Menschen an der Uni Bern
Zwischen Datenschutz und Forschungsfreiheit
Christine Krebs berät als sogenannte «Data Steward» Forschende beim Verwalten ihrer Daten. Sie spricht über die Herausforderungen im Umgang mit sensiblen Daten und die Bedeutung von Transparenz in der Forschung.
Christine Krebs, was ist der Nutzen von öffentlich publizierten Forschungsdaten für die Wissenschaft?Christine Krebs: Beispielsweise gab es in der Psychologie viele Fälle, in denen Forschungsresultate nicht wiederholt werden konnten, unter anderem aufgrund von fehlerhaften Daten. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse können dadurch in Frage gestellt werden. Systematisch verwaltete und vollumfänglich publizierte Daten können helfen, das zu verhindern. Zudem ist die Arbeit mit den Daten dadurch effizienter, insbesondere, wenn mehrere Forschende mit denselben Daten arbeiten.
Als Data Steward an der Universität Bern helfen Sie Forschenden, ihre Daten zu managen. Wie sieht bei Ihnen ein typischer Tag aus?Wir Data Stewards arbeiten im Rhythmus der Universität. Während des Semesters vermitteln wir Forschenden regelmässig durch Vorträge die Grundlagen des Datenmanagements. Ein anderer Teil ist die Betreuung des Repositoriums BORIS Portal, mit welchem die Forschenden ihre Daten hochladen und publizieren können. Da verantworten wir unter anderem die Freigabe der Daten. Am interessantesten finde ich es aber, wenn Forschende mit konkreten Anliegen auf uns zukommen.
Seit einem Jahr unterstützen sieben Personen von der Universitätsbibliothek Bern Forschende beim Management ihrer Daten. Ihr Hauptziel ist es, die Qualität, Sicherheit und Reproduzierbarkeit der Forschungsdaten sicherzustellen. Drei von ihnen stellt uniAKTUELL in einer Serie vor: Martin Wegmann, Data Steward NaturwissenschaftenSERIE IN UNIAKTUELL
Data Stewards
Christine Krebs, Data Steward Humanwissenschaften
Ursula Loosli, Data Steward Geisteswissenschaften
Im Bereich der Humanwissenschaften helfen wir oft im Umgang mit Gesundheitsdaten, beispielsweise bei der Pseudonymisierung und Anonymisierung von Daten. Ich selbst habe zum Beispiel früher in der Alterspsychiatrie gearbeitet, wo man teilweise mit sehr alten Personen arbeitet. Wenn man nun einen 95-jährigen Mann aus einer kleinen Ortschaft untersucht, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass Leute aus seinem Heimatort diesen Mann anhand der erhobenen Daten wie Alter, Geschlecht und Wohnort erkennen. Denn so viele 95-jährige Männer gibt es in diesem Ort wahrscheinlich nicht. In dem Fall könnte man den Wohnort beispielsweise mit Kanton ersetzen oder statt des genauen Alters die Kategorie 90+ verwenden. Oder in der Pädagogik befragen Forschende häufig Kinder. Will man diese Befragungen publizieren, müssen nicht nur die Eltern, sondern je nach Alter auch das Kind zustimmen. Auch die Identität des Kindes muss geschützt werden.
Wie beeinflusst die Sensibilität der Daten Ihre Arbeit als Data Steward?Die Forschenden sind sich der Sensibilität der Daten bewusst und daher bei deren Publikation verständlicherweise eher zurückhaltend. Wir versuchen aber, den Forschenden im Interesse der Transparenz und der wissenschaftlichen Nachvollziehbarkeit unterschiedliche Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie ihre Daten teilen können. Zudem wird von wissenschaftlichen Zeitschriften und Forschungsförderern immer häufiger erwartet, dass die Daten, die für Artikel relevant sind, publiziert werden.
«Wir bemühen uns, bereits zu Beginn der Forschungsprojekte involviert zu sein.»
Christine Krebs
Wie setzen Sie das um?Beispielsweise können Forschende Datensätze nur auf konkrete Anfragen und zeitlich begrenzt herausgeben. Wir bemühen uns ausserdem, bereits zu Beginn der Forschungsprojekte involviert zu sein. So haben wir unter anderem die Möglichkeit, bereits bei der Formulierung von Einverständniserklärungen mitzuwirken. Denn die Befragten haben meistens kein Problem mit der Datenveröffentlichung, wenn das in der Einverständniserklärung bereits deklariert ist. Verpassen Forschende aber solche Schritte, können sie die Daten im Zweifelsfall nicht publizieren.
Data Stewards gibt es an der Universität Bern in dieser Form seit einem Jahr. Wenn Sie fünf Jahre in die Zukunft denken, wo soll das Management von Forschungsdaten idealerweise stehen?Mein wichtigstes Ziel ist es, dass die Forschenden über unseren Service informiert sind. Idealerweise interagiert dann jedes Institut mit uns und hat einen internen Standard für das Management von Forschungsdaten definiert.