Hundert Jahre nach der Ernennung von Anna Tumarkin zur ersten Professorin hat die Universität Bern mit Virginia Richter ihre erste Rektorin. «Tumarkins Berufung war ein Meilenstein auf einem langen Weg, den Frauen in der Wissenschaft zurückgelegt haben», sagt Virginia Richter. Persönlichkeiten wie Marie Curie und Hannah Arendt prägten diesen Weg mit und sind auch für sie selbst Vorbilder. «Jede Generation steht auf den Schultern der vorherigen», betont sie.

Heute seien rund die Hälfte der Universitätsleitungen in der Schweiz von Frauen besetzt. «Als ich meine akademische Karriere begann, glaubten viele, Frauen seien dafür nicht geeignet», sagt Virginia Richter. Damals waren Universitäten stark männlich dominiert und traditionelle Rollenbilder vorherrschend. Doch der Zeitgeist änderte sich und alte Denkmuster wurden hinterfragt. Mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit setzte Virginia Richter Akzente in der anglistischen Forschung, publizierte zahlreiche Aufsätze und Bücher – und etablierte sich als anerkannte Wissenschaftlerin.

Seit 2007 ist sie Professorin an der Universität Bern. Neben Lehre und Forschung entdeckte sie bald auch eine Begabung für administrative Aufgaben – was nicht unbemerkt blieb. So wurde sie zunächst Dekanin und später Vizerektorin. «Ich habe mich bewusst dafür entschieden, eine neue Richtung einzuschlagen und neue Herausforderungen anzunehmen», sagt sie. Sie hat die wissenschaftliche Arbeit hinter sich gelassen, um nun die Universität strategisch weiterzuentwickeln – und das nicht im Alleingang: «Meine Vision will ich im Dialog mit anderen Menschen entwickeln». Ihr ist es ein Anliegen direkt mit Studierenden und Mitarbeitenden ins Gespräch zu kommen. Bereits in den ersten Monaten suchte sie deshalb das Gespräch mit vielen, um Anliegen zu hören, Perspektiven zu verstehen und gemeinsame Ideen zu formen. Für sie steht fest: «Langfristige Veränderungen gelingen nur in Zusammenarbeit». Begegnungen mit verschiedensten Menschen, die Freiheit, über grosse Fragen nachzudenken, und die Chance, Veränderungen anzustossen, treiben sie bis heute an.