Wie Männerchöre die Schweiz vereinten

Caiti Hauck und Julien Cachemaille zeigen in ihrem Science-Comic, wie Männerchöre der Städte Freiburg und Bern im 19. Jahrhundert den Röstigraben überwanden und sich für eine vereinte Schweiz einsetzten.

Männerchor

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Kulturelle, sprachliche und religiöse Konflikte prägten das Leben in der Schweiz im 19. Jahrhundert. Trotz anhaltender Spannungen entstand 1848 mit dem Bundesstaat Schweiz die erste moderne Demokratie Europas. Doch wie ist es gelungen, in der kleinen Schweiz mit grosser Vielfalt das dazu notwendige Nationalgefühl zu schaffen? Caiti Hauck vom Institut für Musikwissenschaft zeigt: nicht zuletzt durch Männerchöre.

Basierend auf ihren Forschungen zur Bedeutung von Gesangsvereinen im sozialen und politischen Leben des 19. Jahrhunderts entstand der Science-Comic «Drei Schweizer Chorsänger im 19. Jahrhundert», illustriert von Comiczeichner Julien Cachemaille.

Dass Männerchöre im 19. Jahrhundert mehr waren als nur musikalische Gemeinschaften, veranschaulichen Caiti Hauck und Julien Cachemaille mit Blick auf das Chorleben in den Städten Bern und Freiburg. Schon vor der Gründung des Schweizer Bundesstaates boten die Chöre eine politische Öffentlichkeit. Zahlreiche Chormitglieder der «Société de Chant de la Ville de Fribourg» und der «Berner Liedertafel» waren politisch aktiv – auch mit dem Ziel, die Schweiz zu vereinen. Trotz sprachlicher und religiöser Unterschiede pflegten die beiden Chöre eine enge Freundschaft über den Röstigraben hinweg. Verbunden durch ihre liberale Haltung und den Wunsch, ein nationales Zusammengehörigkeitsgefühl aufzubauen, förderten sie nicht nur das gemeinsame Singen, sondern auch den Patriotismus in der Schweiz.

Erzählt werden im Comic die von realen Personen inspirierten Geschichten dreier Chorsänger – ihre Leidenschaft für den Gesang und ihren Wunsch nach Zusammenhalt. Zwei der «Monsieurs» stellt uniAKTUELL hier kurz vor.

Monsieur Laurents revolutionäre Leidenschaft

Der Freiburger Coiffeur Monsieur Laurent begeistert seine Kunden mit seinem Gesangstalent und tritt der «Société de Chant de la Ville de Fribourg» bei ihrer Gründung 1841 sofort bei. Mit seiner radikal-liberalen Art entspricht er dem Geist der Männerchöre jener Zeit und findet sich in den patriotischen Parolen der Chorlieder wieder.

Mit «revolutionärer Leidenschaft» lehnt sich der Männerchor gegen die konservative Elite Freiburgs auf und feiert 1848 die Entstehung der modernen Schweiz: Als Zeichen des Wandels begleiten sie musikalisch die Verbrennung der Folterinstrumente des Ancien Régime.

Trotz des politischen Umbruchs bleibt die Lage in Freiburg angespannt. Die konservative Regierung fürchtet den Einfluss des Männerchors auf die öffentliche Meinung und versucht, dessen Aktivitäten zu unterbinden. Als Ausdruck des Widerstands organisiert die «Société de Chant de la Ville de Fribourg» 1871 ein kantonales Gesangsfest, an dem auch die «Berner Liedertafel» teilnimmt. Mit ihrem Auftritt bestärken die Berner Sänger den Freiburger Chor in seinem politischen Kampf und singen von ihrer Hoffnung auf Veränderung – was Monsieur Laurent zu Tränen rührt.

Monsieur Büri singt für sein Vaterland

Monsieur Büri ist gerade einmal acht Jahre alt, als der Schweizer Bundesstaat 1848 gegründet wird – und als er die «Berner Liedertafel» zum erstmal singen hört. Fasziniert davon, wie der Männerchor Bürger unabhängig ihrer Kultur und ihres Glaubens vereint, beschliesst er einige Jahre später, der «Berner Liedertafel» beizutreten und «zu Ehren seines Landes» zu singen.

Die «Berner Liedertafel» geniesst in der mehrheitlich protestantischen und deutschsprachigen Hauptstadt Bern hohes Ansehen und zählt zahlreiche Politiker zu ihren Mitgliedern. Anders geht es der «Société de la Ville de Fribourg», die von ihrer ultra-konservativen Regierung unter Druck gesetzt wird. Für Monsieur Büri ist es mehr als eine Geste der Solidarität, den befreundeten Chor zu unterstützen – es ist seine «patriotische Pflicht». Umso mehr freut es ihn, dass die «Berner Liedertafel» auch französische Lieder in ihr Repertoire aufnimmt.

Monsieur Büri führt ein Leben voller musikalischer Begegnungen – ganz dem Chorgesang und «Vaterland» gewidmet. Die «Krönung» seines Lebens sieht er im Auftritt der «Berner Liedertafel» bei der Einweihung des neuen Bundeshauses im Jahr 1902.

Zur Person

Caiti Hauck

ist Postdoktorandin und Studienleiterin am Institut für Musikwissenschaft. Ihr Hauptforschungsgebiet ist die Musik in der Schweiz seit dem 19. Jahrhundert, mit besonderer Berücksichtigung von Gesangsvereinen und Choraktivitäten aus sozialgeschichtlicher Perspektive. Ihr Projekt CLEFNI – Das Chorleben in den Städten Bern und Freiburg im langen 19. Jahrhundert wurde von 2019 bis 2023 durch das Horizon 2020-Programm der Europäischen Union im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Massnahmen (MSCA) gefördert.

Kontakt: Dr. Caiti Hauck, caiti.hauck@unibe.ch

Zur Person

Julien Cachemaille

Julien Cachemaille ist Comiczeichner und Illustrator. Zu seinen wichtigsten Publikationen zählt « La course de pirogues » (Infolio, 2022), ein Science-Comic über Pfahlbauerinnen und Pfahlbauer in der Spätbronzezeit, der in enger Zusammenarbeit mit Forschenden entstand und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse abbildet. Julien ist Zeichner und Autor zahlreicher Comics für Jugendliche und Erwachsene sowie Illustrator mehrerer Kinderbücher.

Mehr Informationen: https://juliencachemaille.wordpress.com/

Kontakt: julien.cachemaille@gmail.com

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