Anna Tumarkin – Uni Bern feiert ihre Pionierin

Viel weibliche Prominenz und eine vollbesetzte Aula: Zu Anna Tumarkins 150. Geburtstag ehrte die Universität Bern ihre erste vollberechtigte Professorin – und damit die erste Professorin der Geschichte.

Viola Amherd und Virginia Richter
Bundesrätin Viola Amherd mit Rektorin Virginia Richter bei der Jubiläumsfeier.

Die Universität Bern feierte Anna Tumarkin (1875–1951), eine Philosophin russisch-jüdischer Herkunft, mit einem grossen öffentlichen Anlass. Tumarkin wurde in Bern promoviert und habilitiert und 1909 zur Extraordinaria berufen. Sie war damit die erste Frau, die auf gewöhnlichem akademischem Weg als Professorin mit allen Rechten ausgestattet war – sie durfte Doktorandinnen und Habilitanden prüfen und im Senat Einsitz nehmen. Tumarkin wäre am 16. Februar 2025 150 Jahre alt geworden.

Nach der Eröffnung der Jubiläumsfeier durch Rektorin Virginia Richter führte die Philosophin, Journalistin und Autorin Barbara Bleisch durch den Anlass.

Barbara Bleisch
Moderatorin Barbara Bleisch im Gespräch auf dem Podium der Aula.

Die Historikerin Franziska Rogger hat kürzlich die Biographie «Anna Tumarkin – Das schicksalhafte Leben der ersten Professorin» veröffentlicht. Im Gespräch mit Barbara Bleisch teilte Rogger Einblicke in die Lebensgeschichte der Philosophin.

Tumarkin verliess als 17-Jährige ihre russische Heimat und kam 1892 nach Bern. Knapp 30 Jahre später dort eingebürgert, engagierte sie sich für das Frauenstimm- und Wahlrecht in der Schweiz. Als Jüdin verlor sie ihre gesamte Familie in russischen Progromen und nationalsozialistischen Lagern, wie sie nach Ende des Zweiten Weltkriegs erfahren musste.

Franziska Roger und Barbara Bleisch
Historikerin Franziska Rogger mit Barbara Bleisch unter einem Porträt der jungen Anna Tumarkin.

Nina Tumarkin ist Geschichtsprofessorin am Wellesley College (USA) und Urgrossnichte von Anna Tumarkin. Sie kam zur Ehrung ihrer Vorfahrin aus den Vereinigten Staaten angereist und sagte in ihrer Rede: «Wir feiern nicht nur den brillanten Verstand einer Philosophin, sondern auch ihr grosses Herz.»

Nina Tumarkin bei ihrer Ansprache.

Über die Rolle von Pionierinnen sprach Bundesrätin Viola Amherd: «Wenn eine Frau eine Barriere durchbricht, mag sie eine Veränderung lostreten. Der Wandel erfolgt aber nicht über die individuelle Leistung, sondern ist abhängig von einem gesellschaftlichen Umdenken.»

Bundesrätin Viola Amherd begrüsst Regierungsrätin Christine Häsler und Ständerätin Flavia Wasserfallen.

Im abschliessenden Podiumsgespräch diskutierten Bundesrätin Viola Amherd, Rektorin Virginia Richter, Lena Lisa Wüstendörfer, Chefdirigentin des Swiss Orchestra, und Belinda Walther Weger, Leiterin Bereich Public Affairs und Nachhaltigkeit bei «Die Mobiliar».

Ein Blick ins Publikum in der Aula.

Die Besucherinnen und Besucher konnten auch eine bei diesem Anlass eingeweihte Ausstellung über die Geschichte des Frauenstudiums an der Universität Bern am Tumarkinweg besuchen. Zudem wurden in der Eingangshalle Videoportraits von ausgewählten Berner Forscherinnen der Gegenwart präsentiert.

Ausstellung zu Anna Tumarkin und den ersten Pionierinnen

Die Geschichte von Frauen an der Universität Bern ist ohne die ersten Pionierinnen aus Osteuropa nicht zu erzählen. 20 Jahre vor Anna Tumarkins Ankunft in Bern wagten 1873 junge Frauen aus dem Zarenreich den Schritt an die Universität. Sie waren wissbegierig und mutig, eckten aber auch an und sorgten für Aufsehen. Eine für das Jubiläum konzipierte Ausstellung geht dem teils steinigen Weg der ersten Studentinnen nach. Konzipiert und erarbeitet wurde sie von Prof. Dr. Julia Richers und Dr. habil. Carmen Scheide, gemeinsam mit Studierenden der Geschichte und Osteuropa-Studien.

Die Ausstellung thematisiert neben Anna Tumarkins aussergewöhnlicher Biographie den Beginn des Frauenstudiums in Bern, die wegweisende Rolle der Pionierinnen aus Osteuropa und zeigt die Hürden, die Frauen in der Wissenschaft zu überwinden hatten. An diesem Kapitel der Berner Universitätsgeschichte lassen sich mehrere historische Dynamiken aufzeigen: zum einen Bildung als Emanzipationsgeschichte und zum anderen Migration und Internationalisierung als Innovationspotential einer weltoffenen Universität.

Mehr Informationen: https://tumarkin.unibe.ch/ausstellung/index_ger.html

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