig gesund und ihr Einsatz in der Zucht ist durchaus sinnvoll, insbesondere angesichts der begrenzten genetischen Vielfalt. Tosso Leeb vom Institut für Genetik an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern ist zuversichtlich: «Wir sind überzeugt, dass die mögliche neue Erbkrankheit durch ein besseres Verständnis der genetischen Grundlagen und geeignete züchterische Massnahmen zielgerichtet und effizient bekämpft werden kann.» Gentests sind ein bewährtes Mittel, um herauszufinden, welche Tiere eine Krankheit vererben können. Das Hauptziel des geplanten Forschungsprojekts ist deshalb die Entwicklung eines Gentests, der es Züchterinnen und Züchtern ermöglicht, Risikoverpaarungen von zwei Anlageträgern zu vermeiden und damit die Geburt weiterer erkrankter Fohlen sicher zu verhindern. Ein Gesuch um finanzielle Unterstützung des Projekts wurde beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) eingereicht.

Zur Person

Bild: zvg

Vinzenz Gerber

ist Direktor der Pferdeklinik/ISME und Professor für Pferdemedizin an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern.

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Zusammenarbeit und Aufklärung

Für das Forschungsprojekt kooperiert das Team vom Institut für Genetik mit Forschenden des Institut suisse de médecine équine (ISME) in Bern und Avenches, des Instituts für Tierpathologie und des Forschungsbereichs Tierische GenoPhenomik von Agroscope – dem Kompetenzzentrum für landwirtschaftliche Forschung des Bundes. Vinzenz Gerber, Direktor des ISME, hofft auch mehr Informationen über die Ausbreitung und den Verlauf der Krankheit zu erhalten: «Wir kennen die Dunkelziffer nicht und wissen auch nicht, ob die Krankheit in allen Fällen tödlich verläuft.» Der Schweizerische Freibergerverband wurde deshalb über den Stoffwechseldefekt und über mögliche Massnahmen informiert. Weiter soll in den kommenden Monaten eine Aufklärungs- und Informationskampagne für Tierärztinnen, Züchter und alle Pferdeinteressierten lanciert werden, um auf diese mögliche neue Krankheit aufmerksam zu machen.

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